Die Bundesregierung will die Elektromobilität voran bringen. Zumindest sieht das Ziel vor, dass im Jahr 2020 eine Million Elektroautos über deutsche Straßen rollen. Doch voran kommt das Projekt überhaupt nicht. Im vergangenen Jahr vermeldet das Bundesverkehrsamt die Zulassung von etwa 12.000 Elektroautos. Das sind knapp 0,4 Prozent der 3,2 Millionen 2015 neu zugelassenen Autos. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Jetzt werden viele Ideen diskutiert, um den Knoten zum platzen zu bringen. Lösungen greifen aber – wenn sei denn überhaupt den Weg bis zur Entscheidung schaffen – viel zu kurz.
Nur mit Ökostrom im Tank sinnvoll
Denn grundsätzlich ist Elektromobilität dann nur ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz, wenn die Fahrzeuge auch mit Ökostrom betankt werden. Fließt fossiler Braunkohlestrom in die Batterien der Fahrzeuge, ist die Wirkung für die Umwelt nur marginal und teuer erkauft. Da steht die Bundesregierung aber auf der Bremse. Auf der einen Seite will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Anschaffung eines Elektroautos mit 5.000 Euro fördern – eine Entscheidung, die noch auf sich warten lässt. Denn bisher gibt es noch keine Einigung zwischen dem Wirtschafts-, dem Umwelt- und dem Verkehrsministerium und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist davon nicht begeistert. Anders lautende Berichte dementierte das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von Erneuerbare Energie umgehend.
Auf Vollgas mit angezogener Handbremse
Auf der anderen Seite steht Gabriel aber beim Ausbau der Ökostromerzeugung kräftig auf der Bremse. Auch die Pläne für die nächste EEG-Novelle werden den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter ausbremsen. Dieser Ausbau ist aber wiederum eine Voraussetzung, dass die Elektromobilität überhaupt zum Teil der Energiewende wird. Ohne Steigerung des Ökostromanteils im Energiemix wird die Elektromobilität eher zur Belastung für die Umwelt als zur Lösung des Klimaschutzproblems. Den sinkenden Kohlendioxidausstoß im Verkehrssektor wird Gabriel dann mit steigenden Emissionen erkaufen, die aufgrund dann steigenden Stromverbrauchs entstehen – zumindest wenn die Elektromobilität in das jetzige Energiekonzept der Bundesregierung eingebaut wird. Es hilft nichts, den Markt für Elektroautos mit Vollgas hochfahren zu wollen, wenn der Wind- und Photovoltaikmarkt nicht mitziehen darf.
Einheitliche Standards für Ladesäulen
Hier bedarf es eines Gesamtkonzepts. Schon oft weisen Experten darauf hin, dass die Energiewende nicht in ihre Einzelteile aufgesplittet werden darf, sondern Strom, Wärme und Verkehr als Gesamtsystem betrachtet werden müssen. Was die Bundesregierung aber tut, ist allenfalls halbherzig. Das wird bei den Ideen, die jetzt mit der Elektromobilität durch den Raum wabern, wieder deutlich. Auch die jetzt verabschiedete Ladesäulen-Verordnung ist nicht der große Wurf. Dabei geht es darum, dass alle neu zu bauenden Ladesäulen mit einer Steckdose Typ 2 ausgerüstet werden müssen. Das ist die in Europa bisher weitgehend übliche Steckverbindung für das Laden von Elektroautos. Die Verbindung läuft über sieben Kontakte. Zwei davon sind für die Kommunikation zwischen Ladesäule und Elektroauto zuständig. Über die fünf restlichen Kontakte wird die eigentliche Ladeleistung übertragen.
Diese Vorgabe gilt für das Laden von Elektroautos aus dem Wechselstromnetz sowohl an Normalladepunkten, an denen das Auto mit einer elektrischen Leistung von maximal 22 Kilowatt aufgeladen wird, als auch für Schnellladepunkte, an denen der Strom mit einer Leistung von mehr als 22 Kilowatt in die Autobatterien gedrückt werden. Ist an der Ladesäule das Laden von Gleichstrom möglich, muss sie mit einer Kupplung des Typs Combo 2 ausgerüstet sein. Das ist ein Stecksystems des normalen Typs 2, der zusätzlich mit zwei Steckerpolen für das Laden von Gleichstrom ausgerüstet ist.
Abrechnung vereinfachen
Eine solche Verordnung kann aber nur ein erster Schritt sein, um die Elektromobilität voran zu bringen, auch wenn er schon mal in die richtige Richtung geht. Denn es ist nicht nur der höhere Preis für ein Elektroauto, sondern vor allem die allenfalls rudimentäre Infrastruktur und die Unsicherheit der Autofahrer, nicht wie bisher überall tanken zu können. Zu dieser Infrastruktur gehören aber nicht nur technische Anforderungen, sondern auch die Möglichkeiten der Bezahlung. Bisher hat jeder Ladesäulenbetreiber seinen eigenen Tarif und sein eigenes Abrechnungssystem. Der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat schon vor anderthalb Jahren damit begonnen, ein Roamingsystem für Ladesäulen aufzubauen. Dann könnte zumindest jeder Fahrer eines Elektrofahrzeugs innerhalb von Deutschland an jeder Ladesäule tanken und bekäme nur eine Rechnung. Das hängt aber immer noch davon ab, ob der Betreiber der Ladesäule dies ermöglicht. Besser wäre hier eine konkrete Vorgabe seitens der Bundesregierung, die die Teilnahme von Ladesäulenbetreiber an solchen Abrechnungssystemen vorschreibt. Das hat zumindest der Bundesrat erkannt, der der neuen Verordnung zwar zugestimmt hat, aber die Bundesregierung gleichzeitig auffordert, den nächsten Schritt zu wagen.
Die Industrie in die Pflicht nehmen
Doch um der Elektromobilität einen Schub zu verpassen, muss auch die Industrie in die Pflicht genommen werden. Deutsche Autokonzerne, die mit den alten Konzepten des Verbrennungsmotors Gewinne in Milliardenhöhe einfahren müssten einerseits stärker den Druck verspüren, innovativer auf dem Gebiet der Elektromobilität zu werden. So lange der Markt nicht die ausreichende kritische Größe erreicht hat, sollte das zumindest mit einer Absatzförderung kombiniert werden. Bisher ist in diese Richtung aber nichts zu spüren. Gerade die eigentlich innovativen deutschen Autokonzerne werden, wenn es um die Elektromobilität geht, gnadenlos von der Konkurrenz aus Asien abgehängt.
Auf der anderen Seite behält sich die deutsche Autoindustrie die Herrschaft über die Batterien in ihren Elektroautos vor. Das bidirektionale Laden findet bei VW, Daimler und BMW einfach nicht statt – ein Standard, der in japanischen Elektroautos längst Gang und Gäbe ist.
Geschäftsmodelle machen Förderung überflüssig
Dieses bidirektionale Laden – also die Möglichkeit, den Strom nicht nur in die Batterien des Autos einzuspeichern, sondern ihn auch wieder ins Netz oder ins Gebäude abzugeben – offenbart wiederum die Möglichkeit, Geschäftsmodelle jenseits des reinen elektrischen Fahrens zu entwickeln. Wenn die Speicher in den Elektroautos für die Notstromversorgung, das Kappen von Spannungs- und Erzeugungsspitzen oder die Bereitstellung von Regelleistung herangezogen werden könnten, bräuchten die Elektroautos auch keine 5.000 Euro Prämie. Zudem würde das Problem gleich mit gelöst, das für das Stromsystem aufkommt, wenn flächendeckend massenhaft Elektroautos einfach nur Strom aus dem Netz ziehen.
Das würde aber voraussetzen, dass die Bundesregierung das Thema Elektromobilität als einen Teil des Gesamtziels Energiewende begreift und entsprechend auch eine Gesamtlösung anstrebt. Sonst bleibt alles nur Flickwerk und eine Kaufprämie wird allenfalls ein Strohfeuer auslösen, aber keine Energiewende auf dem Verkehrssektor. (Sven Ullrich)