In der neu geschaffenen Erneuerbare-Energien-Sparte des Konzerns werde Shell das Offshore-Geschäft nun aufbauen, kündigte jetzt der Shell-Geschäftsführer Ben van Beurden auf der Konferenz Cera Week in Houston an. Auf der von konventionellen Energiekonzernen dominierten Tagung sagte Van Beurden, Shell werde sich hierbei auf das Offshore-Wind-Geschäft in Großbritannien und in europäischen Märkten konzentrieren.
Bereits 2014 hatte sich Shell erstmals wieder an einer Offshore-Projektierung beteiligt und sich in ein Investorenkonsortium für den niederländischen Windpark Borssele 1 und 2 einbinden lassen. 2016 gewann Shell mit drei anderen Unternehmen in einem gemeinsamen Konsortium die Ausschreibung für das Folgeprojekte Borssele 3 und 4 mit 680 Megawatt (MW). Das Projekt hatte Aufsehen erregt, als der von den Investoren um Shell in der Ausschreibung versprochene Rekord-Niedrigpreis von 5,45 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bekannt wurde. Üblich waren bis dahin eher Preise von rund 10 Cent oder mehr. Die europäische Offshore-Windbranche hatte sich selbst zuvor Erzeugungskosten von 10 Cent pro kWh als Ziel erst für 2020 gegeben. Im Februar schließlich hatte Sinead Lynch erklärt, Chef des britischen Geschäfts bei Shell, der Ölkonzern prüfe, welches Engagement in Offshore-Windkraft für ihn sinnvoll sei.
Dass der Ölkonzern jetzt in der Offshore-Windkraft mitmischen will wie schon viele große Energiekonzerne ist für ihn wie andere Ölunternehmen weniger selbstverständlich. So hat Shell zwar seit vielen Jahren einen Anteil am britischen Entwickler einer zweiflügeligen Zehn-MW-Windturbine, 2-B-Energy. Außerdem gehörte Shell vor über zehn Jahren zu den Investoren des niederländischen Windparks Egmond-aan-Zee. Und 2015 war Shell als „Technologiepartner“ des US-amerikanischen Entwicklers schwimmender Offshore-Windparks, Principle Power, Partner für ein bis 2018 geplantes Demonstrationsprojekt vor der portugiesischen Küste geworden. Doch ab 2008 hatte Shell sich noch heftig vom damals beginnenden starken Ausbau der Offshore-Windkraft in Europa losgesagt. Aus dem inzwischen errichteten Projekt London Array war Shell damals wieder ausgestiegen. Das ebenfalls britische Projekt Cirrus Shell Flat Array hatte Shell im selben Jahr gecancelt, nachdem es Konflikte mit Luftfahrtinteressen gegeben hatte. 2012 schließlich kritisierte der Konzern die britische Regierung für ihre Unterstützung der Offshore-Windkraft und forderte indirekt mehr politischen Rückhalt für die Öl- und Gas-Ausbeutung der Nordsee.
Aber auch andere Ölkonzerne steigen derzeit ins Offshore-Geschäft ein – oder sogar aus dem Ölbusiness aus: So hat das italienische Ölunternehmen Eni kürzlich Meereswindkraftplanungen erörtert. Norwegens Statoil erhöhte vergangene Woche seinen Anteil am britischen Rekordprojekt Dogger Bank mit 4.800 MW Erzeugungskapazität von 25 auf 37,5 Prozent. Und umgekehrt hat das dänische Energieunternehmen Dong als ohnehin seit Jahren führender Offshore-Wind-Investor im Januar bekannt gegeben, seine Öl- und Gas-Explorations-Tochter bis Ende 2017 loszuwerden.
(Tilman Weber)