ERE: Könnten Sie das ÖMM noch einmal kurz erläutern?
Oliver Hummel: Das Modell formuliert drei Kriterien. Wenn alle drei erfüllt sind, erhält der Energieversorger, der das Modell nutzt, für den in EEG-vergütungsfähigen Anlagen produzierten Ökostrom den entsprechenden Herkunftsnachweis. Diesen Herkunftsnachweis benötigt er, um den Strom als Ökostrom aus klar definierten Anlagen an seine Endkunden weitervermarkten zu können.
Die erste Komponente ist eine sogenannte Ökostrom-Zahlung an das EEG-Konto in Höhe von 0,25 Cent pro Kilowattstunde EEG-Strom. Diese Zahlung soll den Mehrwert des Ökostroms abbilden. Im Vergleich zu den unter 0,1 Cent pro Kilowattstunde, die im Verlauf des letzten Jahres für Herkunftsnachweise aus norwegischer Wasserkraft fällig waren, kommt der Öko-Eigenschaft im ÖMM also ein deutlich höherer Wert zu. Die Zahlung fließt dabei wie gesagt direkt ans EEG-Konto und entlastet dieses damit.
Die zweite Komponente besteht im Anteil des fluktuierenden EEG-Stroms im Mix des Ökostromanbieters. Dieser muss mindestens so hoch sein, wie der Anteil des EEG-Stroms, den jeder andere nicht privilegierte Endkunde auch auf seiner Rechnung ausgewiesen bekommt. Der Mehrwert im ÖMM besteht hier also darin, gegenüber der EEG-Quote, die ja auch regelbaren Ökostrom zum Beispiel aus Wasserkraft enthält, überdurchschnittlich hohe Mengen an fluktuierendem Ökostrom zu integrieren.
Die dritte Komponente besteht in der Anforderung, diese Strommengen aus dem fluktuierenden Angebot so im Portfolio unterzubringen, dass die Erzeugung des Stroms aus den Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit dem Kundenbedarf übereinstimmt. Gelingt das nicht, muss der Ökostromanbieter für die Überschussmengen eine Strafe auf das EEG-Konto zahlen. Diese Integrationszahlung beträgt zwei Cent pro Kilowattstunde. Das bietet einen starken zusätzlichen Anreiz, um die Überschussmengen durch die Steuerung der Nachfrage oder der Erzeugung zu vermeiden.
Ein zentraler Punkt in der Diskussion neuer Vermarktungsmodelle ist immer die Frage, ob sie das EEG-Konto belasten. Das passiert bei diesem Modell nicht, weil es durch die Ökostrom- und die Integrations-Zahlung gegenüber der derzeitigen Vermarktung über die Marktprämie sogar zu einer Entlastung des EEG-Kontos führt.
Welches konkrete Ziel verfolgen Sie mit dem Ökostrom-Markt-Modell?
Grundsätzlich setzt das ÖMM auf dem Marktprämienmodell auf. Es soll dieses aber nicht ersetzen, sondern es ist eine zusätzliche Option, die Energieversorger wählen können. Denn im gegenwärtigen EEG-Entwurf fällt das Grünstromprivileg weg. Das war aber bisher die einzige Möglichkeit, die Öko-Eigenschaft des Stroms aus EEG-Anlagen zur Belieferung von Endkunden wirtschaftlich nutzen zu können. Jetzt entsteht da eine Lücke. Es ist nicht mehr möglich, diese Öko-Eigenschaft zur Belieferung der Kunden zu nutzen. Dafür soll das ÖMM eine Lösung bieten. Gleichzeitig soll es einen Anreiz setzen, die Erzeugung und den Kundenbedarf aufeinander abzustimmen. Denn die Preisunterschiede an der Strombörse allein reichen für einen solchen Anreiz im Moment aufgrund des erheblichen Strom-Überangebots in Deutschland und der sehr geringen Marktpreise nicht aus. Wobei dieser Anreiz eben nicht in der Ausschüttung einer zusätzlichen Prämie besteht, sondern im Gegenteil in einer Art Strafe, wenn die Integration nicht erreicht wird. An dieser Stelle wird das EEG-System also ganz konkret entlastet. Insgesamt gibt es daher keine Gründe, die gegen dieses Modell sprechen. Nichtsdestotrotz findet es sich derzeit im Gesetzentwurf noch nicht wieder.
Also muss der Kunde, der den zertifizierten Ökostrom bezieht, zusätzlich zahlen?
Die Tarife, die Energieversorgung unter Nutzung des ÖMM anbieten können, werden sich im üblichen Rahmen bewegen und absolut konkurrenzfähig sein können. Für den Händler entsteht zwar eine Kostenposition, wenn er das Modell nutzt. Wie auch sonst, muss er seine Kosten natürlich auf den Kunden umlegen. Der Kunde des Ökostromanbieters muss aber auch jetzt schon für zertifizierten Strom bezahlen. Der Preis hängt davon ab, welche qualitativen Anforderungen der Strom erfüllt. Wenn es nicht die billigsten und undefinierten Herkunftsnachweise zum Beispiel für norwegischen Strom aus Wasserkraft sein sollen, sondern Ökostrom inklusive Herkunftsnachweis aus deutschen Anlagen, liegt der Aufschlag für die Herkunftsnachweise jetzt schon bei bis zu 0,3 Cent pro Kilowattstunde. Damit liegt der Preis, den wir mit unserem Modell vorschlagen, noch im Limit, so dass es nicht dazu führt, dass der Kunde plötzlich mehr bezahlen muss. Es führt aber dazu, dass der Mehrwert, den der hiesige Ökostrom hat, zur Entlastung des EEG-Kontos genutzt wird, was bisher nicht der Fall war.
Wie hoch wird der Marktpreis sein, den die Anlagenbetreiber für ihren Strom im ÖMM bekommen?
Da das ÖMM auf dem Marktprämienmodell aufsetzt, ist der Preis, den der Anlagenbetreiber bekommt grundsätzlich erst einmal gleich, da ja auch die Grundvoraussetzungen gleich sind. Der Anlagenbetreiber bekommt weiterhin zum Strompreis die Marktprämie vom Verteilnetzbetreiber. Letztlich bietet das ÖMM den Anlagenbetreibern einfach eine zusätzliche Option Ihren Strom zu verkaufen. Zudem eröffnet das Modell den Anlagenbetreibern die Möglichkeit, zusammen mit dem Händler vor Ort Kunden mit Ihrem Ökostrom zu beliefern, was in den bisherigen anderen Modellen nicht funktioniert.
Wieso brauchen Sie dafür eine gesetzliche Regelung? Es wäre doch denkbar, dass der Händler zertifizierte Strom aus einheimischen Photovoltaik- und Windkraftanlagen direkt vom Anlagenbetreiber abnimmt und ihm die gesamte EEG-Vergütung zahlt. Dadurch würde doch auch das EEG-Konto entlastet?
Das wäre zwar möglich. Das EEG sieht dafür das Modell der sonstigen Direktvermarktung ohne irgendeine Förderung vor. Aber dieser Weg ist wirtschaftlich nicht darstellbar und würde zu sehr hohen Kosten für die Stromkunden des Händlers führen. Denn der Strompreis für den Kunden errechnet sich ja aus dem Stromeinkaufspreis und den zusätzlichen Umlagen und Abgaben. Letztere sind – abgesehen von der Mehrwertsteuer – unabhängig von den Kosten für den Strom selbst. Nur der Stromeinkaufspreis würde sich erhöhen, den der Kunde dann zusätzlich bezahlen muss. So liegt der Marktwert von Solarstrom derzeit bei etwa 4,5 Cent pro Kilowattstunde. Wenn der Ökostromanbieter dem Anlagenbetreiber aber zehn Cent pro Kilowattstunde bezahlt – also mindestens soviel, wie der Anlagenbetreiber sonst als EEG-Vergütung erhalten würde –, muss er diesen höheren Stromeinkaufspreis an den Kunden weitergeben. Der Kunde müsste also zusätzlich zu den Abgaben einen viel höheren Stromeinkaufspreis bezahlen.
Wer entrichtet die Integrationszahlung, wenn nicht der gesamte zertifizierte Photovoltaik- und Windstrom beim Kunden verbraucht wird?
Natürlich zahlt das erst einmal der Ökostromhändler und entlastet damit das EEG-System. Bei einem Jahresabsatz von einer Terrawattstunde entstehen so bei einem optimierten Portfolio aus Wind und Photovoltaik mit einem Anteil dieser fluktuierenden Technologien von 40 Prozent am gesamten Absatz Kosten zwischen 200.000 und 400.000 Euro. In dieser Größenordnung bewegt sich also der monetäre Anreiz für den Energieversorger, in Demand-Side-Management oder perspektivisch flexible Tarife und Speicher zu investieren.
Der Ökostromhändler muss aber natürlich auch diese Kosten am Ende wieder erwirtschaften. Wie hoch die Kostenbelastung für den Händler und damit auch seine Kunden am Ende wird, hängt aber sehr davon ab, wie gut der Händler die Integrationsaufgabe bewältigen kann. Dieses Risiko trägt er erst einmal selbst und hat damit einen Anreiz sich kontinuierlich zu verbessern.
Das Gespräch führte Sven Ullrich