Tilman Weber
Der Anstieg der Nettostromerzeugung der Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland im Jahr 2018 um 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 219 Terawattstunden (TWh) (siehe Erstbericht) hatte das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer Ise) in Freiburg frühestmöglich gleich am 2. Januar mit einer Mitteilung gewürdigt: „Erneuerbare Energiequellen erreichen über 40 Prozent“. Der Erfolg gemessen an der regelmäßig vom Fraunhofer Ise erfassten Nettostromerzeugung ist deshalb bedeutsam, weil es sich bei dieser Größe die tatsächlich bundesweit über die Stromnetze an die Steckdosen ausgelieferte Elektrizität handelt: Abgezogen sind davon bereits die Strommengen, die Kraftwerke für den Eigenbedarf selbst verbrauchen sowie aller Strom, der beispielsweise zur von Unternehmen zur Eigenversorgung mittels eigener Kraftwerke produziert wurde.
Doch spannend sind vor allem zehn weitere Erfolge, von denen neun ebenfalls in den Datensammlungen des Fraunhofer Ise zu finden sind:
1.) Die Zahl der Monate, in denen die Windparks an Land und im Meer mehr als alle Braunkohlekraftwerke zusammen erzeugt haben, nahm weiter zu: So gab es mit Januar, Oktober und November erstmals drei Monate, in denen die Windkraft mehr Strom einspeiste, als die Braunkohle und damit die ansonsten noch immer wichtigste bundesweite Stromquelle. Dabei distanzierten die Windturbinen in den windreichsten Monaten des Jahresverlaufs die Braunkohle deutlich: Im Dezember speisten sie sogar 14,79 TWh ein – fünf TWh oder 50 Prozent mehr im Vergleich zu 9,81 TWh aus der Braunkohle. 2017 kam die Windkraft nur zwei Mal – im Oktober und Dezember – auf mehr Einspeisung als die Braunkohle, und zwar mit einem bereits ähnlich hohen Vorsprung vor der Braunkohle (15,19 TWh zu 10,39 TWh). Zuvor war es 2015 erstmals zu einem Monat – im Dezember – mit mehr Windstrom- als Braunkohlestromanteil in der Nettostromerzeugung gekommen. Insgesamt produzierten die Braunkohle-Kraftwerke aber noch am meisten - ausgerechnet also die Stromerzeugungsanlagen mit der gemessen am CO2-Ausstoß emissionsreichste und für den Klimawandel am meisten verantwortliche Stromerzeugungs-Technologie. Braunkohlekraftwerke erzeugten mit 131 TWh noch ein deutlich größeres Volumen als die Windparks mit 111 TWh.
2.) Erstmals allerdings reduzierten die Braunkohlekraftwerke ihre Einspeisung regelmäßig, wenn Wind- und Solarstromanlagen besonders viel einspeisten. Bisher hatten die im Vergleich zu Steinkohle und Gas verstromenden Anlagen eher langsam regulierbaren Kraftwerke kaum auf hohe Grünstromeinspeisung reagiert. Jetzt waren es im Jahresverlauf ein gutes Dutzend teils mehrtägiger Phasen, in denen die Braunkohlekraftwerke die Einspeisung fast plötzlich um mindestens die Hälfte drosseln mussten. Im Jahr davor waren es gerade eine Handvoll solcher Phasen. Gleich mehrmals drosselten die Braunkohlemeiler ihre Leistung sogar auf unter sechs 6 (GW), bei einer nutzbaren Erzeugungskapazität von 21 GW. Dabei ging die Einspeisung von Braunkohlestrom um 2,7 TWh zurück. Sie sackte nun erstmals wieder fast auf das Niveau des Jahres 2010, nach dem infolge eines Zubaus neuer Kapazitäten diese Einspeisung bis 2013 stetig auf ein Rekordhoch von sogar 145 TWh angestiegen war.
3.) Infolge dessen fielen auch die Emissionen aus Braunkohlekraftwerken wieder auf das Niveau vor diesem zwischenzeitlichen Erzeugungsplus zurück, wie das Fraunhofer Ise mit Verweis auf die hierfür leider nur um zwei Jahre zeitverzögert zur Verfügung stehenden Daten zeigt: So emittierten die Braunkohlekraftwerke offenbar schon 2016 nur noch so viel wie 2010, nämlich rund 155 Millionen Tonnen CO2. Während die Stromerzeugung aus Braunkohle 2017 mit 0,9 TWh im Vergleich zu 2016 noch kaum zurückgegangen war und damit wohl auch noch kaum weiteren Emissionsrückgang bewirkten, dürften die Kohlendioxidmengen der Braunkohle 2018 nun endlich ein neues Tief erreicht haben. Auch die Steinkohlekraftwerke verursachen zunehmend weniger Emissionen: Sie pusteten 2016 noch rund 90 Millionen Tonnen CO2 in die Luft und fielen erstmals wieder auf das Niveau von 2011 zurück, dem bisher emissionsärmsten Jahr der Steinkohle in den vom Fraunhofer Ise hierbei bilanzierten vergangenen zehn Jahren.
4.) Auch für die Photovoltaik (PV) mit 45,79 TWh Jahreserzeugung erhöhte sich derweil die Zahl der Monate, in denen die Anlagen mehr als die fossilen Kraftwerke einer emissionsreichen Energiequelle erzeugten: 2018 erzeugten PV-Anlagen schon während der fünf sonnenstärksten Monate April bis August mehr als die Steinkohlekraftwerke. 2017 hatte es erstmals solche Monate mit einem Vorteil für die PV gegeben: Damals dauerte die Phase mit mehr PV-Strom im Netz als Steinkohlestrom nur von Juni bis August. In der Gesamtjahresbilanz freilich erzeugten Steinkohle- und auch Atomkraftwerke immer noch deutlich mehr Elektrizität mit abgerundet 73 und 72 TWh.
5.) Erstmals sind allerdings alle Erneuerbare-Energien-Anlagen zusammen inklusive der Biomasse- und Wasserkraftwerke mit ihrer Erzeugung an den beiden Energiequellen vorbeigezogen, von denen sich Energiewendepolitiker und Erneuerbaren-Branche gerne besonders schnell verabschieden würde: Sie erzeugten deutlich mehr Strom als alle Atom- und Braunkohlekraftwerke, nachdem sie mit diesen 2017 noch in etwa gleichgezogen waren.
6.) Und erstmals haben alle Erneuerbare-Energien-Anlagen zusammen auch die Gesamtheit aller Kohlekraftwerke überholt: Sie erzeugten mehr als alle Braun- und Steinkohlekraftwerke zusammen.
7.) Markant zeigte sich der Bedeutungszuwachs der Windkraft in der täglichen Stromversorgung auch, weil die Rotoren beim Einspeisen eine weitere Zielmarke übertrafen: Erstmals floss am 8. Dezember an einem Kalendertag laut Fraunhofer-Ise-Grafikdarstellung eine ganze TWh Windstrom ins Netz.
8.) Erstmals seit sieben Jahren hat auch das sogenannte Stromaustauschsaldo nicht mehr zugenommen. Vielmehr nahm es um fast 7 TWh auf 45,6 TWh ab. Der Wert bezeichnet das Stromvolumen, das pro Jahr unterm Strich über grenzüberschreitende Leitungen ins Ausland fließt. Die Zunahme dieser durch Stromhandel und physikalische Ungleichgewichte der Netzlasten entstehenden Exporte galt in der Erneuerbaren-Branche zuletzt als ein wachsendes Problem. Schließlich sorgten die zunehmenden Exporte dafür, dass konventionelle Kraftwerk in Zeiten von viel Wind- und Solarstromeinspeisung ihre Leistung nicht aus wirtschaftlichen Gründen drosseln mussten, weil sich reichlich überschüssiger Strom ins Ausland verkaufen ließ.
9.) Erstmals seit Einführung der Ausschreibungen im Jahr 2017 erreichte Windstrom dank wieder steigender Börsenstrompreise 2018 einen Marktwert oberhalb der in den bisherigen Ausschreibungen erzielten tiefsten Einspeisepreise. Der sogenannte volumengewichtete Marktwerkt für Windstrom kam 2018 auf 3,814 Cent pro Kilowattstunde (kWh) nach 2,979 Cent im Vorjahr. Damit blieb Wind zwar die mit Abstand günstigste Stromquelle. Doch war Windstrom nun mehr wert, als die tiefsten Zuschlagswerte aus den Ausschreibungen für neue Windenergieprojekte in den beiden Auktionsrunden von Ende 2017 und Anfang 2018. Damals erhielten Projektierer einen Zuschlag für ihr Angebot, den Windstrom 20 Jahre lang für nur 3,8 Cent pro kWh einzuspeisen. Freilich ist dies noch ein theoretischer Wert, da bei Windparks an Standorten mit eher geringem Windkaufkommen noch Aufschläge hinzukommen.
10.) Ein weiteres Erfolgserlebnis dokumentieren hingegen die Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dieser präsentiert anders als das Fraunhofer Ise die sogenannte Bruttostromerzeugung, die auch den Stromverbrauch der Kraftwerke einbezieht und Verluste in den Stromleitungen nicht berücksichtigt. So meldete der BDEW schon Ende Dezember: Für die Bruttostromerzeugung „stieg der Beitrag der regenerativen Energien zum Erzeugungsmix 2018 auf insgesamt 35 Prozent (2017: 33 Prozent). Der Anteil des in Stein- und Braunkohlekraftwerken erzeugten Stroms hingegen sank auf 35 Prozent (2017: 37 %). Damit ziehen die Erneuerbaren mit der Kohleverstromung gleich und wechseln mit Blick auf den weiteren regenerativen Zubau auf die Überholspur.“