„Unkoordiniert, überstürzt, zu teuer“, so berichtete die Süddeutsche Zeitung als erste am gestrigen Mittwoch nach der Lektüre der Schrift, laute das Fazit der Bundesrechnungshof-Analysten. Der Rechnungshof bezieht sich für sein Urteil offenbar fast ausschließlich auf die Regierungsjahre der vorangegangenen großen Koalition. Dort nahm er demnach schwerpunktmäßig Bezug auf die Entscheidungen der Regierung Merkel über die Verlängerung des Atomausstiegs im Jahr 2010 und auf die ein Jahr später folgende Entscheidung über die erneut beschleunigte Energiewende nach dem Atomreaktorunfall im japanischen Fukushima.
Vor allem, dass sich zeitweise sechs Ministerien zeitgleich mit dem Thema befasst hätten, schließlich aber das Umweltministerium mit einem eigenen Entwurf über diese ohne weitere Abstimmung hinweg gesetzt habe, moniert der Bundesrechnungshof offenbar. Außerdem stößt diesem auf, dass auch in der Folgezeit noch immer vier Ministerien an der Energiewende rumdoktern und so für redundante Maßnahmen zumindest aber redundante Beschäftigungsvolumen in den Ministerien sorgten.
„Unkoordiniert, uneinheitlich und teilweise redundant“, heißt es in dem Bericht wohl wörtlich.
Unklare Maßstäbe
Das Urteil darf verwundern, ebenso, dass der Rechnungshof sich jetzt noch so mit der Energiewende auseinandersetzt. Schon die Maßstäbe für das Urteil über die Effizienz und die Ausgabendisziplin scheinen den Ausgabenhütern verrutscht. Wenn sie etwa daran Anstoß nehmen, dass sich 24 Gremien in Bund und Länder mit der Energiewende befasst hätten, so lassen sich die Maßstäbe des Rechnungshofes für seine Mahnungen kaum noch nachvollziehen: Warum sind 24 Gremien bei 16 Bundesländern und einer Bundesregierung, also 17 Regierungen unverhältnismäßig? Zumal wenn doch der Rechnungshof schon die Befassung von sechs Bundesministerien moniert hat, die so in die Rechnung mit den 24 bundesweit befassten Gremien mit einbezogen worden sein dürften. Von einem Moment ausgehend – in einer Situation einer in ihren ersten Regierungsjahren noch zerstrittenen schwarz-gelben Bundesregierung und während der heftig umkämpften Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten – erscheint willkürlich und ungerecht. Da hat das Bundeswirtschaftsministerium Recht, wenn es sich jetzt wehrt: Der Bericht überzeichne die Belastungen, verzichte aber auf eine "ökonomische, soziale und ökologische Gesamtbewertung", betont es. Bei der Energiewende handele es sich um einen "lernenden Prozess", in dem permanent nachgesteuert werden müsse, wandten die Ministerien zudem ein. Dies sei heute leichter, weil in der großen Koalition weite Teile der Energiepolitik im Wirtschaftsministerium gebündelt seien.
Wirklich: Wollte der Bundesrechnungshof so auch über andere Entwicklungen urteilen, so könnten interessante Dinge herauskommen. Etwa, dass der Parlamentarismus zu oft über Gesetzesvorlagen diskutiere und daher Kosten verursache, dass der Bundesrat viel weniger doppelt mit Entscheidungen befasst werden könne, etcetera.
Einzig interessanter Kritikpunkt – falsch angewandt
Einziges von den Tageszeitungen als wohl interessant zu wertendes, überliefertes Zitat, ist dieses: „Oft fehlten aber Ausgangswerte, an denen sich Erfolg oder Misserfolg messen ließen“, kolportiert die Süddeutsche. Das dürfte stimmen. Von daher wäre viel interessanter, der Rechnungshof würde bereits die Entscheidungen für eine verpflichtende Direktvermarktung oder die ab 2017 geplanten Ausschreibungen als Systembrüche inspizieren und sich notfalls noch zwei Jahre Zeit dafür lassen.
Außerdem müsste er sich nach seiner Kritik an den fehlenden Ausgangswerten auch die letzten Regierungsjahre von Schwarz-Gelb vermehrt anschauen, als das fehlende Bekenntnis und fehlende Ziele in der Erneuerbaren-Branche zum Ausbleiben von Investitionen führte und tatsächlich die ausgegebenen staatlichen Forschungsförderungen und Klimaschutzmaßnahmen in der Energiewende etwas Leerlauf erlebten. Hat der Rechnungshof also die echte Konfrontation nur gescheut?