Siemens will erklärtermaßen wieder angreifen: Seit zwei bis drei Jahren gilt bei Ihnen die ausgesprochene Losung, wieder zehn Prozent der jährlichen Neuinstallationen im deutschen Windmarkt zu stellen. Ist die jetzt von Ihnen vorgestellte neue Anlage SWT-3.3-130 schon das richtige Instrument, um beim Start der Ausschreibungen ab 2017 erfolgreich mitspielen zu können?
Thomas Richterich: Sie sprechen zwei Themen an. Wir haben derzeit noch einen verschwindend geringen Marktanteil in Deutschland unter zwei Prozent. Wir wollen wachsen …
Kommuniziert waren zehn Prozent.
Richterich: Es macht wenig Sinn zu spekulieren wie dieser Marktanteil im Jahr 2020 oder 2030 aussehen wird. Siemens Onshore ist schon lange sehr erfolgreich und mit einer der weltweit erfolgreichsten Hersteller von Anlagen für Windparks an Land. Der Siemens-Konzern, hatte das dänische Windturbinen-Unternehmen AN Bonus übernommen, als es ein kleiner Laden mit 300 Millionen Umsatz war. Im letzten Geschäftsjahr waren es 5,5 Milliarden Euro. Wir haben in vielen wichtigen Märkten weltweit einen hohen Anteil, aber nicht in Deutschland. Das liegt an den Strukturen, die hier eben anders sind als beispielsweise in den USA. Hier ist der Markt fragmentiert mit vielen Bürgerwindparks, während in den USA große Energieversorger 30, 40 Prozent des Marktes innehaben. Es gibt zwar auch in Deutschland immer noch gute freie Standorte in Schleswig-Holstein. Aber für das Volumengeschäft mit Anlagen für die küstenferneren Standorte mit durchschnittlicher Windgeschwindigkeit von sechs bis 6,5 Meter pro Sekunde hatte Siemens bislang kein Angebot, weil wir auf andere Märkte konzentriert waren. Wir lieferten Anlagen nur für die obere Mittelwindklasse oder für Starkwind. In der Vergangenheit waren wir vertrieblich nicht optimal aufgestellt, um auch kleinere und mittlere Kundenunternehmen in Deutschland zu bedienen. Wir waren als Konzern mehr mit großen Strukturen vertraut. Nach Einführung aber der Drei-MW-Klasse mit über 100 Meter großen Rotoren …
… der Einführung ihrer D3-Direktantriebsanlagen-Serie ab 2009 …
Eine "echte" Binnenlandanlage wird noch folgen
Richterich: … haben wir gezielt Leute an Bord geholt, die schon bei Windturbinenherstellern gearbeitet haben, die den deutschen Markt kennen. Wir begannen daraufhin neue Turbinen für diesen Markt zu entwickeln. Die neue Anlage SWT3.3-130 ist hierbei ein wichtiger Schritt. Es ist eine Anlage, die im unteren Mittelwindbereich Maßstäbe setzt, aber auch im Schwachwindbereich einsetzbar ist. Wir haben in der Entwicklung aber auch gesagt, dass dieses Angebot noch ein Zwischenbereich ist – und wir in derselben Richtung noch weitergehen müssen. Wir müssen weiter mit den Anlagenmaßen spielen – ein Gesichtspunkt wird hier die Generatorleistung sein, ein anderer die Flügellänge. Aber ich kann heute noch die konkreten Projekte nennen ...
Mit dieser jetzt in Husum präsentierten 3,3-MW-Anlage mit 130-Meter-Rotor wollen sie jetzt aber zum Start der Ausschreibung sofort gut im Geschäft sein?
Richterich: Das ist jetzt keine Ausschreibungs-Windmühle – sondern einfach eine Anlage, die auf den deutschen Markt passt. Jeder kann jetzt damit planen. Aber 2016 läuft die Serienfertigung schon an. Der Prototyp steht bereits in Dänemark. Der Probebetrieb dauert sechs Monate. Ende 2015, Anfang 2016 werden wir bereits die Nullserie produzieren, innerhalb derer wir fünf bis zehn Anlagen in Deutschland installieren wollen. Denn um die Anlage im Jahr 2016 zu vermarkten, müssen alle Gutachten vorliegen – all das wird uns noch 2016 beschäftigen. Ab Mitte 2016 werden unsere Leute daran arbeiten, die Serienfertigung vorzubereiten. Ab 2017 läuft dann die Produktion. Schneller geht es nicht.
Ausschreibungen in Deutschland ab 2017: Die Zeit der Einführung drängt
Die Zeit drängt vor allem, wenn Sie wie andere Turbinenhersteller genau jetzt mit einer neuen Riesen-Binnenlandanlage mit 3,3 MW Leistung und deutlich mehr als 120 Meter Rotordurchmesser auf den Markt wollen. Das gilt vor allem, wenn Sie noch letzte Windparks beliefern wollen, deren Investoren bis Ende 2016 die Behördengenehmigung zum Windparkbau und bis Ende 2018 den Netzanschluss schaffen müssen. Wenn die Investoren diese Fristen einhalten, können Sie noch eine garantierte hohe Vergütung für jeden Windpark erzielen.
Richterich: Wir werden für Deutschland einen weiteren Prototyp mit 85-Meter-Turm in der Nähe von Husum errichten. Aber ja, klar: Wir wollen diesen Kunden ermöglichen, noch 2016 die Behördengenehmigung zu erreichen und bis 2018 den Windpark zu bauen. Dafür stellen wir jetzt schon das sogenannte Entwicklerpaket bereit: Technische Unterlagen, mit denen Windparkprojektierer bereits weitgehend planen können.
Technologische Hauptziele: viel aus wenig Wind rausholen, Flexibilität
Was ist denn das technologische Hauptziel der neuen Anlage, SWT-3.3-130? Die Senkung der Stromgestehungskosten? Eine große Leistung für den bei Ausschreibungen typischen kapitalstarken Investor bereit zu stellen? Oder ein flexibleres Einspeiseverhalten der Anlagen, um auf Anforderung der Netzbetreiber gezielter einspeisen zu können?
Richterich: Unsere SWT-3.3-130 ist zunächst so konstruiert, dass sie den maximalen Energieertrag aus niedrigen bis mittleren Windgeschwindigkeiten herausholt und damit das Siemens-Anlagenportfolio als äußerst leistungsfähige und wirtschaftliche Anlage für Binnenlandstandorte abrundet. Parallel treiben wir aber die Digitalisierung voran – und das gilt für alle unsere Anlagen. Die Entwicklung geht dahin, dass unsere Windturbinen noch flexibler steuerbar werden – beispielsweise um Anforderungen des Netzbetreibers besser erfüllen zu können. Auch ist in Zukunft denkbar, mit Windenergieanlagen Regelenergie anzubieten. Hier wird es darauf ankommen, über definierte Zeiträume garantierte Leistungen einspeisen zu können - beispielsweise 15-Minuten-Lieferungen mit zwei Stunden Vorlauf des Verkaufs. Dieses Erzeugungsmodell gibt es in Dänemark bereits. Unsere Technologie leistet aber für das Netz noch viel mehr: Wir können bei ausreichend Wind den Power Boost einschalten, und unsere D3-Anlagen über einen begrenzten Zeitraum über ihrer Nennleistung fahren, um zusätzliche Leistung einzuspeisen. Wir können aber auch Blindleistungskompensation anbieten und die Frequenzstabilität im Netz stützen– selbst wenn der Wind für eine Windstromerzeugung nicht reicht. Wir haben diese Reactive-Power-Option in Schleswig-Holstein bereits in mehreren Windparks installiert. Die Blindleistung lässt sich selbst dann erzeugen, wenn der Rotor sich nicht dreht. Wir sind also vorbereitet.
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