Eine Neuregelung im EEG 2023 ist bislang unter dem Radar geblieben – Bürgerenergiegesellschaften mit Windprojekten bis 18 Megawatt (MW) und mit Photovoltaikvorhaben bis 6 MW müssen nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen. Um in den Genuss einer geförderten Vergütung zu kommen, müssen sie sich lediglich bei der Bundesnetzagentur anmelden. Doch ob die neue Regelung tatsächlich die Bürgerenergie fördert, wie der Gesetzgeber in seiner Begründung zum EEG schreibt, ist offen. Stand April hat noch keine Bürgerenergiegesellschaft das Privileg genutzt.
Die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist die Teilnahme an den Ausschreibungen derzeit so risikoarm wie nie. Bei der Windenergie schreibt die Bundesnetzagentur (BNetzA) in diesem Jahr 12.840 MW aus. Weil sich die Genehmigungsverfahren ziehen, sind derzeit nicht ausreichend Projekte bewilligt. Drei von vier Auktionsrunden 2022 und die erste 2023 waren unterzeichnet. Das Risiko, jetzt keinen Zuschlag zu erhalten, liegt praktisch bei null.
Zum anderen hat die BNetzA die Höchstwerte, die in den Ausschreibungen zu erzielen sind, erhöht. Doch für die Bürgerenergiegesellschaften, die sich den Weg durch die Ausschreibung ersparen wollen, gilt dieser erhöhte Wert nicht. Windprojekte bekommen laut EEG 23 den Durchschnitt der Gebotswerte des jeweils höchsten noch bezuschlagten Gebots im Vorvorjahr. Damit erhielten Bürgerwindprojekte aktuell statt 7,35 Cent pro Kilowattstunde nur knapp 6 Cent. Für Photovoltaikanlagen gilt das Vorjahr als Richtschnur. Für eine Bürger-PV-Anlage auf einer Freifläche sind es statt 7,37 Cent nur rund 5,7 Cent.
Der Bundesverband Windenergie (BWE) hatte im Vorfeld des Windgipfels gefordert, diese Benachteiligung der Bürgerenergie aufzuheben und die Höchstsätze anzupassen, doch im Wirtschaftsministerium sieht man keine Schlechterstellung. Es stehe den Bürgerenergiegesellschaften frei, jetzt risikolos an den höher dotierten Ausschreibungen teilzunehmen, heißt es auf Nachfrage. In der Zukunft bezögen sich die Durchschnittswerte dann auf die hohen Werte in diesem Jahr, sodass die Bürgerenergiegesellschaften künftig davon profitierten.
Nur drei Wochen Zeit zur Anmeldung
Christian Böhmlehner, Leiter Stromvermarktung bei der Wust Wind Sonne GmbH & Co. KG aus Bayern, nennt einen weiteren Nachteil: „Das EEG 23 schreibt vor, dass wir bei Windprojekten nach der Genehmigung nur drei Wochen Zeit haben, um uns bei der Bundesnetzagentur als Bürgerenergiegesellschaft anzumelden und die vorgeschriebenen Bedingungen nachzuweisen.“ Und die haben es in sich. „Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen deutlich verschärft“, erläutert Lena-Sophie Deißler, Rechtsanwältin bei Kapellmann und Partner. Hintergrund dürften die Erfahrungen mit dem EEG 2017 sein, als die Erleichterungen für Bürgerwind von etlichen schnell gegründeten Gesellschaften ausgenutzt wurden, hinten denen professionelle Projektentwickler standen.
So müssen statt bislang 10 nun 50 natürliche Personen gefunden werden, die ihren ersten Wohnsitz im Umkreis von 50 Kilometern um die geplante Anlage haben. Diese müssen statt über 50 Prozent über 75 Prozent der Stimmrechte verfügen. Niemand darf mehr als 10 Prozent der Stimmrechte halten.
Für Böhmlehner sind die Auflagen in der kurzen Frist nicht zu erfüllen. „Unser Geschäftsmodell sieht vor, dass wir die Projektrechte sichern und die Genehmigung einholen, erst danach starten wir die Beteiligungsphase.“ Der Grund: Das Risiko, in ein Projekt ohne Genehmigung zu investieren, sei für die meisten privaten Anleger zu hoch. „Das Modell im EEG scheint für Bürger gedacht zu sein, die zuerst eine Gesellschaft gründen und sich dann selbst um alles kümmern“, meint der Projektentwickler. Dieses Modell sei aber angesichts der langwierigen Genehmigungsverfahren so riskant, dass es schwer sein dürfte, 50 private Investoren zu finden. Besser sei die Regelung für Photovoltaikanlagen, bei denen bis drei Wochen nach Inbetriebnahme Zeit bleibt.
Im Bundeswirtschaftsministerium sieht man dieses Problem nicht. Wer früh eine Gesellschaft nach EEG gründe, könne das neue Förderprogramm „Bürgerenergiegesellschaften“ für neue Windenergieanlagen des Bafa nutzen. In diesem Programm werden 70 Prozent der Vorplanungskosten wie Gutachten oder Rechtshilfe bis zu einer Höhe von 200.000 Euro übernommen. Die Idee: Private Anleger müssen erst zu einem späten Zeitpunkt im Verfahren eigenes Geld in die Hand nehmen, wenn die Erteilung der Genehmigung bereits absehbar ist.
Nach Inbetriebnahme des Projektes müssen Bürgerenergiegesellschaften alle fünf Jahre überprüfen lassen, ob sie die Bedingungen im Jahr vor der Prüfung noch erfüllt haben. Falls nein, entfällt der Vergütungsanspruch. So soll sichergestellt werden, dass sie nicht umstrukturiert werden, aber weiter von den Vorteilen profitieren.
Beteiligung über Bürgerstrommodelle
Angesichts der vielen Auflagen und Einschränkungen bleibt die Frage offen, ob das neue EEG wirklich die Bürgerenergie unterstützt. „Es wird nur wenig Effekt haben, weil es sich auf ein ganz bestimmtes Geschäftsmodell konzentriert“, meint Christian Böhmlehner. Er wünscht sich andere Reformen. In Bayern seien es derzeit vor allem die Kommunen, die Interesse an Wind- oder Photovoltaikprojekten haben und eine Beteiligung der Bürger über Bürgerstrommodelle ermöglichen möchten. „Das wäre eine Möglichkeit, auch die Anwohner profitieren zu lassen, denen das Geld für eine Investition fehlt“, ist er überzeugt. Dafür brauche es nicht nur die Befreiung von Umlagen und Entgelten, sondern auch mehr Aufklärungsarbeit in den Kommunen.
Und auch Anwältin Deißler würde unter den aktuellen Bedingungen Mandanten eher abraten, sich als Bürgerenergiegesellschaft bei der BNetzA zu melden. „Aber es kann eine Alternative werden, wenn die Höchstgebotswerte wieder sinken und die Ausschreibungen nicht mehr unterzeichnet sind.“ (nw)