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Experteninterview

PV-Industriestandort, Solarpflicht und Akzeptanz

Nicole Weinhold

Gerade ist der EEG-Entwurf im Kabinett verabschiedet worden - und bleibt weit hinter dem zurück, was für das Erreichen der Klimaziele nötig wäre. Der Ausbau muss beschleunigt werden, wenn Deutschland seine Ziele auch in den Sektoren Verkehr und Wärme schaffen will. Volker Quaschning, Professor für erneuerbare Energien an der HTW Berlin, über neue Herausforderungen.

Stichwort Solarpflicht: Baden-Württemberg hat sie, Bremen und Berlin wollen sie. Wäre das langfristig für ganz Deutschland denkbar?

Volker Quaschning: Nicht nur denkbar, das wäre sogar erforderlich. Wir haben einen Vorstoß dazu in Baden-Württemberg, jetzt auch in Hamburg. Eine Photovoltaikanlage ist eine Zusatzinvestition, die sich im Prinzip rechnet und wenn ich die sofort ins Gebäude integriere, kann ich Kosten sparen. Wir brauchen die Dächer auch wegen der Akzeptanzfrage. Und wenn ich nachher mit viel Geld anreize, die Anlagen nachträglich aufs Dach zu packen, dann kostet das auf alle Fälle mehr. Deswegen muss man das per Baupflicht durchsetzen. Ich hätte dabei kein schlechtes Gewissen, weil es keine schlechte Investition ist. Oft wird im Bau nur der Mindeststandard umgesetzt. Darum muss man dafür sorgen, dass die Photovoltaik zum Mindeststandard dazu gehört.

Wie sieht es da in Berlin aus?

Volker Quaschning: Es gab ja den Masterplan Solar City. Da gibt es immer die Sorge, dass die Gebäude teuer und Investoren verschreckt werden und deswegen weniger gebaut wird. Gerade im Zuge der Wohnungsnot sind solche Sorgen oftmals größer, als der Wunsch die Energiewende voran zu bringen. Das muss man irgendwie versuchen in Einklang zu bringen.

Andererseits sinken auch die Preise von Solar weiter, und wahrscheinlich gibt es da irgendwann einen Kipppunkt, wo man sagen könnte: Okay, das Dach ist zwar teuer, aber für eure Stromrechnung ist es von Vorteil.

Volker Quaschning: So stark fallen die Preise nicht mehr. Wenn wir uns jetzt einfach die Modulpreise anschauen, irgendwo ist für Aufdachmodule bei 20 Cent pro Watt Schluss. Ein Solarmodul ist ja heute schon billiger als Parkett. Da ist wenig Luft noch nach unten bei den Solarmodulen, und die Montagekosten und die Lohnkosten werden auch nicht fallen. Bei Dächern macht schon gut die Hälfte die Montage aus. Dass wir da eine Halbierung der Preise sehen, ist unrealistisch. Deswegen ist es so wichtig, dass man den Eigenstromverbrauch, die Prosumer, stärkt.

Man braucht gar nicht unbedingt die finanzielle Förderung. Aber Aufwand und Bürokratie müssen reduziert werden. Wenn ich eine Photovoltaikanlage baue und gleichzeitig noch einen Anwalt und einen Steuerberater dafür brauche, schreckt das viele Leute ab.

Deshalb sind wahrscheinlich auch Modelle beliebt, wo eine Firma ihre Anlage auf das private Dach setzt und die Eigenheimbeisitzer können den Strom zu einem vernünftigen Preis abnehmen.

Volker Quaschning: Genau, man muss sich einfach um nichts mehr kümmern. Früher war es relativ einfach: man hat die Photovoltaikanlage errichtet, sie beim Netzbetreiber angemeldet und dann seine Einspeisevergütung bekommen. Ganz, ganz früher waren die Photovoltaikanlagen so teuer, dass man da bei der Steuererklärung viel sparen konnte. Wenn ich jetzt 5.000 Euro investiere und tagelang mit einem Steuerberater diskutiere, dann zahle ich am Ende noch drauf.

Deswegen muss das ganze wieder simpel werden und das müsste eigentlich auch das Hauptanliegen der Regierung sein - nicht die Leute zu verschrecken, sondern zu ermutigen.

Die Modulpreise werden also kaum noch sinken. Aber NREL hatte vor drei Monaten fast 50 Prozent Effizienz-Rekord. Wie ist so etwas zu bewerten?

Volker Quaschning: Über die Wirkungsgradsteigerung kann man noch etwas herausholen. Das ist die einzige Chance, wie ich noch bei Dachanlagen mehr erwirtschaften kann. Wir werden noch eine Steigerung der Wirkungsgrade sehen. Nicht sofort von 20 auf 50 Prozent, sondern eher von 20 auf 25 Prozent, das wäre dann der erste Schritt, aber wir werden ja hoffentlich auch steigende Lohnkosten in Deutschland sehen. Die Frage ist: was wird schneller steigen? Der Wirkungsgrad oder die Lohnkosten? Und die Montagekosten sind einfach ein sehr wichtiger Aspekt.

Eine Verdopplung des Wirkungsgrades würde die Montagekosten halbieren, aber ich habe natürlich auch immer noch die Kosten des Netzanschlusses, und wenn dann noch die ganzen Verwaltungskosten und Steuerberater draufkommen. 20 bis 30 Prozent Kostensenkung auf kleineren und mittleren Dächern sind vielleicht noch drin, aber eine Halbierung sehe ich da einfach nicht.

In dem Zusammenhang: Wie steht die deutsche Solarforschung insgesamt heute da?

Volker Quaschning: Die deutsche Solarforschung ist weltweit immer noch Spitze. Wir haben super Solar-Institute: Fraunhofer, Helmholtz Zentrum, ISFH, ZSW und andere, die großartige Arbeit machen. Wir haben aber kaum mehr Solarindustrie, das ist das Problem. Da wurde viel durch den Kahlschlag 2012 in Deutschland abgewickelt.

Wir haben so gut wie keine Industrie mehr, oder?

Volker Quaschning: Es gibt nur wenige verbliebene Hersteller, wie Aleo Solar, Heckert, Solarwatt... Aber die haben zusammen einen Weltmarktanteil von unter einem Prozent. Was wir als Solarindustrie hier in Deutschland noch haben, ist wirklich harmlos. Das heißt, wir haben eine top aufgestellte Forschungslandschaft und gerade was Solarmodule anbelangt momentan leider wenig Unternehmen, die dieses Potenzial umsetzen können. Die Produktion findet in China statt, und da sollte man sicherlich schon auch einmal überlegen, ob man nicht ein Comeback von einer großen Solarindustrie in Deutschland realisieren kann.

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