Martin Maslaton
Schloss und Windkraft können nach einem neuen Gerichtsbeschluss in der Nähe voneinander stehen. Ob das Interesse der Gesellschaft an erneuerbaren Energien nicht grundsätzlich zu einer neuen Abwägung mit den Interessen des Denkmalschutzes führen müsste – diese Entscheidung steht noch aus.
Windpark in drei Kilometern Entfernung zum Schloss
Ein Schloss, vollendet etwa 1850, gebaut in spektakulärer Lage auf einem Felsen, sehr romantisch und geradezu archetypisch für die Zeit - und nun sollen in drei Kilometern Entfernung fünf Windenergieanlagen errichtet werden. Die Empörung ist nicht klein.
Wie mit dem Fall umzugehen ist, regelt hier das Denkmalschutzgesetz (DSchG) Baden-Württembergs, § 15 Absatz 3. Danach dürfen bauliche Anlagen in der Umgebung eines Kulturdenkmals nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde errichtet werden - wenn sie denn für Erscheinungsbild des Denkmals von „erheblicher“ Bedeutung sind. Oder wenn „überwiegende“ Gründe des Gemeinwohls Berücksichtigung verlangen. Aber was ist „erheblich“, was ist „überwiegend“?
Denkmalpflegerisch zu schützender Bereich
In unserem Fall vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen (Urteil vom 14.02.2019 – 9 k 4136/17) schauten die Richterinnen und Richter dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vom 01.09.2011, 1 S 1070/11).
Zunächst muss danach untersucht werden, ob die neuen Windräder in den denkmalpflegerisch zu schützenden Bereich um das Denkmal herum eingreifen: Die Wartburg in Sachsen-Anhalt wäre nicht mehr dasselbe stolze Schloss, wenn es an vier Seiten von Windrädern überragt würde. Aber nicht jedes Denkmal lebt so von seiner Lage und darum sollten Denkmalschützer den Begriff des „Umgebungsschutzes“ nicht vorschnell heranziehen. Das Gericht fragt: Ist die Umwelt Teil des architektonischen Konzepts? Prägt die topografische Situation das Denkmal?
Subjektive Wahrnehmung
Wie bewertet man eine solche Fragen, die nicht zuletzt von subjektiven Wahrnehmungen abhängt? Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat dazu beinahe naturwissenschaftliche Kriterien wie Art, Größe, Lage und Eigenart der Umgebung entwickelt. Und dabei das „Empfinden eines für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters“ zugrunde gelegt – also nicht das Empfinden eines expliziten Windkraftgegners oder Fans.
Windrad nicht mehr exotischer Fremdkörper
Wenn Windenergiestandorte auf diese Art als geschützte Umgebung (im Sinne von § 15 Abs. 3 S.1 DSchG) gelten, muss im Anschluss untersucht werden, ob die Beeinträchtigung „erheblich“ (im Sinne von § 8 DSchG) ist. Dazu müssten die Auswirkungen der Anlagen deutlich wahrnehmbar sein und vom „aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter“ als störend empfunden werden. Diese Frage unterliegt dabei übrigens auch einer zeitlichen Veränderung: Heute gehören Windräder in freien Landschaftsräumen längst zum Alltag und werden deshalb nicht mehr als exotische Fremdkörper wahrgenommen.
Verwaltungsgericht Sigmaringen: mehrere Vor-Ort-Termine
Um zu einem Urteil zu kommen, machte das Verwaltungsgericht Sigmaringen mehrere Vor-Ort-Termine und entschied: Nein, es gebe hier keine „erhebliche“ Beeinträchtigung für das Schloss. Das ist gut für die Windenergie, denn damit wurde auch klargestellt, dass der Ausbau der Erneuerbarer nicht durch eine bloße, „unerhebliche“ Auswirkungen auf den Denkmalschutz ausgebremst werden darf.
Aus juristischer Sicht wäre es aber doch interessant gewesen zu sehen, wie das Gericht das denkmalpflegerische Argument in Zeiten eines gesteigerten Interesses am Ausbau Erneuerbarer Energien abwägt: Ob der verfassungsrechtlich verankerte Klimaschutz (Art. 20a Grundgesetz) in der Abwägung zum Denkmalschutz ein „überwiegendes Interesse des Allgemeinwohls“ darstellt, wird nun ein anderes Gericht klären müssen.
Der Autor dieses Textes, Dr. Martin Maslaton, ist Rechtsanwalt und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien, Leipzig.