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Aktionsprogramme statt klarer Linie

Regierungschaos bei der Energiewende

Gestern wurde in Berlin vom Kabinett das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ verabschiedete. Ein Programm, das eigentlich Umweltministerin Barbara Hendricks ins Feld geführt hatte, um die Lücke zwischen den deutschen Klimaschutzzielen und dem bisherigen CO2-Einsparungspfad zu schließen. Das Programm ist laut "ZEIT online" ein Aufguß des Energie- und Klimaschutzprogramms, das 2007 unter dem Einfluß der Verhandlungen im Schloss Meseberg verabschiedet wurde. Das wäre nicht so schlimm, wenn es denn seinen Zweck erfüllt - und davon geht die Bundesregierung aus. Vor allem die Industrie soll zu mehr Energieeffizienz animiert und verpflichtet werden. Die Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz befürchtet nun aber, dass das Aktionsprogramm nicht ausreichen wird, die Ziele zu erreichen. Offenbar fehlt vielen Unternehmen die sichere Perspektive, um ihre Investitionen klimafreundlicher zu gestalten.

Zur Erinnerung: Der Solarboom hatte uns vorübergehend an die Spitze der PV-Entwicklung geführt. Dass die Vergütung dann nicht Schritt für Schritt, sondern plötzlich und radikal eingedampft wurde, hat (neben der Konkurrenz aus China) zu Massenpleiten geführt. Jetzt sehen wir dasselbe Schicksal auf die Bioenergie zukommen: Der Markt wird auf winzige acht Megawatt einschrumpfen. Die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes hat gerade Seva Energie AG, Spezialist für Biogas-Blockheizkraftwerke, in die Insolvenz geführt. 160 Arbeitsplätze im Raum Cloppenburg sind gefährdet.

Merkels Fehler: Kostenlose Emissionszertifikate

Und dabei ist der Regenerativstrom das einzige Feld, um das sich die Regierung überhaupt verdient gemacht hat. Verkehr und Wärme hat sie verschlafen. Apropos: Es hat seinen Grund, dass die Effizienz als Schlafender Riese bezeichnet wird. Sie verfügt über hohe Einsparpotenziale. Doch die werden nicht gehoben, weil der Irrglaube herrscht, man müsse den Unternehmen nur sagen, wie viel sie langfristig durch Effizienz einsparen können. Der Aufbau eines Netzwerks, so eine der Ideen im Aktionsprogramm, wird wenig daran ändern, dass die meisten Unternehmer sich die enormen Ausgaben für Effizienzmaßnahmen lieber ersparen, selbst wenn sich diese nach acht oder zehn Jahren rechnen.

Ein weiteres Problem: Der endlos-unentschlossene Kurs der Regierung zwischen Regenerativ-Bashing als Kostentreiber und Klimavorreiter verunsichert Investoren. Statt sich von vereinzelten Lobby-Stimmen treiben zu lassen, hätte die Regierung die Energiewende mit aller Entschlossenheit verfolgen sollen. Stattdessen hat sie zum Beispiel durch kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten eine wirksame Klimapolitik komplett ausgebremst. Das hängt uns bis heute nach. Laut Nationaler Allokationsplan von 2006 etwa dürften Kohle­kraft­werke das Klima bis zu 18 Jahre lang gleich hoch belasten. Für ein im Jahr 2012 in Betrieb gegangenes Kraftwerk bedeutet das einen Freibrief für klimaschädliche Emissionen bis 2030. Unter dem Einfluss der Bundesregierung sind in den vergangenen zehn Jahren fossile Kraftwerke in einer Menge durchgesetzt worden, die niemals mit dem Klimapfad der Regierung kompatibel gewesen wäre - offensichtliche Investitionsruinen. Damals traute man die Erneuerbaren aber noch nicht die Kraft zu, die nun offensichtlich geworden ist.

Zerfaserung im Oligopol

Inzwischen hat sich der Markt so sehr verändert, dass selbst Eon und RWE längst erkannt haben: die Geschäfte müssen neu aufgestellt werden: Vor vier Jahren noch hätte er nie gedacht, dass RWE je auf einer Photovoltaikveranstaltung auftritt. Das sagte Lothar Stanka von der RWE Effizienz GmbH neulich als Referent auf einer Solarveranstaltung in Berlin. Solarenergie habe damals zu RWE gepasst wie eine Ananas nach Alaska. Aber jetzt wolle der Kunde Autarkie. Heute will RWE seinen Kunden die Selbstversorgung mittels Speicher ermöglichen - damit diese weniger Strom aus dem Netz beziehen müssen. Das unterstütze RWE. Gleichwohl greift es das Kerngeschäft des Unternehmens an, wenn RWE die Autarkiebestrebungen der Bürger unterstützt. Wer seinen eigenen Strom produziert, muss weniger einkaufen. Der Konzern kann aber gar nicht anders. Wenn er überleben will, muss er sich selbst kannibalisieren.

RWE ist ohnehin spät dran. Eon als weiteres Mitglied des einst unantastbaren Energie-Oligopols in Deutschland zeigt mit dem Abschied von den alten Sparten Atom und Kohle mehr Entschlossenheit beim Umdenken. Die Konzerne haben lange mit harten Bandagen gekämpft, mit Blackouts gedroht, Entschädigungen gefordert. Die jüngste Diskussion verbiss sich in Kapazitätsmärkten. Heute ist dabei kaum nachvollziehbar, ob die Regelleistung von Kohlekraftwerken wirklich mittelfristig gebraucht wird, um die volatilen Regenerativen zu ersetzen, wenn diese nicht verfügbar sind. Dass nun aber Firmen wie Belectric und Younicos, Bosch und REC mit Großspeichern kommen, die sogar schneller Regelleistung liefern können als Kohlekraftwerke, ist ein weiterer Baustein für den vollständigen Ersatz der Fossilen bis zum Jahr 2050. (Nicole Weinhold)