Die Turbinen mit 125 Meter Rotordurchmesser werden aus der brasilianischen Fertigung der früheren Windenergiesparte des spanischen Konzerns Acciona kommen. Sie gehört seit 2016 infolge einer Fusionierung zur Nordex-Gruppe. Die Anlagen vom Typ AW 125/3000 sind für acht Teilwindparks eines 195 MW großen Gesamtprojekts im Nordosten Brasiliens vorgesehen. Dieser, Lagoa do Barro, entsteht damit in einer sehr windreichen Region.
Der Windpark soll dort laut Nordex bei einer Auslastung von 58 Prozent Strom erzeugen – nicht zuletzt auch Dank im Verhältnis zur Nennleistung der Anlagen außergewöhnlich großer Rotoren. Zum Vergleich: Bei Windparks in windschwachen Binnenlandregionen beispielsweise in Deutschland gehören Auslastungen von bis zu 40 Prozent zu den Spitzenwerten. Die 58 Prozent Auslastung im Windpark Lagoa do Barro bedeuten, dass die Turbinen an diesem guten Standort – bei immer voller Verfügbarkeit außerhalb der Windflautezeiten – in einem durchschnittlichen Windjahr eine Strommenge erzeugen würde, für die sie unter Volllast 58 Prozent des Jahres arbeiten müsste.
Den Auftrag hatte die Nordex-Gruppe ursprünglich schon im vergangenen Jahr erwartet. Doch fehlende Finanzierungszusagen hatten den Investor Atlantic Energias Renováveis, einen Windpark- und Wasserkraftwerk-Betreiber, abwarten lassen. Weil der Auftrag ausgeblieben war, konnte Nordex aber die geplanten Einnahmen nicht mehr in die Bilanz des Geschäftsjahres 2016 hinein nehmen – und somit wohl dreistellige Millionen-Euro-Einnahmen in der Berechnung der Umsatzerwartungen für 2017 nicht wie ursprünglich geplant einkalkulieren. Im Detail hatte Nordex einräumen müssen, dass erhoffte Aufträge aus Brasilien wie auch aus den Ausschreibungen Südafrikas anders als erwartet 2016 vorerst nicht eingetreten seien. Dies betreffe ein ausgebliebenes Auftragsvolumen von 450 Millionen Euro.
Wie viel Umsatz das brasilianische Großprojekt der Nordex-Gruppe nun einbringt, ließ das Unternehmen bislang nicht verlauten. Bei Lagoa do Barro handele es sich allerdings um die in der Bilanz 2016 nicht mehr berücksichtigten Brasilien-Umsatzerwartungen, bestätigte Nordex-Sprecher Felix Losada auf Nachfrage.
Die verspäteten Aufträge hatten Ende März schließlich zum Rücktritt des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Lars Bondo Krogsgaard geführt. Der Nordex-CEO machte seinem spanischen Kollegen in der Geschäftsführung und Ex-Acciona-Wind-Chef José Luis Blanco Platz, nachdem der Aktienkurs des Unternehmens zum dritten Mal binnen eineinhalb Jahren aufgrund enttäuschter Aktionärserwartungen drastisch eingebrochen war. Krogsgaard hatte zuvor die Erwartungen des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2017 auf 3,3 bis sogar nur 3,1 Milliarden Euro reduzieren müssen, nachdem er zum Zeitpunkt der Fusion mit Acciona noch ein Anwachsen bis 2018 auf bis zu vier Milliarden Euro Umsatz anvisiert hatte. Ziel dieses Zusammengehens der beiden Unternehmen war es, schnell im Vergleich zu größeren Turbinenherstellern wie Vestas ein wenig aufschließen zu können. Während Nordex in Europa besonders erfolgreich ist, sollte Acciona ergänzend nun die Märkte in Entwicklungsländern für die Nordex-Gruppe hinzuholen. Allerdings hatte Nordex außerhalb Brasiliens bereits in Uruguay größere Windparkaufträge an Land gezogen.
Der Auftrag in Brasilien bedeutet noch einmal eine deutliche Steigerung des bisherigen Portfolios errichteter Windparks mit Acciona-Turbinen. Im Juni 2016 hatte die neu geschaffene Nordex-Gruppe bereits mit einem 66-MW-Auftrag in diesem Land das Acciona-Turbinen-Erzeugungsvolumen der schon errichteten und zusätzlich der geplanten Windparks auf 1,185 MW erhöht.
Der neue Auftrag dürfte im strategischen Denken bei Nordex allerdings auch als Eintrittskarte für die neue Nordex-Gruppe in einen der wichtigsten Wachstumsmärkte weltweit gelten: Brasilien hat ehrgeizige Pläne und will den Anteil der Wind- und Solarstromproduktion an der nationalen Stromversorgung bis 2030 auf 23 Prozent erhöhen. Bislang spielen diese erneuerbaren Energien in der Stromversorgung noch kaum eine Rolle, weil Brasilien den Großteil der Stromerzeugung durch Wasserkraftwerke gewährleisten konnte. Doch das unter der Abholzung seiner Regenwälder leidende Land will nun von der Wasserkraft nicht mehr abhängig sein, da Trockenheiten zuletzt die Stromversorgung gefährdeten.
(Tilman Weber)