Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Sonnige Jobaussichten

Sven Ullrich

Europäische Hersteller von Solarkomponenten erleben ein Déjà-vu. Die Weigerung der Politik, ihnen im schwieriger werdenden Marktumfeld unter die Arme zu greifen, hat Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die industriepolitischen Fehlentscheidungen haben für Turbulenzen vor allem bei den Modulherstellern gesorgt.

Personalsuche bleibt Herausforderung

Meyer Burger und Solarwatt haben die Modulproduktion in Deutschland vollkommen eingestellt. Das Ergebnis: Allein die Schließung des Modulwerks von Meyer Burger in Freiberg hat etwa 500 Jobs gekostet. Von der Schließung der Modulfertigung von Solarwatt in Dresden sind rund 190 Mitarbeiter betroffen. Das sächsische Unternehmen will diese allerdings als Servicemitarbeiter, Monteure oder Planer umschulen und weiterbeschäftigen, schließlich produziert es weiter Module, nun komplett in China, und liefert auch das Gesamtsystem für eine Versorgung mit Photovoltaik mit allen Elementen vom Modul über Speicher, Wärmepumpen oder beispielsweise Wallboxen. Die weiterbeschäftigten Mitarbeiter sollen künftig dazu die Photovoltaikanlagen planen, sie montieren und instand halten. Und auch wenn die Nachfrage nach Solaranlagen in den letzten Monaten – unter anderem aufgrund der regulatorischen Verunsicherung durch die langen Verhandlungen zum Solarpaket I und der wieder gesunkenen Energiepreise – nicht mehr so brummt wie im vergangenen Jahr, sind die Installationszahlen nicht komplett rückläufig.

41.000 Vollzeitstellen können bis 2040 allein in Brandenburg in der Solarindustrie entstehen, wenn der Ausbau wie von der Landesregierung geplant weitergeht. Das hat die Wertschöpfungsstudie des IKEM ergeben.

Der Markt hat sich verschoben von den privaten Dachanlagen hin zu Großkraftwerken. Auch die Nachfrage nach gewerblichen Dachanlagen nimmt gemächlich Fahrt auf. Deshalb sind Mitarbeiter bei der Umsetzung von Projekten weiterhin gefragt.

Experten gesucht

Die Entwicklung geht aber nicht nur beim Bau von Anlagen weiter, sondern auch bei der Technologie. Deshalb sind auch bei den Herstellern, die weiterhin erfolgreich produzieren, durchaus immer neue Mitarbeiter gefragt. „Fachkräfte im Bereich der erneuerbaren Energien zu finden, ist angesichts der dynamischen Entwicklungen weiter eine Herausforderung“, weiß Michaela Hettinger, Personalleiterin bei SMA. „Laut aktuellen Studien fehlen in Deutschland über 100.000 in diesem Sektor, wobei die Solarindustrie besonders betroffen ist.“

Auch SMA spüre diesen Mangel vor allem in den technischen Disziplinen wie Ingenieurwesen, Elektrotechnik und IT, erklärt Hettinger. „Dazu kommt die fortschreitende technologische Entwicklung, insbesondere in den Bereichen Energiespeicherung, Smart Grids und Internet of Things. Sie erhöht den Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften. Und der Wettbewerb um die Talente ist groß – hier konkurrieren Unternehmen weltweit“, betont sie.

Mangel an Handwerkern

So sucht das Unternehmen derzeit unter anderem Ingenieure und Elektrotechniker mit Schwerpunkt erneuerbare Energien und Photovoltaik. „Wir benötigen Experten, die innovative Ansätze verfolgen und komplexe Systeme ganzheitlich verstehen“, sagt Michaela Hettinger. Aber auch IT-Spezialisten für die Weiterentwicklung der digitalen Lösungen und Smart-Home-Technologien sowie Experten für Energiespeichersysteme und Netzintegration sind bei SMA gefragt. Sie müssen Kenntnisse in Cloud-­Computing, Big Data und Cybersicherheit mitbringen. Zudem braucht SMA qualifizierte Mitarbeiter in Projektmanagement, Vertrieb und Kundenservice, die über spezifisches Branchenwissen verfügen.

Auch bei Projektentwicklern und vor allem im Handwerk werden weiter Fachkräfte gesucht. Zwar erscheint es dort im Augenblick nicht so dringend, wie Pierre Wolfram, Marketing- und zentraler Vertriebsleiter bei IBC Solar, erklärt. „Zurzeit können wir alles gut besetzen“, sagt er. „Aber nach wie vor ist es schwer, Leute mit entsprechendem Know-how zu kriegen. Vor allem im Handwerk, also bei Elektrikern und Installateuren, gibt es einen Mangel, und auch fachliche Experten im Photovoltaikprojektgeschäft sind sehr schwer zu bekommen.“

Speicherbranche sucht gleichfalls

Schließlich führt das kontinuierliche Wachstum in der Branche ungeachtet aller Turbulenzen anhaltend zu einem stetig steigenden Bedarf an Fachkräften, weiß Denise Weinhold, Personalchefin bei Goldbeck Solar. „Der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende in der Solarbranche ist weiterhin intensiv, und die hohe Nachfrage nach Fachkräften ist beständig“, betont sie. „Stark gefragt sind insbesondere Berufe in technischen Bereichen wie Elektroplanung oder Instandhaltung sowie in der Projektabwicklung, etwa in der Bauaufsicht und Montage.“

Wir schulen PV-spezifisches Know-how intern über unser Competence Center oder extern über Weiterbildungen.

Pierre Wolfram, Marketingleiter, IBC Solar

So sucht der Projektentwickler immer wieder Fachkräfte in der Planung, im Bereich der technischen Instandhaltung, die den reibungslosen Betrieb der Solaranlagen sicherstellen. Aber auch für den Bau der Generatoren sind Fachkräfte gefragt, hier vor allem in der Bauleitung für die Koordination und Überwachung der Baustellen sowie Montagemitarbeiter.

Auch andere mit der Photovoltaik verbundene Technologien sind vom Fachkräftemangel betroffen. Die Speicherbranche suche ständig Personal, wie Kirsten Willeke, Personalleiterin beim Speicherhersteller Intilion, erklärt. Das Unternehmen hat sich zuletzt für die Mitarbeitergewinnung gut aufgestellt. Immerhin konnte Intilion in den vergangenen zwei Jahren das Personal verdoppeln.

Recruiting-Dienstleister bieten Hilfe an

Hierzu muss sich ein Unternehmen strategisch aufstellen. Sowohl den Photovoltaik- als auch den Speicherfirmen kommt zugute, dass sie in einer Zukunftsbranche unterwegs sind, was ein Pluspunkt bei potenziellen Bewerbern sein kann, wie Niccolo Klaus, Geschäftsführer des Recruiting-Dienstleisters Climate Tech Talents, weiß. „Das gilt vor allem für Quereinsteiger“, erklärt er.

Fachkräfte im Bereich der erneuerbaren Energien zu finden, ist angesichts der dynamischen Entwicklungen weiter eine Herausforderung.

Michaela Hettinger, Personalleiterin, SMA

Climate Tech Talents unterstützt Unternehmen vor allem im sogenannten White-Collar-Bereich. Dazu zählen unter anderem Ingenieure, Planungsspezialisten, Vertriebsmitarbeiter, IT-Spezialisten, aber auch Führungskräfte. „Wir begleiten den Bewerbungsprozess, schauen uns die Lebensläufe der Bewerber an. Wir designen auch Assessment-Center und begleiten die Beteiligten in den Vertragsverhandlungen. Danach begleiten wir den Prozess noch in den ersten sechs Monaten im Unternehmen, also das Onboarding der neuen Mitarbeiter“, umreißt Niccolo Klaus eines der zentralen Angebote des Dienstleisters.

Bewerberprofile müssen messbar sein

Climate Tech Talents analysiert zunächst das Unternehmen und das Branchen- sowie das Bewerberumfeld. „Wir schauen uns auch die Ziele des Unternehmens an. Danach erstellen wir ein Anforderungsprofil. Welche Eigenschaften und Kompetenzen müssen die Bewerber mitbringen? Im Anschluss erstellen wir einen Bewerbungsprozess und Kriterien sowie Mechanismen, wie die Anforderungen messbar werden“, erklärt Niccolo Klaus.

Firmen zeigen Unternehmenskultur vor

Eine solche Analyse ist zentral, um die geeigneten Bewerber und potenziellen Mitarbeiter gezielt ansprechen zu können. „Wir setzen auf einen breiten Mix im Recruiting“, sagt Kirsten Willeke von Intilion. Das Unternehmen habe die klassischen passiven Elemente der Stellenanzeige auf ein modernes Niveau gehoben, sodass die zielgruppenspezifische Ansprache immer an erster Stelle stehe. „Außerdem haben wir unser Employer-Branding auf verschiedenen Wegen intensiviert und somit unsere Sichtbarkeit als moderner Arbeitgeber in einer zukunftssicheren Branche ausgebaut“, erklärt die Personalchefin.

Denn um als Arbeitgeber erfolgreich Fachkräfte zu gewinnen, gilt es, wahrgenommen zu werden und die richtigen Touchpoints mit potenziell Interessierten zu identifizieren. So sagt es Michaela Hettinger von SMA. „Dazu gehören neben klassischen Kanälen wie Anzeigen und Jobportalen auch Netzwerke in sozialen Medien oder Fachmessen. Inhaltlich legen wir den Fokus darauf, SMA-Kultur und -Werte auch für Außenstehende erlebbar zu machen.“

Jede Zielgruppe braucht ihre Ansprache

Die Strategien, um an neue Fachkräfte heranzukommen, sind aber abhängig vom Bereich, in dem diese gesucht werden. „Wir unterscheiden hier zwischen Blue Collar, also Facharbeitern oder Handwerkern, und White Collar“, erklärt Niccolo Klaus. „Das sind Ingenieure, Projektplaner, Vertriebsmitarbeiter oder auch Führungskräfte. Wenn das Unternehmen beispielsweise Handwerker wie Elektriker oder auch Elektroplaner sucht, sind die Strategien anders, als wenn es Ingenieure oder einen Vertriebsleiter sucht. Zwischen diesen beiden Gruppen unterscheiden sich die Strategien sehr stark.“

So bietet sich im Blue-Collar-Segment neben Social-Media-Strategien unter anderem auch die sogenannte Out-of-Home-Werbung an. „Das heißt, wir schauen uns an, wo in der Region die Elektrobetriebe ihren Sitz haben. Danach kann man sich die Unternehmenskultur dieser Betriebe anschauen und mit den Bedingungen und dem Alltag im eigenen Unternehmen abgleichen“, sagt Niccolo Klaus.

Wir haben unser Employer-Branding auf verschiedenen Wegen intensiviert und somit unsere Sichtbarkeit als moderner Arbeitgeber in einer zukunftssicheren Branche ausgebaut.

Kirsten Willeke, Personalleiterin, Intilion

Dazu gehören beispielsweise die Arbeitszeiten, das Gehalt oder andere Arbeitsbedingungen. „Hier muss man die sogenannten Pain-Points suchen, also das, was die Fachkräfte nur bedingt gut finden oder zu verbessern wünschen“, beschreibt Niccolo Klaus die Strategie. „Danach kann man beispielsweise ein großes Plakat in der Nähe dieser Firmen aufhängen, wo diese Pain-Points angesprochen werden und das suchende Unternehmen Verbesserungen anbietet.“

Social-Media-Kampagnen

Im White-Collar-Bereich ist die aktive Ansprache über Social Media in der Regel zielführender, als passiv über Stellenportale die Bewerbungen anzuregen. Wie im Blue-Collar-Segment muss sie aber zur Zielgruppe passen. Während Ingenieure oder Vertriebsmitarbeiter eher auf beruflichen Netzwerken wie Linkedin erreichbar sind, können junge Nachwuchskräfte eher über Youtube oder Instagram angesprochen werden. In diesem Bereich spielt sogar Tiktok eine immer größere Rolle, wie Niccolo Klaus weiß.

So nutzt Goldbeck Solar schon solche Strategien, um die Zielgruppen konkret anzusprechen, deren Bedürfnisse zu verstehen und zu berücksichtigen, wie Denise Weinhold erklärt. „Wir weiten unsere Recruiting-Aktivitäten stark und sehr gezielt aus und machen uns neue Technologien zunutze“, sagt sie. „Wir präsentieren uns als attraktiver Arbeitgeber und zeigen, dass die Arbeit in der Solarbranche nicht nur zukunftssicher, sondern auch gesellschaftlich relevant und erfüllend ist. Dabei fokussieren wir uns auf das Hervorheben der Stärken unseres Unternehmens, wie unser Engagement in der Nachhaltigkeit verbunden mit unserer Vision einer sauberen Energieversorgung und dem Leben einer Unternehmenskultur, die von allen Mitarbeitenden mitgestaltet werden kann.“

Bildungsstätten und Gründerzentren

Aber auch die gezielte Nachwuchssuche ist eine Strategie, um neue Fachkräfte zu bekommen. Hier geht es unter anderem um Azubis oder Hochschul- und Uniabsolventen. So gehört die Teilnahme an Veranstaltungen an Hochschulen bei IBC Solar zum Standard bei der Suche nach Fachkräften, wie Marketingleiter Pierre Wolfram betont.

Im Handwerksbereich sind es vor allem Schüler, die angesprochen werden sollten. Hier bietet sich die Teilnahme an Berufsinformationsveranstaltungen in Schulen an. Auch Intilion kooperiert am Standort Paderborn mit unterschiedlichsten Institutionen. „Das reicht von der renommierten Paderborner Universität über die Zusammenarbeit mit dem Gründungszentrum Garage 33 bis zur Kooperation mit der Dachmarke ‚Herzblut verbindet‘ des SC Paderborn 07“, erklärt Kirsten Willeke.

Wir weiten unsere Recruiting-Aktivitäten aus und machen uns neue Technologien zunutze. Wir zeigen, dass Arbeit in der Solarbranche nicht nur zukunftssicher, sondern auch gesellschaftlich relevant und erfüllend ist.

Denise Weinhold, Personalleiterin, Goldbeck Solar

Zudem werden Quereinsteiger immer wichtiger. Denn es reicht nicht aus, die in der Branche schon tätigen Fachkräfte von einem zum anderen Unternehmen zu ziehen. In Zeiten des Wachstums sind frische Fachkräfte notwendig. So sind bei IBC Solar auch Quereinsteiger aus anderen Industrien gern gesehen, erklärt Pierre Wolfram von IBC Solar. „Wir schulen PV-spezifisches Know-how intern über unser Competence Center oder extern über Weiterbildungen“, sagt er.

Quereinsteiger im Blick

Eine solche Herangehensweise ist entscheidend und kann die Hürden für Unternehmen senken, bisher branchenfremde Fachkräfte zu gewinnen. „Dazu muss das Unternehmen für die zu besetzende Position ein Anforderungsprofil erstellen“, sagt Niccolo Klaus von Climate Tech Talents. „Welche Kenntnisse und Kompetenzen braucht der Bewerber tatsächlich und in welcher Ausprägung müssen sie vorhanden sein? In der Regel gibt es ganz viele verwandte Branchen, die nicht unbedingt Photovoltaik oder überhaupt die erneuerbaren Energien sein müssen, in denen die Fachkräfte ähnliche Kompetenzen mitbringen.“

Denn die Mitgestaltung der Energiewende und die Arbeit in einer zukunftsgerichteten Branche sind für viele Fachkräfte ein starkes Wechselargument. „Wichtig ist dann aber, Strategien und Methoden zu entwickeln, wie Quereinsteiger eingearbeitet werden können“, erklärt Niccolo Klaus.