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Pyrrhussieg

Frust statt Förderung

Ein besonders heißer Sommer, nicht nur in der Sonne: Anfang Juli hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die Antragssperre für das so genannte Marktanreizprogramm (MAP) des Bundes aufgehoben. Damit wurden 115 Millionen Euro freigegeben, die nun bis Jahresende ausgereicht werden. Das MAP fördert Sonnenkollektoren, Wärmepumpen und Holzfeuerungen zur Wärmeversorgung von Wohngebäuden. Andreas Lücke, Geschäftsführer des Bundesindustrieverbandes für Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) reagiert „mit großer Erleichterung“ auf die Entscheidung des Parlaments. „Das Geschäft wird sich sicherlich noch für 2010 beleben“, kommentiert er zuversichtlich. „Es ist ein gutes Signal für Privatverbraucher, die in der Heizungsmodernisierung die Hauptinvestoren sind.“ Der BDH hofft, dass die regenerative Heizungstechnik nun möglichst schnell aus den roten Zahlen kommt und ihre Umsatzeinbrüche vom ersten Halbjahr wettmachen kann.

Doch was zunächst als Atempause für die Hersteller von Solarkollektoren, Wärmepumpen oder Pelletkesseln daherkommt, könnte sich als Pyrrhussieg entpuppen. Denn am 12. Juli traten außerdem neue Richtlinien für die Vergabe der Fördermittel in Kraft. Der Hammer hängt im Kleingedruckten: Künftig wird es aus dem MAP kein Geld mehr für erneuerbare Heizungstechnik im Neubau geben. Und der Neubau war in den vergangenen Jahren das Zugpferd der Branche.

Bauherren gehen leer aus


Nach Ansicht des Bundesumweltminis­teriums darf das MAP nur fördern, was über die Forderungen beispielsweise des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes hinaus­geht. Darin ist eine anteilige Nutzungspflicht für erneuerbare Energien im Wohnungsneubau vorgegeben. In Baden-Württemberg gilt ein Landesgesetz, das Nutzungspflichten auch beim Austausch des Kessels (Modernisierung) vorschreibt. Die Bewohner des Ländle folgerichtig vom MAP auszuschließen – soweit woll-ten die Berliner Beamten dann doch nicht gehen.

Aber: Auch die Förderkriterien für Bestandsgebäude wurden verschärft. Die solare Trinkwassererwärmung allein wird nicht mehr gefördert. Solarkollektoren müssen seit Juli immer auch die Raumwärme unterstützen. Bei den Wärmepumpen wurde die Messlatte höher gehängt, festgemacht an der Jahresarbeitszahl. Luftgeführte Pelletöfen und Scheitholzvergaserkessel flogen aus der Förderung. Es geht um Geld, viel Geld, und um Frust, viel Frust: Bei einem Bauvorhaben in der Nähe von Würzburg beispielsweise wurden zwei Felder mit Solarkollektoren, einen Pelletkessel und eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe installiert, um die Wärmeversorgung komplett aus erneuerbaren Energien zu decken. Im so genannten Musterhaus Mainfranken, das fünf Familien Platz bietet, wird sogar die Frischluft solar vorerwärmt, mit Hilfe von Solarluftkollektoren. Glücklicherweise wurde das zweistöckige Gebäude Anfang April fertig, Mitte April waren die MAP-Anträge beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Frankfurt-Eschborn eingegangen. Vier Einzelanträge, in der Summe zwischen 20.000 und 30.000 Euro schwer, lagen zunächst auf Eis. Da sie vor dem 3. Mai eingereicht wurden, werden sie nun nach den alten Spielregeln bearbeitet. Wäre das Gebäude nur einen Monat später fertig geworden, würde der Bauherr nun leer ausgehen.

Kein Rechtsanspruch


Natürlich, es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Förderung. Klammheimlich kam ein novelliertes MAP in die Welt, das mehr Ärger und Verunsicherung schaffen dürfte, als der Förderstopp aus dem Hause des Bundesfinanzministers. Denn eine umfassende Heizungsmodernisierung zu planen und umzusetzen, dauert in der Regel länger als die Planung eines Neubaus. Soll heißen: Ob sich das neue MAP noch in diesem Jahr auswirkt, bleibt abzuwarten. Denn zunächst arbeitet das Bafa die alten Anträge ab. 20.000 Anträge liegen in Frankfurt auf Halde. Da in diesem Jahr nur 380 Millionen Euro Bundesmittel eingestellt wurden, dürfte für Neuanträge ab 12. Juli kaum noch Masse vorhanden sein. Dann trifft das MAP möglicherweise dasselbe Schicksal wie die Förderung kleiner Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung. Schon zur Jahresmitte war dieser Topf leer, zusätzliches Geld gibt es nicht. Man bedenke: Die vorliegenden Anträge mit Stichtag 3. Mai beziehen sich auf bereits installierte Anlagen. Jörg Mayer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin, hatte das MAP im Mai kurzerhand in ein kleines „Konjunkturprogramm mit großer Klimawirkung“ umgetauft. Ob sich diese positive Einschätzung auch künftig bewahrheitet, ist die Frage. Karl-Heinz Stawiarski vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP) ist skeptisch: „Die Anreize durch die Förderung nehmen spürbar ab. Dabei sind gerade in der Altbauförderung deutliche staatliche Anreize zwingend erforderlich.“ Carsten Körnig vom Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW Solar) analysiert: „Die Aufhebung der Fördersperre kam in letzter Minute. Ein weiteres Ausbleiben der Fördergelder hätte viele Hersteller von Solarthermie in die Insolvenz getrieben.“
Im Mai war der Zubau von Sonnenkollektoren bundesweit um ein Drittel eingebrochen, verglichen mit dem Mai 2009. Dieser Trend dürfte bis Jahresende anhalten. Die Hersteller könnten froh sein, wenn der Zubau in diesem Jahr knapp eine Million Quadratmeter erreicht. 2009 waren es 1,6 Millionen gewesen, 2008 gar 1,9 Millionen Quadratmeter.

Kriterien verschärft


Dagegen nimmt sich die Verschärfung der technischen Kriterien relativ moderat aus, auch wenn man einrechnet, dass beispielsweise Wärmepumpen viel schwieriger in eine bestehende Wärmeversorgung zu integrieren sind als in einen Neubau. Luftgeführte Wärmepumpen müssen künftig eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von mindes­tens 3,7 erreichen, erdgekoppelte Aggregate mindestens 4,3. Dazu zählen auch Wasser-Wasser-Maschinen, die ihre Umweltwärme aus dem Grundwasser oder einem technischen Reservoir beziehen. Sonnenkollektoren werden nur gefördert, wenn man ihre Wärme für Warmwasser und die Heizung nutzt. Liefern sie Sonnenwärme ausschließlich für die Trinkwassererwärmung, gibt es kein Geld mehr. Holzfeuerungen brauchen eine Wassertasche, damit die Wärme in einen zentralen Pufferspeicher geführt werden kann. Für Pelletkessel und Hackschnitzelfeuerungen sind künftig mindestens 30 Liter Speichervolumen je Kilowatt Nennleistung vorgeschrieben.

Zugleich mit der Entsperrung kamen Gerüchte auf, dass die Fördermittel in den kommenden Jahren weiter sinken. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz hat die Summe auf jährlich 500 Millionen Euro gedeckelt, den tatsächlichen Umfang der Fördermittel aber der Bundesregierung überlassen. „Mit dem Fördervolumen von 380 Millionen Euro werden in diesem Jahr rund 2,8 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst“, frohlockt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). 2009 standen im MAP noch 500 Millionen Euro bereit, die mehr als drei Milliarden Euro privater Investitionen nach sich zogen. Der Flut folgt nun die Ebbe: Nach Angaben der Grünen könnte das MAP bis 2014 auf unter 300 Millionen Euro schrumpfen. Die neuen Regelungen gelten zunächst bis Ende 2011. Der Etat des MAP für das kommende Jahr steht noch nicht fest, zunächst liegt ein erster Entwurf des Haushalts vor.

Nach der parlamentarischen Sommerpause dürften die Debatten also wieder aufleben. Das MAP ist das einzige Instrument der Bundesregierung, um die Energiewende in der Wärmeversorgung privater Haushalte anzukurbeln. Der Anteil der erneuerbaren Energien bei Heizung und Warmwasser soll nach den Plänen des Bundes bis 2020 von acht auf 14 Prozent steigen. Carsten Körnig vom BSW Solar kritisiert: „Wenn die Bundesregierung den Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt bis 2020 verdoppeln möchte, muss sie auch die viel zu niedrige Modernisierungsrate der Heizungen im Gebäudebestand verdoppeln.“

Schon im Vorfeld der Entscheidungen im Juli geriet der Disput um die Freigabe des MAP zu einer Grundsatzdebatte. Die Verbände pochen auf verlässliche Rahmenbedingungen aus der Politik, damit die Energiewende nicht an Dynamik verliert. Allerdings sind sie sich nicht einig, wie die Förderung künftig aussehen könnte. „Um die erforderlichen Milliardeninvestitionen privater und unternehmerischer Investoren anzureizen, muss die Solarwärme haushaltsunabhängig gefördert werden“, sagt Carsten Körnig vom BSW-Solar. „Nur so können Verbraucher, Hersteller und Handwerker von der wiederkehrenden Investitionsunsicherheit befreit werden.“ Dagegen meint Andreas Lücke vom BDH in Köln: „Das MAP ist ein sehr gutes Programm, wenn die Politik die Konstanz der Förderung sichern kann.“

Martin Bentele, Sprecher der Arbeitsgruppe Wärme im Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE), fordert: „Aus dem ewigen Stop-and-Go muss die Bundesregierung endlich Konsequenzen ziehen. Sie muss eine verlässliche und wirksame Förderpolitik für erneuerbare Energien im Wärmesektor auf den Weg bringen.“ Karl-Heinz Stawiarski vom BWP gibt zu bedenken: „Das Marktanreizprogramm ist für junge und finanzintensivere Technologien ein sinnvolles Instrument, um die anfänglichen Mehrkosten teilweise auszugleichen. Das geht aber nur, wenn es auch verlässlich zur Verfügung steht. Die Hersteller verlassen sich bei ihren Planungen und Investitionen darauf. Die Endkunden kennen die Instrumente und wollen sie nutzen. Stehen die Instrumente dann nicht zur Verfügung, führt das zu Attentismus.“


Angelika Dissen
Heiko Schwarzburger