Einem nach zusätzlichen Recherchen als glaubwürdig einzustufenden Bericht des Handelsblatts zufolge haben sich die beiden Minister darauf geeinigt, dass sich Tennet künftig stärker privaten Investoren öffnen werde. Dabei gehe es nicht um eine Beteiligung an dem Unternehmen selbst, sondern um einen Einstieg von Finanzpartnern bei den Anschlüssen von Offshore-Windfeldern. Auch auf höchster Regierungsebene war zuletzt ein Einstieg etwa der deutschen staatlichen Bankengruppe KfW bei Tennet ins Gespräch gebracht worden. Rösler hatte allerdins von einer nur letzten Lösung, einer "ultima Ratio" gesprochen.
Der Netzbetreiber, der sich im Eigentum des niederländischen Staates befindet, hat bislang über seine Deutschland-Tochter Tennet TSO knapp sechs Milliarden Euro für Offshore-Anbindungen in der deutschen Nordsee bereit gestellt. Weitere 15 Milliarden Euro seien notwendig, heißt es. Bereits im November vorigen Jahres hatte das Unternehmen erstmals fehlende finanzielle Ressourcen beklagt und davor gewarnt, dass die Errichtung weiterer Leitungen in der bisherigen Geschwindigkeit und Form nicht möglich sei.
Darüber hinaus besteht allerdings das eingeräumte Kapitalproblem Tennets: "Tennet kann und will mehr privates Kapital akquirieren", sagte Minister Verhagen jetzt laut Handelsblatt. Sein Kollege Rösler sicherte ihm im Gegenzug zu, dass die Bundesregierung bis Ende August die lange angekündigte Haftungsregelung verabschieden und damit wichtige Voraussetzungen für weitere Investitionen schaffen werde.
Windreich AG leitet Missbrauchsverfahren ein
Zu den Betroffenen der aktuellen Verzögerungen bei Offshore-Netzanbindungen gehört unter anderem die Windreich AG aus Wolfschlugen, die drei genehmigte Meereswindparks im Portfolio hat. Für das aktuelle Projekt Global Tech 1 kann zwar aller Voraussicht nach eine Zwischenlösung mit dem Anschluss an die bereits existierende Konverterstation Borwin Alpha gefunden werden. Und der Anschluss für das Folgeprojekt MEG 1, das 2014 gebaut werden soll, wird nach jetzigem Stand sogar schon vor Baubeginn fertig sein. Noch gar keinen Zeitplan gibt es nach Aussage von Windreich-Chef Willi Balz allerdings für die Netzanbindung des Windparks Deutsche Bucht, der 2015 errichtet werden soll. Die Ausschreibungen hierfür hätte Tennet laut Positionspapier der Bundesnetzagentur unmittelbar nach der im Oktober 2011 erfolgten Netzanbindungszusage starten müssen. "Im Frühsommer haben wir dann festgestellt, dass hier noch gar nichts passiert ist", berichtet Balz auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Dies haber er jetzt zum Anlass genommen, bei der Bundesnetzagentur ein Missbrauchsverfahren in die Wege zu leiten.
Grundsätzlich seien die bereits getätigten Investitionen Tennets eine gute Leistung. Er sehe sich aber gezwungen, zumindest eine neuerliche Interimsanbindung über den Borwin-Alpha-Konverter zu erreichen, sagte Balz. "Die Gespräche mit Tennet laufen momentan sehr zäh."
Zwei Tennet-Verfahren bei der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) plant für den 12. September eine öffentliche Anhörung in dieser Sache und wird im Anschluss daran ihre Bewertung vornehmen. Wann letztlich eine Entscheidung verkündet werde, lasse sich derzeit noch nicht sagen, erläutert Sprecherin Renate Hichert. Sollte zugunsten des Antragstellers entschieden werden, bekomme Tennet auferlegt, das "missbräuchliche Verhalten" abzustellen: Eine rechtskräftige Entscheidung würde es der Windreich AG erleichtern, finanzielle Forderungen zivilgerichtlich durchzusetzen, so Hichert.
Darüber hinaus läuft bei der BNetzA derzeit ein Zertifizierungsverfahren, in dessen Rahmen alle Betreiber von Transportnetzen im Elektrizitäts- und Gasbereich etwa ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen müssen. Nach bisherigen Entscheidungsentwürfen müsse lediglich bei Tennet die Zertifizierung hierbei verweigert werden, hatte Präsident Jochen Homann Mitte Juli mitgeteilt. Sollten die Nachweise für das ausreichende Finanzierungsvermögen nicht nachgereicht werden, könnte Tennet mit einem Bußgeld von einer Million Euro belegt werden.
Erster Investor an Bord
Sie gehe davon aus, dass alle erforderlichen Bedingungen zur erfolgreichen Zertifizierung erfüllt würden, betont Tennet-Sprecherin Ulrike Hörchens auf Nachfrage. Zum Windreich-Antrag könne sie sich inhaltlich nicht äußern, da es sich um eine laufendes Verfahren handele. Nur so viel: "Wir haben unsere Stellungnahme an die Bundesnetzagentur weitergeleitet." Und was die Beteiligung privater Investoren angehe, so habe man mit der Mitsubishi Corporationi bereits seit einigen Monaten einen Finanzpartner für bislang zwei Offshore-Netzanbindungen im Boot - unter Vorbehalt der angekündigten Haftungsregelungen.
(Anne-Katrin Wehrmann)