Die Europäische Union (EU) kann ihre Ziele zum Schutz des Klimas auf minus 55 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 anheben. Den EU-Mitgliedsstaaten sei es sowohl technisch als auch wirtschaftlich möglich, ein solches Ziel mit geeigneten Maßnahmen zu erreichen, lautet eines der Ergebnisse einer Studie, die das Öko-Instituts und der Think Tank Agora Energiewende jetzt vorgelegt haben.
Aktuell liegt das EU-Klimaziel 2030 bei einer Treibhausgasminderung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990. Mehr Klimaschutz ist indes nötig, um das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens – den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf deutlich weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen – zu erreichen.
Debatte in der EU läuft bereits
Die Studie schlägt für die verschiedenen Sektoren differenzierte Verschärfungen vor. So sollen die Emissionen von Industrie und Energiewirtschaft, die über den Emissionszertifikatehandel EU-ETS geregelt werden, um 59 bis 63 Prozent gegenüber 2005 vor – das entspricht einer Verschärfung um 16 bis 20 Prozentpunkten. Die Emissionen in den übrigen Bereichen – vor allem in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft – könnten um 45 bis 49 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden – 15 bis 19 Prozentpunkte mehr als bislang vorgesehen. Bezogen auf das Jahr 1990 sinken so die Gesamtemissionen um 55 Prozent.
Hintergrund der Studie war laut Agora Energiewende die bereits laufende Debatte in der EU um die Erhöhung des Klimaschutzziels für 2030. Das neue Ziel soll unter deutscher Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres beschlossen werden, um im Jahr 2021 zur Klimakonferenz COP26 in Glasgow der internationalen Staatengemeinschaft vorgelegt zu werden. Bis dahin will die EU-Kommission ebenfalls Vorschläge für die entsprechenden Änderungen der Klimaschutzarchitektur erarbeiten.
„Die bestehende Klimaschutzarchitektur ist ausreichend“
„Damit die Klimakonferenz in Glasgow erfolgreich werden kann, muss die Europäische Union dort ein deutlich erhöhtes Klimaziel vorlegen“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Das Ziel muss mit Maßnahmen unterlegt sein, mit denen es erreicht werden kann. Unsere Studie zeigt, dass die bestehende Klimaschutzarchitektur in der EU dafür prinzipiell geeignet ist. Die EU-Klimaschutzinstrumente müssen allerdings deutlich angeschärft werden, um die Emissionsminderungen auch tatsächlich zu erreichen.“
Im Zentrum der Untersuchung stand das Zusammenspiel der beiden zentralen europäischen Klimaschutzmechanismen EU-ETS und die so genannte Effort Sharing Regulation (ESR). Für jeden Bereich wurde eine Vielzahl von Optionen und Flexibilitätsmechanismen betrachtet, mit denen die EU-Mitgliedsstaaten zu den EU-weiten Emissionsminderungen beitragen können. Sie unterscheidet dabei detailliert zwischen Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene und skizziert das Zusammenspiel der unterschiedlichen Klimaschutzinstrumente. Dazu zählen beispielsweise eine Verschärfung der Emissionsnormen für Kraftfahrzeuge, ein neuer Markt für die nationale Emissionsberechtigungen (AEA-Markt) in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft und die Etablierung eines eigenen europaweiten Emissionshandels für diese Sektoren.
Skandinavien liegt schon auf Kurs
Herausgearbeitet haben die Autoren der Studie auch, in welcher Größenordnung die Minderungsbeiträge der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ausfallen müssten, damit die Treibhausgasemissionen europaweit um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken können. Hierbei zeigte sich, dass insbesondere die skandinavischen Länder mit ihren bereits beschlossenen Zielen und Maßnahmen auf einem guten Kurs sind, um ihre Beiträge für ein verschärftes EU-Klimaziel zu erreichen. „Das ist ein Beleg dafür, dass eine durchdachte Klimaschutzpolitik nicht zu Lasten von Wohlstand und Lebensqualität geht – ganz im Gegenteil“, sagt Patrick Graichen.
„Andere Länder dagegen müssen einen größeren Klimaschutzbeitrag als bisher leisten. Dafür brauchen sie weiter Unterstützung, um ihre Volkswirtschaften auf Klimakurs zu bringen, auch hierfür schlägt unsere Studie Solidaritätsmechanismen vor“, betont Jakob Graichen, Co-Autor der Studie und Senior Researcher im Institutsbereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.
Die Studie „How to Raise Europe‘s Climate Ambitions for 2030” ist in englischer Sprache erschienen. Am 10.September 2020 wird die Studie im Rahmen eines öffentlichen Webinars von den Autoren vorgestellt. Anmeldungen dazu sind ebenfalls auf der Webseite von Agora Energiewende möglich.
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