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Litauen

Baltischer Offshore-Grünstrom oder Vilnius entdeckt den Meereswind

Tilman Weber

Irgendwann, im nächsten Jahrzehnt soll es nach den Vorstellungen bei Lietuvos Energija soweit sein. Das litauische Energieunternehmen hat jetzt einen Aufruf zu Bewerbungen um eine Partnerschaft für die ersten Offshore-Windparkprojekte in dem südlichsten der drei baltischen Staaten veröffentlicht. Bis Ende 2030 will das Unternehmen eigene Erzeugungskapazitäten von drei Gigawatt (GW) aus Anlagenparks zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien neu installiert haben. Der Großteil der geplanten Kapazität soll durch Windparks entstehen. Speziell für eine Entwicklung eigener Offshore-Windparks aber will Lietuvos Energija einen erfahrenen Partner finden, weshalb der Energieversorger nun den Aufruf gestartet hat.

Dabei will das dem litauischen Staat gehörende Energieunternehmen in zwei Phasen vorgehen: Im ersten Teil der Partnerschaft will es einen Minderheitsanteil an einem Offshore-Windparkprojekt wohl dieses Partners kaufen, um Erfahrungen zu gewinnen. Dabei soll es sich um ein Meereswindkraft-Vorhaben in einem schon fortgeschrittenen Projektierungsstadium handeln. Für die Partnerschaftsphase zwei planen die Litauer, zusammen mit dem Partner eigene Offshore-Windenergie-Projekte vor der litauischen Küste zu entwickeln.

Windpark bis Mitte oder Ende des Jahrzehnts?

Die Windparks dürften dabei wohl frühestens Mitte des kommenden Jahrzehnts, vielleicht sogar erst Ende der 2020er Jahre ins Netz gehen – vorausgesetzt, Lietuvos Energija erreicht das selbst gesteckte Erneuerbaren-Ausbauziel von drei Gigawatt bis 2030. Dabei entscheidet über den Zeitplan derzeit die litauische Regierung. Die hatte zwar schon im Frühjahr 2016 Reformen für einen Kickstart des Offshore-Windkraft-Ausbaus in die Wege geleitet. Doch eine zeitgleich eingeleitete regulatorische Änderung des Baugrund-Vergabeverfahrens stoppte den Impuls zunächst. So dürfen nicht die Energieunternehmen und Projektierer sondern nur der litauische Staat den Seeboden untersuchen und für Offshore-Windprojekte als geeignet einstufen. Im Januar allerdings kündigte der Energieminister des Landes auf einer Konferenz an erste Ausschreibungen für Offshore-Windparkvorhaben irgendwann in den Jahren 2021 und 2022 zu eröffnen. Litauen hat grundsätzlich bereits sechs Ausbauzonen definiert, die Raum für bis zu 7,2 Gigawatt Offshore-Windkraft böten.

Estland: Gericht stoppt Gigawattprojekt im Vorreiterland

Damit könnte das südbaltische Land erstes im Rennen der drei zum sogenannten Baltikum gerechneten Nachbarländer werden, das Offshore-Windstrom erzeugt und nutzt. Bis vor kurzem schien es noch, als sollte der nördlichste baltische Staat, Estland, schon bald mit dem Bau eines bis zu 1.000 Megawatt (MW) großen Windparks vor der Insel Hiiumaa beginnen. Das mal Nelja Energia und mal 4energia genannten Projektierungsunternehmen hatte bereits umweltrechtliche Genehmigungen für den Bau des Projekts. Laut eines Vertrages zwischen der Insel und dem Projektierer sollte der Baustart schon Mitte 2018 sein. Und schon 2020 hätte der Windpark dann Strom erzeugen und einspeisen sollen – und einen Teil der Elektrizität mit einem Versorgungskabel auch auf die Insel leiten müssen. Doch im Sommer vergangenen Jahres urteilte das oberste Gericht nach einer juristischen Intervention durch Umweltschützer und Windkraftgegner, der Vertrag dürfe nicht in Kraft treten, weil der Projektierer keine ausreichende Untersuchung der Umweltauswirkungen durch den Windpark angestellt habe. Das Argument von 4energia ziehe nicht, wonach die Analyse der Umweltbeeinträchtigungen durch den Windpark erst vollständig erfolgen könne, wenn die Projektplanung auch den Standort und die Größe aller Windturbinen festgelegt habe.

Im Oktober 2018 hatte dann das estnische staatliche Energieversorgungsunternehmen Eesti Energia über die Bildung einer Gesellschaft informiert, mit der Eesti Energia bald 4energia kaufen könnte. Schon im Mai hatte diese Gesellschaft eine Absichtserklärung über diese Übernahme mit den Anteilseignern von 4energia unterzeichnet. Größter Eigentümer war damals noch das norwegische Windenergieunternehmen Vardar Eurus. Im November schlossen die Unternehmen dann die Übernahme durch die Eesti-Energia-Tochter Enefit Green ab.

Offshore-Windpark vor Hiiumaa nur verzögert, sagt Investor

Zu den Plänen, den Gigawatt-Windpark vor Hiiumaa noch zu bauen, ließ Eesti Energia ebenfalls im Oktober verlauten, für das Offshore-Projekt habe es zwar einen kleinen Rückschlag gegeben. Doch liege nichts Schlimmes gegen das Projekt vor: Gesetz und Praxis lägen noch ein bisschen auseinander – und auch der estnische Staat müsse nochmals das Gesetz anpassen. Insgesamt hatten Entwickler in Estland bereits 2016 für Offshore-Windpark-Vorhaben mit 4,8 Gigawatt die Pflöcke eingeschlagen.

Am wenigsten fortgeschritten ist die Offshore-Windkraft-Entwicklung in Lettland. Zwar sah der bei der Europäischen Union eingereichte Nationale Erneuerbare-Energien-Entwicklungsplan, offiziell NREAP genannt, bereits 2020 die Errichtung von 180 MW Offshore-Windkraft bis 2020 vor. Doch die lettische Regierung hatte zwischenzeitlich einen Ausbaustopp für die Windkraft verhängt.