Mit der Bundestagswahl 2025 wird die Energiepolitik in Deutschland neu ausgerichtet. Wie im Wahlprogramm-Check des Reiner Lemoine Kollegs zu sehen, vertreten die Parteien im neuen Bundestag grundlegend verschiedene Ansätze in Bezug auf die Energiewende. Insbesondere die voraussichtlichen Koalitionspartner Union und SPD werden hier zentrale Themen für den Fortschritt der Energiewende entscheidend prägen. Grundsätzlich bekennen sich sowohl Union als auch SPD weiter zum Ziel der Klimaneutralität 2045.
Dabei präsentiert die Union in ihrem Wahlprogramm eine schwache Vision zur Energiewende, in der eine ganzheitliche Vorstellung einer nachhaltigen Wirtschaft ausbleibt. Sie setzt auf marktbasierte Mechanismen wie den Emissionshandel und Technologieoffenheit. Zwar wird der Ausbau erneuerbarer Energien grundsätzlich befürwortet, aber eine konsequente Strategie zum fossilen Ausstieg fehlt. Investitionen in die Kernenergie lassen an einer Neuausrichtung der Energieversorgung an den Erneuerbaren zweifeln.
Analyse der Wahlprogramm aller Parteien vor der Wahl
Das Wahlprogramm der SPD verfolgt eine nachhaltige Transformation als Priorität und beschreibt eine umfassendere Version der Energiewende als die Union. Die Ausstiegsziele zu Kohle und Gas bleiben dennoch vage, während der Ausbau erneuerbarer Energien unterstützt und die Klimaziele anerkannt werden. Es fehlen jedoch klare Maßnahmen und ambitionierte Zielsetzungen, zum Beispiel im Blick auf sektorale oder jährliche Vorgaben.
Welche Veränderungen sind im Vergleich zur Politik der Ampelregierung zu erwarten?
Zwar überlagern Themen der Sicherheitspolitik derzeit die Debatten. Die jeweiligen energiepolitischen Visionen und Zielsetzungen zeigen jedoch, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union auch in diesem Bereich unter erheblichem Spannungsdruck stehen. Am offensichtlichsten erscheinen diese Gegensätze in Bezug auf die Positionierung der Union zu der Gesetzgebung der Ampelregierung: Sowohl das Heizungsgesetz als auch die Einstellung von Neuzulassungen von fossil betriebenen Autos („Verbrennerverbot“) werden kritisiert. In beiden Bereichen fordert die Union hier „Technologieoffenheit“: Dafür möchte die Union das Heizungsgesetz abschaffen, und setzt in der Wärmeversorgung auf emissionsarme Wärmelösungen, anstatt klare Dekarbonisierungsziele zu formulieren. Das Verbrennerverbot soll zurückgenommen werden, wobei auch alternative Kraftstoffe und Wasserstoff als Optionen genannt werden.
Analyse Wahlprogramme Bundesländer
Für die SPD als Regierungspartei in der Ampel wäre eine Rücknahme der eigenen Gesetze ein Eingeständnis der Fehlbarkeit. Es wird spannend sein zu beobachten, welche Kompromisse erarbeitet werden können, zum Beispiel durch Abänderungen einzelner Aspekte von Heizungsgesetz und Verbrennerverbot.
Welche gemeinsamen Pläne verfolgen Union und SPD in der Energiepolitik?
Im Gegensatz dazu finden sich aber bei den potenziellen Koalitionspartnern auch Themen, die eine gemeinsame Energiepolitik unterstützen. Interessanterweise liegen diese Aspekte insbesondere in Themen, für die der politische Schaffensdruck besonders hoch ist.
Sowohl die SPD als auch die Union bekennen sich zur Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität und betonen die Notwendigkeit staatlicher Fördermaßnahmen, um den Industriestandort Deutschland zu sichern. Auch im Bereich des Stromnetzes erkennen beide die Notwendigkeit eines Ausbaus zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit an. Beide Parteien sprechen sich für eine Reform der Netzentgelte aus.
Wo kann es zu Spannungen kommen?
Während die SPD mit Blick auf die Energiepolitik insgesamt ein ambitionierteres Programm vorlegt und auch auf staatliche Steuerung setzt, verfolgt die Union eine marktorientierte Strategie mit deutlich weniger konkreten Vorgaben. Ein Streitpunkt ist die Rolle der Bürger. Die SPD will Energy Sharing, Bürgerforen und gemeinschaftliche Energieprojekte fördern, um breite gesellschaftliche Unterstützung zu sichern. Die Union hingegen bleibt hier zurückhaltend, was die Akzeptanz beim Ausbau erneuerbarer Energien erschweren könnte. Auch beim sozialen Ausgleich klaffen die Vorstellungen auseinander: Während die SPD mit Maßnahmen wie dem Klimageld gezielt entlasten will, setzt die Union auf Steuersenkungen und marktbasierte Anreize – mit ungewissem Effekt für einkommensschwache Haushalte.
Besonders umkämpft dürfte die Mobilitätswende werden. Die SPD plant massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr, um Alternativen zum Auto attraktiver zu machen. Dabei setzt sie vor allem auf die Elektromobilität als zentrale Technologie. Die Union hingegen betont die Bedeutung individueller Mobilität und verfolgt eine technologieoffene Strategie.. Uneinigkeit besteht auch beim Thema Wasserstoff. Während die SPD ihn als Schlüsseltechnologie für die Industrie sieht und die Infrastruktur gezielt ausbauen will, bleibt die Union vage, vermeidet klare Förderzusagen und bringt das Thema Wasserstoff vorrangig für den Verkehr ins Spiel. Ähnlich verhält es sich in der Wärmewende: Die SPD setzt auf Fernwärme und kommunale Wärmepläne, bleibt hier jedoch auch vage beim fossilen Ausstieg. Die Union hingegen fokussiert sich auf alternative Gase und emissionsarme Heizsysteme, ohne konkret zu werden und den konsequenten Wechsel zu erneuerbaren Technologien voranzutreiben.
Wohin steuert eine Koalition aus Union und SPD?
Noch haben die Verhandlungen nicht begonnen. Es zeichnet sich aber schon ab: Eine Koalition aus SPD und Union dürfte die Energiewende weniger entschlossen vorantreiben als die Ampelregierung. Während die SPD zwar auf den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien und soziale Gerechtigkeit setzt, verfolgt die Union eine marktorientierte Strategie mit längerer Nutzung fossiler Energieträger. Ein Mittelweg scheint wahrscheinlich: Erneuerbare Energien könnten weiter ausgebaut werden, jedoch mit stärkerem Fokus auf Marktsteuerung statt auf ambitionierte und von der Regierung unterstützte Ausbauziele. Im Verkehrssektor wären Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr denkbar, doch womöglich ohne eine klare Weichenstellung für Elektromobilität. Insgesamt dürfte diese Koalition die Energiewende nicht stoppen – gerade auch im Lichte der neuen Weltlage spricht vieles für die Investition in mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung - ein ambitioniertes Vorangehen erscheint jedoch auch unwahrscheinlich. Wie weit der Klimaschutz vorankommt, wird nicht nur von guten Absichten abhängen – sondern von den Kompromissen, die in den Verhandlungen geschlossen werden. Und wer weiß – vielleicht gibt es ja auch positive Überraschungen...
Autor:innen:
Martha Hoffmann, Philipp Diesing, Edmund Obermeyer, Tabea Katerbau, Nubius Brandner, Josephine Semb, Reiner Lemoine Institut (RLI)

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