Nicole Weinhold
Die Reduktion der weltweiten Luftverschmutzung kann Millionen von Menschenleben retten, wie ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie jetzt mit einer neuen Studie zeigt. Ergebnis: Den wichtigsten Beitrag würde der schnelle Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger liefern – ein Schritt, der derzeit vor allem aus Gründen des Klimaschutzes gefordert wird. Den Einfluss von Luftverschmutzung auf die menschliche Gesundheit untersuchten die Forscher mithilfe eines Modells der globalen Atmosphärenchemie, sie analysierten auf diese Weise aber auch die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Niederschlagsbildung und das Klima. Die Ergebnisse der Studie wurden vor kurzem in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.
Fossile Energien Grund für 65 Prozent der vorzeitigen Todesfälle durch Luftschadstoffe
Das Team um den Atmosphärenforscher Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, berechnete, dass Emissionen aus der Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle weltweit für etwa 65 Prozent der vorzeitigen Todesfälle durch Luftschadstoffe verantwortlich sind. Verschmutzte Luft erhöht demnach deutlich das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten und Erkrankungen der Atemwege. Laut Richard Burnett von Health Canada, Koautor der Studie, ist die Gesundheitsbelastung durch Feinstaub extrem hoch. Ein Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger würde somit weltweit mehr als drei Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich verhindern. „Würde man sämtliche durch Menschen verursachte Luftverschmutzungsquellen einstellen, stiege die Zahl sogar auf über fünf Millionen pro Jahr“, erklärt Andy Haines, Koautor der Studie und Professor an der London School of Hygiene and Tropical Medicine.
Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger nicht nur mittelfristig das Klima schützen würde, sondern auch eine große Chance bietet, die Gesundheit von Menschen weltweit deutlich zu verbessern. Sie plädieren daher für eine schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien: „Saubere Energiequellen haben das Potenzial, Menschenleben zu retten“, sagt Jos Lelieveld. Eine Ursache für Feinstaub und CO2 ist im Straßenverkehr mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren zu sehen.
Verkehrswende nicht verschleppen
„Die Modernisierung des Verkehrssektors wird in Deutschland seit Jahrzehnten verschleppt – zulasten des Klimaschutzes und eines zukunftsfähigen Industriestandorts. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) hat die Aufgabe, hier endlich Schwung hineinzubringen. Das ist bislang nicht erfolgt“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Vom Lenkungskreis erwartet der BEE deutliche Signale und umfassende Vorschläge für einen klimafreundlichen Verkehr.
E-Mobilität und Erneuerbare bei Kraftstoffen
Elektromobilität und der Einsatz Erneuerbarer Energien im Kraftstoffbereich tragen massiv zur Reduktion der Verkehrsemissionen bei. Beide Elemente müssen deutlich und zügig ausgebaut werden. „Der Fahrplan für die Modernisierung des Mobilitätssektors ergibt sich für den BEE aus dem Klimaschutzabkommen von Paris – und da ist der Handlungsbedarf noch groß“, so die BEE-Präsidentin. Dementsprechend sollten aus Sicht des BEE ab dem Jahr 2030 nur noch Fahrzeuge neu zugelassen werden, die CO2-frei oder CO2-neutral betrieben werden. Es liege auf der Hand, dass Elektrofahrzeuge eine besondere Rolle spielen werden. Dies hat inzwischen auch die Automobilindustrie erkannt. Der BEE teilt die Auffassung der Automobilindustrie, dass der Strom, den Elektrofahrzeuge tanken, sauber sein müsse. Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz wird entscheidend sein für die Akzeptanz der Elektromobilität.
Auch gasförmige oder flüssige Biokraftstoffe können eine wichtige Rolle bei der Einsparung von CO2-Emissionen spielen, denn der Bedarf für den vollständigen Ersatz von Diesel, Benzin oder Kerosin ist riesig. Ebenfalls werde Power-to-X benötigt, insbesondere dort, wo batterieelektrisch betriebene Anwendungen schwieriger sind, zum Beispiel in der Luft- und Schifffahrt.
Seit 1990 kein Fortschritt im Verkehrssektor
„Die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors ist zwingend, um die Klimaziele zu erreichen und im internationalen Wettbewerb zu bestehen.“ In den vergangenen drei Jahrzehnten gab es hier keinerlei Fortschritte. Der Ausstoß an Klimagasen hat sich seit 1990 nicht verringert. „Andere Länder investieren massiv in alternative Antriebe. Die bisherige abwartende Haltung der deutschen Bundesregierung schadet dem Produktionsstandort Deutschland. Das können wir uns nicht leisten.“ Es sei Aufgabe der Politik, einen stabilen Planungs- und Investitionsrahmen zu schaffen. Die Industrie wird die Aufgaben dann erfüllen können.