Die versammelten führenden Vertreter der italienischen Erneuerbare-Energien-Branche applaudierten am Eröffnungstag der Energiewendemesse Key Energy in Rimini dem Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin zu dessen Bekenntnis: Er werde den neuen Erlass unterzeichnen, der das nun bevorstehende nächste Ausschreibungssystem Italiens FER 2 einführe. Und sein Ministerium sei gewillt zu tun, was für eine gute Balance der Regeln bei den zur Vergütung geplanten sogenannten Differenzverträgen notwendig sei. Es werde dabei vermeiden, dass die Ausschreibungssystematik einzelne Energiesektoren benachteilige, sagte Pichetto am Mittwoch der dreitägigen Messe.
Der Politiker der Koalitionspartei Forza Italia bezog sich dabei auf das auch von der Europäischen Union (EU) bevorzugte Vergütungssystem, wonach Projektierungsgesellschaften in Ausschreibungen neuer Erneuerbare-Energien-Projekte einen festen Einspeisepreis anbieten. Bei Vermarktungspreisen aus dem Börsenstromhandel unterhalb dieses Preises zahlt die staatliche Stelle die Differenz den Betreibenden, bei höher liegenden Stromhandelspreisen geben die Betreibenden die Überschussdifferenz ab. Italiens aktuelles Ausschreibungssystem hat zu bisher 13 Ausschreibungsrunden geführt, gewöhnlich für Wind- und Solaranlagen zugleich. Die letzte fand im Februar statt. Das Ausschreibungssystem FER 1 führt allerdings bislang zu stark unterzeichneten Wettbewerbsrunden, die nicht zu den staatlich gewünschten Projektierungsvolumen führen. Im Februar hatte die Behörde GSE 1.041 Megawatt (MW) bezuschlagt, aber eigentlich Projekte mit 1.627 MW auf den Weg bringen wollen. Zudem fehlen bislang Ausschreibungsregeln und Termine für die ersten Offshore-Auktionsrunden, auf die projektierende Unternehmen nach der Inbetriebnahme des ersten Pilot-Offshore-Windparks mit 30 MW von 2022 immer noch warten.
„Wir müssen unsere Unternehmen beschützen“, sagte der Minister und dabei so viel Innovationen zulassen, dass Italien eine Führung übernehme. Es gehe um eine Führung, „die sich auf die Sonne, den Wind, das Meereswasser, die Wasserstoffproduktion“ stütze. Außerdem müsse Italien zu einem Transitland für umgewandelte elektrische Energie aus dem Süden werden – die neue italienische Rechtsregierung will in Afrika mit überschüssigem Wind- und vor allem Sonnenstrom erzeugten grünen Wasserstoff als flexiblen Energieträger zunächst durch Schiffstransporte einführen und als Drehscheibe auch weiter nach Nordeuropa exportieren. Aber auch Drehscheibe für Erdgasimporte zu sein, ist Ziel Roms. Insbesondere wirbt dafür die 2022 ins Amt gekommene Koalition dreier Parteien, die von der populistisch marktliberalen und konservativen Forza Italia über die nationalistische Lega Nord bis zur rechten Fratelli Italia reicht.
Während der Messetage gab Italiens Öl- und Gaskonzern Eni den Start der Verladung eines Schiffes mit Flüssigerdgas (international: LNG) an der kongolesischen Küste bekannt, der nach einigen Tagen für eine erste LNG-Lieferung zu einem Tanklager in der Toskana ablegen soll. Der Lieferung zugrund liegt eine Beteiligung Enis an der kongolesischen Gasverflüssigungsanlage, die das Erdgas des afrikanischen Lieferlandes auf weit unter -100 Grad Celsisus tiefkühlen und verflüssigen muss, um es in Schiffen ab Richtung Italien zu transportieren. Die Pionieranlage arbeitet nun mit einer Produktionskapazität von einer Milliarde Kubikmeter. Nach Inbetriebnahme einer derzeit im Bau befindlichen zweiten Anlage im Jahr 2025 soll der Kongo dort jährlich 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas verflüssigen.
Derweil lobte Fratin in Rimini auch die Mitte Februar zugelassenen Energiegemeinschaften. „Ich glaube, dass die nächste große kleine Energierevolution in Italien die Gemeinschaften für erneuerbare Energien sein werden, die wir ins Leben gerufen haben.“ Sie sollten Treiber der Energiewende werden und die Bürger für eine neue Kultur der Energiewende sensibilisieren, sagte auch der Präsident der staatlichen Ausschreibungsbehörde GSE, Paolo Arrigoni. Die GSE wolle nun mit einer Kampagne interessierte Kommunen und Bürgermeister informieren.
Im Zentrum der Debatte auf der Key Energy stand allerdings der Piano Elettrico 2030 des Verbandes Elettricità Futura. Während die Regierung 2030 nun 65 Prozent des nationalen Stromverbrauchs mit Grünstrom beliefern lassen will, sieht der Plan Piano Elettrico einen Anteil dann bei schon mehr als 70 Prozent vor. Das würde zu einem Zubau von 84 Gigawatt (GW) Grünstromkapazität bis 2030 führen müssen, davon 56 GW Solarleistung, aber auch 26 GW Windkraft. In den kommenden sieben Jahren müssten deshalb jährlich fast 4 GW Windparks neu in Betrieb gehen – im Vergleich zu noch rund 500 MW wie im vergangenen Jahr – sowie jährlich 8 GW Photovoltaik im Vergleich zu den 2023 überwiegend auf Hausdächern in Betrieb gegangenen 5 GW. Aber auch die staatliche Prognose sieht ab 2025 eine starke Zunahme des Erneuerbaren-Zubaus vor.
Die Branchenvertreter machten derweil klar, dass die Energiewende des Landes an vielen Stellen gebremst bleibe. So gelten die Anforderungen an notwendige Dokumente, um die Umweltverträglichkeit von Erneuerbare-Energien-Projekten wie Windparks nachzuweisen, als intransparent. Die Projektierung ähnele in Sachen Netzanschluss einem Glücksspiel. Denn Erneuerbare-Energie-Projektunternehmen bekämen häufig keine ausreichenden Daten von den Netzbetreibern und wüssten nicht, ob das Netz den Grünstrom aufnehmen könne. Die Genehmigungsverfahren seien nicht im Einklang, wenn beispielsweise die Zulassung zur Wassernutzung, aber nicht zum Bau eines Wasserkraftwerks erlassen werde.
Der Chef des Windenergieverbands Simone Togni kritisierte, dass die neu gewählte und noch designierte Regionspräsidentin von Sardinien, Alessandra Todde unmittelbar vor Beginn der Key-Energy-Konferenz ein Moratorium für alle noch nicht genehmigten Windparkprojekte angekündigt hatte. Die Politikerin der Oppositionspartei Fünf Sterne will danach die Projektierungen erst dann wieder in Gang kommen lassen, wenn es Windenergieeignungsflächen gibt, auf die der Windparkausbau politisch definiert beschränkt bleibt.
Allerdings hat Todde auch den Vorsitz der Regionskonferenz inne, die aktuell Vorschläge für Italien-weite Kriterien zur Ausweisung von Windkraft-Nutzungsflächen erarbeiten soll. Es dürfe nicht sein, dass so das Land blockiert werde, sagte Fratin. Todde wiederum moniert, dass eine Spekulation mit Projekten stattfinde, weil es keine festgelegten Eignungsflächen gebe. Todde hatte gemäß Medienberichten im Land angekündigt, der Konflikt erfordere voraussichtlich eine „Schlichtung“.
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