Die EU-Kommission begründet ihre Entscheidung damit, dass die Übernahme sich kaum auf bestehende Marktstrukturen auswirken werde, da "ZF bislang nur in sehr geringem Umfang in der Produktion von Getrieben für Windkraftanlagen tätig war", heißt es in ihrer offiziellen Pressemitteilung. Die Abnehmer von Windgetrieben hätten weiterhin genügend Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Unternehmen.
Für ZF bildet die Genehmigung einen von zwei entscheidenden Schritten, um die Übernahme der Hansen Transmissions abzuschließen. "Wir müssen jetzt die geforderte Übernahmequote von 95 Prozent an Hansen erreichen", sagt Andreas Veil, Sprecher der ZF Friedrichshafen AG. Am 5. Oktober endet die zweite Annahmefrist, zu der ZF seinen Aktienanteil auf die geforderten 95 Prozent ausbauen will. Das Unternehmen ist zuversichtlich die verbleibenden Anteile - am 19. September hielt es bereits über 87 Prozent - schnell einholen zu können, nachdem die Übernahme-Genehmigung nun erteilt wurde. Sobald dem Unternehmen nur noch fünf Prozent zum Gesamtbesitz fehlen, dürfe es die verbleibenden Minderheitsaktionäre innerhalb einer zweiwöchigen Frist ausschließen (aktienrechtlicher Squeeze-Out). "Wir sind guter Dinge, die Übernahme bis ende November zum Abschluss zu bringen", sagt Veil.
Hansens größte Aktionäre, der indische Turbinenhersteller Suzlon und das britische Investmentunternehmen Ecofin hatten das Übernahmeangebot von ZF bereits Ende Juli angenommen und ihre Anteile von knapp 40 Prozent an das Friedrichshafener Unternehmen veräußert. Den Kaufpreis für Hansen Transmissions setzte ZF auf insgesamt 444,8 Millionen britische Pfund (entspricht 516 Millionen Euro).
Eigenes Werk startet 2012
ZF hat erst 2010 mit einem Vertrag über den Bau von Getrieben für das US-Geschäft des Weltmarktführers Vestas den Zulieferermarkt der Windbranche betreten und will das Geschäftsfeld mit Hansen nun stark erweitern. „Hansen passt mit einer Fertigung in Belgien regional sehr gut in unser Vorhaben“, sagt Unternehmenssprecher Andreas Veil. Mit der Produktion in Belgien könne man den europäischen Markt gut bedienen und zudem durch bestehende Werke Hansens in China und Indien am asiatischen Geschäft teilhaben. Mit dem für 2012 geplanten Produktionsstart im ersten eigenen Werk ZFs in Gainesville, im US-Bundesstaat Florida, wäre das Unternehmen in allen drei Kernmärkten vertreten. Ende September wurde die Produktionsstätte in Gainesville eröffnet. Im nächsten Jahr will ZF dort bis zu 500 Zwei-Megawatt-Getriebe für Vestas fertigen. 2013 soll das Werk seine vollständige Produktionskapazität von 1000 Getrieben jährlich erreichen und 250 Arbeitsplätze bieten.
„Der Ausbau des Windbereichs war eine wichtige strategische Überlegung. Wir sehen zwar steigenden Konkurrenzdruck zwischen Unternehmen und auch Technologien, aber bisher hält kaum ein Getriebe die geforderten 20 Jahre. Wir wollen diese Barriere überwinden", sagt Veil. Das nötige Wissen in der Windbranche sammelt ZF mit seinem Servicebereich seit vier Jahren. Mit bald fünf Niederlassungen in Europa, Amerika und Asien zur Wartung und Reparatur von Windgetrieben hofft das Unternehmen auch auf einen Vertrauensvorschuss für den Verkauf seiner Windgetriebe.
Als Getriebezulieferer von Vestas, Gamesa, Siemens und Suzlon hatte sich Hansen laut einer Studie des dänischen Marktanalyseunternehmens BTM Consult zum zweitgrößten Getriebezulieferer der Welt entwickelt – mit Produktionskapazitäten die Anfang 2010 für 7,3 Gigawatt Windleistung ausreichen sollten. 2012 sollte diese Leistung auf 14 Gigawatt klettern und um Getriebe für den chinesischen Hersteller Sinovel erweitert werden. Im letzten Geschäftsjahr hatte Hansen Transmissions mit Umsatzrückgängen von knapp 550 auf 379 Millionen Euro zu kämpfen. Gründe hierfür sahen die Belgier laut ihrem Geschäftsbericht (Annual Report 2011) in einem um 370 Megawatt schwächeren Getriebeabsatz von knapp 4,5 Gigawatt sowie geringeren Verkaufspreisen der Getriebe von 92.000 statt ehemals 100.000 Euro pro Megawatt.
(Denny Gille)