Der 1. Januar 2011 war der Tag, an dem E10 kam. Schon im ersten Jahr ging der Bundesverband der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) von einem Bioethanolbedarf in Höhe von 1,5 Millionen Tonnen aus. Gegenüber dem Vorjahr 2010 wäre das ein Absatzplus von 40 Prozent gewesen. Damals hieß es, dass dabei abzuwarten wäre, wie schnell der neue Kraftstoff flächendeckend verfügbar sein würde. Diese Prognose traf zu, denn E10 wurde erst nach und nach in der Fläche eingeführt. Ein Jahr danach. Die Bioethanolproduzenten sind zuversichtlich, dass sich 2012 die Verbreitung von E10 nach dem Einführungs-Tohuwabohu-Jahr 2011 im zweiten nun mehr und mehr in den geordneten Bahnen vollziehen wird, mit denen eigentlich gerechnet worden war. Es wird sich allerdings zeigen müssen, in welchem Umfang die deutschen Bioethanolproduzenten davon 2012 profitieren.
Zahlen geben Anlass zu Fragen
Vor ein paar Wochen wurde als jüngstes Zahlenwerk der Bioethanol-Report 2010 vorgelegt. Nach diesem wurden 2010 rund 1,16 Millionen Tonnen Bioethanol vertankt. Die deutsche Produktion belief sich auf 604.000 Tonnen. Es wurden 6 Prozent mehr als 2009 produziert. Gewiss ein Erfolg. Doch der Gesamtverbrauch am Markt stieg im gleichen Zeitraum um 28 Prozent oder 256.000 Tonnen. Fast 50 Prozent des Inlandsverbrauchs decken Produktionen aus dem Ausland: Frankreich, Spanien und den Niederlanden. Die Produktionskapazität der deutschen Produktionsstätten beträgt laut BDBe 1 Million Tonnen. Die Kapazitätsauslastung lag also bei 60 Prozent. Aus diesen Zahlen könnte man lesen, dass Sprit aus dem Ausland einen starken Druck auf die deutschen Produktionsstätten ausübt.
Laut BAFA habe der Bioethanolverbrauch im ersten Halbjahr 2011 um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 569.000 Tonnen zugenommen (2010: 545.000 Tonnen). Der BDBe schätzt, dass der Verbrauch von Bioethanol durch mehr Absatz von E10 im zweiten Halbjahr 2011 weiter gestiegen ist. Doch zugleich sagen die BAFA-Zahlen, dass die deutsche Bioethanolwirtschaft im ersten Halbjahr 2011 243.000 Tonnen und damit rund 20.000 Tonnen weniger Bioethanol produziert hätten als im Zeitraum 1. Halbjahr 2010 zuvor.
Schmelzender Vorsprung
Das könnte heißen, dass die deutschen Bioethanolproduzenten von der E10-Verbreitung möglicherweise weniger profitieren als erhofft. Die Branche ist noch in der Vorreiterrolle, dass sie bei der Zertifizierung ihrer Biokraftstoffe nach den Vorgaben der europäischen Nachhaltigkeitsverordnung im Vergleich zur Konkurrenz noch fortgeschritten ist. Doch die Anforderungen der europäischen Nachhaltigkeitsverordnung für Biotreibstoffe erfüllen mehr und mehr Unternehmen, die sich die Konformität ihrer Produktion zur europäischen Nachhaltigkeitsverordnung für ihre Biotreibstoffe zertifizieren lassen.
Nächste Stufe Bioquote
Es könnte die Entwicklung vorantreiben Biokraftstoffe zu produzieren, die besser als andere auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden können. Biokraftstoff der zweiten Generation, Treibstoff, der aus agrarischen Reststoffen gewonnen wird, erhält beispielsweise eine doppelte Anrechnung auf die Biokraftstoffquote. Vorteile könnten also Unternehmen haben, die solche Rohstoffe verwenden und damit Sprit mit hoher Quotenanrechnung dem Käufer liefern können. Anlagen, die in der Lage sind, verschiedene Rohstoffe zu verarbeiten, könnten Vorteile haben, weil sie durch eine breitere Rohstoffbasis weniger von Preisschwankungen bei bestimmten Rohstoffe betroffen sind.
Reinkrafstoffmarkt schwindet
Der Reinkraftstoffmarkt Biodiesel befindet sich im Siechtum. Es gab viele Stimmen, die genau diese Entwicklung vorhersagten: Dass eine Besteuerung von reinem Biokraftstoff zum Zusammenbruch des Markts führen wird. Laut Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie VDB gab es 2011 einen Absatzeinbruch beim einstigen Vorzeigeprimus Biodiesel B100 auf ein Fünftel des Vorjahreswerts auf nur noch rund 60.000 Tonnen. Es gibt keine Anzeichen, dass 2012 in diesem schwindenden Teilmarkt eine Wende zum Besseren einsetzen könnte. Es müssten die fossilen Dieselpreise schon durch die Decke schießen. Denn die Teilbesteuerung von Biodiesel mit Mineralölsteuer in Höhe von 18,6 Cent pro Liter hat den Niedergang mitbewirkt. Wie es erst aussieht, wenn 2013 die volle Mineralölsteuer von rund 45 Cent aufgeschlagen wird, kann man sich ausrechnen.
Beimischungsmarkt Biodiesel ist satt
Bleibt für die Biodieselproduzenten 2012 nur der Beimischungsmarkt. Doch der ist am Limit. Nach Steigerungen in den Jahren zuvor scheint seit 2009 die Aufnahme des Markts gesättigt. 2009 und 2010 wurden je 2,3 Millionen Tonnen auf diesem Markt abgesetzt. Mehr Absatz könnten nur höhere Beimischungen und damit neue Dieselsorten bringen. Aktuell können bis zu 7 Prozent Biodiesel fossilem Diesel beigemischt werden (B7). In den Expertengremien und Normungsausschüssen werden Biodiesel B10 für Pkw und ein B30 für Nutzfahrzeuge diskutiert. Doch die Branche ist skeptisch, ob es dazu kommen wird. Eine Norm für B10 wird laut Deutschem Institut für Normung nicht vor 2013 kommen. Derweil nimmt auch für die Biodieselproduzenten der Druck aus dem Ausland zu. Zwar konnten durch Schutzzölle der EU Biodieselsorten aus den USA eingedämmt werden. Doch nun drängt vermehrt Biodiesel aus Südamerika auf den europäischen Markt. (Dittmar Koop)
Online bringen wir nun Einschätzungen der Akteure der Biokraftstoffbranche, die sich an unserer Jahresumfrage 2012 beteiligten:
Dietrich Klein, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft BDBe: „Wegen des zunehmenden Absatzes von E10 gehen wir davon aus, dass der Marktanteil weiter ansteigen wird. Zur Einführung von E10 wurden widersprüchliche Informationen und Einschätzungen verbreitet, leider auch falsche Informationen von selbst ernannten Experten. Wir sind der Überzeugung, dass diese Informationslücke nun in der zweiten Jahreshälfte 2011 mit einer verbesserten Kommunikation langsam geschlossen wurde und in 2012 die Beimischung von bis zu zehn Prozent Bioethanol weiter Akzeptanz findet und positiv aufgenommen wird.“
Dieter Bockey, Referent der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop): „Für die europäische Biodieselbranche wird der Überlebenskampf 2012 noch schwieriger. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung wird die Flexibilität hinsichtlich der Rohstoffbeschaffung möglicherweise einschränken. Ein Großteil der europäischen Biodieselbranche wird Probleme haben nachhaltig zertifizierte Rohstoffe zu beschaffen. Die Schaffung einer B10-Norm wird am Widerstand der Fahrzeugindustrie scheitern. Die Einführung des so genannten ‚Double-counting’ wird den Run auf Abfallöle forcieren. Der Anteil still stehender Anlagenkapazitäten wird sich weiter erhöhen. Multifeedstock-Anlagen werden sich im Wettbewerb besser behaupten können.“
Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Biokraftstoffindustrie VDB: „Für die Biokraftstoffindustrie ist im kommenden Jahr die Diskussion um indirekte Landnutzungsänderungen entscheidend. Klar ist: Solange für Nahrungsmittel und die chemische Industrie Regenwälder gerodet werden dürfen, sind Landnutzungsänderungen ein Problem. Wir fordern deshalb weltweit geltende Nachhaltigkeitsstandards für alle Nutzungen von Biomasse, so wie es sie schon jetzt für Biokraftstoffe gibt. Dann wäre die Diskussion um indirekte Landnutzungsänderungen schlagartig beendet, und es gäbe einen wirksamen Schutz gegen Rodungen.“
Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender der Verbio Vereinigte Bioenergie AG: „Wir gehen davon aus, dass 2012 weitere Länder die Anforderungen der europäischen Nachhaltigkeitsverordnung erfüllen und dadurch das Angebot an zertifizierten Biokraftstoffen im Markt steigt. Für Deutschland und Europa bedeutet das, dass es wie in den vergangenen Jahren einen hohen Preisdruck bei Biodiesel und Bioethanol geben wird. Die Absatzmenge für Biokraftstoffe wird sich moderat entwickeln. Der B100-Markt ist nahezu tot. Wir erwarten auch 2012 keine größere Veränderung. Erst wenn sich der Preisunterschied zwischen mineralischem Diesel und Biodiesel aufgrund weiter steigender Ölpreise angleicht, könnte wieder Schwung in B100 kommen.“