Norbert Giese, Bereichsleiter Offshore Development beim Hamburger Windturbinenbauer von Repower, plädiert auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN dafür, dass die Meereswindkraftbranche in den „vier Industrie-Segmenten“ Windenergieanlagen, Fundamente, Netze/Umspannwerke und Installation/Logistik stärker als bisher zusammenarbeitet. Besondere Chancen durch mehr Zusammenarbeit sieht der Repower-Mann hier zunächst in der konstruktiven Schnittstelle von Fundament, Zwischenstück (Transition Piece) und Turm. So könne durchaus unterhalb des Maschinenhausdrehkranzes das gesamte Tragwerk aus diesen drei Hauptkomponenten noch kostenoptimiert werden, sagt Giese.
Dabei sieht der Offshore-Bereichsleiter des Unternehmens durchaus noch Potenzial auch in der Industriealisierung der Turbinenherstellung selbst: Diese Industrialisierung werde zudem die Herstellung von standardisierten Komponenten fördern – anstelle von teuren, maßgeschneiderten Teilen – und die Anzahl der Komponentenzulieferer werde sich infolge eines solchen Prozesses noch erhöhen. Was wiederum die Konkurrenz belebt.
Freilich lautet eine Hauptdevise der Anlagenhersteller zum Thema Kostensenkung noch immer, größere Windturbinen mit mehr Megawatt (MW) Leistung und größerem Rotor zu entwickeln. Das soll die hohen Gründungskosten pro installierter Leistung und pro mehr erzeugten Kilowattstunden relativ senken. So kündigte beispielsweise Repower-Konkurrent Areva an, mit einem um 19 Meter auf 135 Meter Durchmesser vergrößerten Rotor die Stromerzeugung um neun Prozent zu erhöhen – bei denselben oder gar geringeren Kosten pro installiertem Megawatt Leistung. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts will das Unternehmen außerdem wohl noch mit leistungsstärkeren Anlagen als den jetzigen fünf MW starken M5000 aus eigener Fertigung nachlegen.
Repower: 15 Prozent Mehrertrag mit 6M
Repower ist schon so weit. Im Frühling 2012 waren die Hamburger das erste Unternehmen weltweit, das eine Sechs-MW-Anlage auf hoher See installiert hat – und zwar im belgischen Windpark Thornton Bank im März. Die einzigen Konkurrenten, die ebenfalls schon Sechs-MW-Anlagen wenngleich vorerst im Prototypenstatus installiert haben, sind Siemens und Alstom. Zu den Auswirkungen auf die Stromerzeugungskosten verweist Offshore-Abteilungschef Giese bisher auf Berechnungen, wonach bereits bestehende Onshore-Versionen der Sechs-MW-Anlage um bis zu 15 Prozent mehr Ertrag erzielen als der Fünf-MW-Repowertyp. Die Leistung liegt bei den neuen Anlagen 23 Prozent höher als bei der 5,0-MW-Anlage.
Der Einführung einer neuen Wartungsservicestrategie, die mit dem Betrieb einer Flotte von Kranserviceschiffen einhergeht, schreibt Giese ebenfalls hohes Potenzial zu. Die so genannte „REpower Offshore Service Strategy“, kurz ROSS, sollte 2013 starten und gilt als „vollständig entwickelt“. Allerdings will Repower nun erst abwarten, bis eine „angemessene(n) Basiskapazität in einem zusammenhängenden geographischen Gebiet“ von Windparks im Wasser steht, damit sich das Konzept lohnt.
Gemeinsames Schiffechartern
Auch die Deutsche Windguard sieht eine bessere Abstimmung als Schlüssel für eine künftig günstigere Offshore-Windkraft in Deutschland. Das sagt der Projektleiter der Meereswindenergieabteilung des Zertifizierungsunternehmens, Stefan Hicke von der Deutsche Windguard Offshore GmbH. Er hat allerdings eine viel weiter reichende Vision vor Augen: Die Aufstellung mehrerer Windparks in Kooperation verschiedener Windparkprojektierer. Würden „auf einen Rutsch 300 Mühlen in einer Region errichtet, gäbe das eine enorme Kostenreduktion“, sagt Hicke. Durch so genanntes Pooling, wie es beim Offshore-Windkraftnetzwerk WAB in Bremerhaven offenbar in einem Arbeitskreis bereits diskutiert wird, könnten Errichterschiffe von mehreren Projektierern vielleicht sogar gemeinsam gechartert werden. So könnte drei Parks in unmittelbarer Nähe zugleich von den Fundamentezulieferern zugearbeitet werden. „Ich bin da relativ zuversichtlich“, sagt Hicke.
Für Hicke sind auch industrielle Kennzeichensysteme von Bauteilen und Ersatzteilen wie bei Areva Wind (ERNEUERBARE ENERGIEN 08/2012) ein Schlüssel, um erfolgreicher die Schadensfälle einzelner Bauteile zu erfassen und somit auch systematischere Produktfortentwicklungen zu gewährleisten. Das seien nur „scheinbar Nebenkriegsschauplätze, in denen jetzt sehr viel passiert.“ Weit vormontierte Anlagen sieht er ebenfalls als Vision für die Zukunft, Anlagen, die aufrecht schwimmend als Komplettinstallation ins Windfeld gefahren werden.
Hilfe durch virtuelle Realität
Vielleicht kommt Hilfe ja aber auch wirklich von der bloßen Vorstellungskraft. Etwas aus dem Rahmen der bekannten deutschen Offshore-Experten und Windparkplaner unter den Ausstellern der Messe Windforce 2012 Ende Juni fiel das Unternehmen Ci-Base. Auf einem kleinen Stand mit Leinwand führte das IT-Systemhaus aus Bremen vor, was es unter Virtual Reality versteht: Eine dreidimensionale Darstellung von Installations- oder Logistikvorgängen oder beispielsweise von Wartungstätigkeiten innerhalb neuer Offshore-Windenergieanlagen. Sinn des schon von Automobilindustrie und konventionellen Anlagenbauern genutzten Ci-Base-Produkts Ci-Solution 3D: Zu erkennen, was sich zwar mathematisch in der Anlagenentwicklung als richtig herausstellt, aber für die menschliche Vorstellungskraft und Sinne nicht fassbar ist.
Zum Beispiel lassen sich so Designs an einem Rammhammer zum Einschlagen der Fundamentverankerungen in den Meeresboden noch einmal leicht korrigieren. Etwa für den Fall, dass der Rammführer den Rammhammer sonst mitunter in so ungünstigen Winkeln auf die Pfähle schlagen müsste, dass Kabel und Hydraulik der Installationsmaschine dabei überspannten und rissen. Oder aber Virtual Reality kann dem Mann an der Maschine schon vor der Leinwand ein schlafwandlerisches Gefühl für die Größe und Bewegungsabläufe seiner Tätigkeit antrainieren.
(Tilman Weber)
Der Beitrag bezieht sich auf ergänzende Informationen zu einem Artikel im Augustheft des Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN.