Der Bundesverband Windenergie (BWE) zeigt sich überzeugt: „Kurzfristig steht für 2018 ein Angebotspotenzial von circa 5.500 MW zur Verfügung.“ Um wirklich zu einer Gesundung des Windenergiemarkts in Deutschland beizutragen, müsse die Energiepolitik schnell zusätzliche Ausschreibungsrunden ausrufen, betonte der BWE in der zweiten Januarwoche bei der Präsentation einer Analyse zum kurzfristigen Potenzial neuer Windparks an Land.
Jeweils 2.800 Megawatt (MW) schreibt die Bundesnetzagentur gemäß den Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) pro Jahr zur Auktion aus: Windparkinvestoren beziehungsweise Windparkprojektierer können in mehreren Auktionsrunden einen Zuschlag für eine 20 Jahre lang gesicherte feste Vergütungshöhe gewinnen, wenn sie in ihren Geboten die Einspeisung des Windstroms zu den günstigsten Preisen garantiert haben. Sie müssen also ihre Mitbewerber unterbieten. Doch 2017 gewannen vor allem Bieter mit Projekten, für die noch gar keine Behördengenehmigungen vorlagen und deren Netzanschluss vielen Kritikern noch keineswegs als gesichert gilt. Die Sonderregel räumte für sogenannte Bürgerwindgesellschaften das Privileg ein, schon vor Erhalt einer behördlichen Baugenehmigung in der Ausschreibung mitzubieten - um die Genehmigung im Falle eines Zuschlags nach Ablauf einer großzügigen Frist nachzureichen. Ihren Windpark müssen sie sogar erst bis zu viereinhalb Jahre nach dem Zuschlag ans Netz anschließen. Diese Gesellschaften konnten mit den niedrigsten Preisen bieten, indem sie auf künftige noch effizientere Windturbinenmodelle setzten, die erst in zwei bis drei Jahren auf dem Markt sein werden. In den ersten zwei von drei Ausschreibungen allerdings ist diese Sonderregel für 2018 ausgesetzt. Dennoch dürften die ersten Ausschreibungsrunden bereits negative Signale für schon weit fortgeschrittene laufende Windparkprojektierungen gewöhnlicher Projektgesellschaften gesetzt haben: Laut den bislang für 2017 vorliegenden Daten der Bundesnetzagentur – die Daten für Dezember stehen hier noch aus – haben die Projektierer 2017 erst für rund 1.000 MW Windkraft neue Baugenehmigungen erhalten. Denkbar also, dass manch Projektierer in laufenden Genehmigungsverfahren angesichts der unsicheren Ausschreibungsregeln einen Gang zurückschaltete - oder auch die Projekte erst umplanen musste.
Die neue BWE-Analyse geht allerdings von einem höheren Potenzial genehmigter Windparks aus. Zur Ermittlung dieses Potenzials hatte der BWE den Branchen-Analysedienstleister Enervis Energy Advisors beauftragt. Dieser überschlug die Erzeugungskapazität der bereits genehmigten Projekte auf insgesamt rund 1.400 MW: Zusätzlich zu den rund 1.000 MW der 2017 frisch baugenehmigten Volumen stehen nämlich grundsätzlich rund 400 MW an vor 2017 genehmigten Projekten als Angebotsvolumen bereit. Hierbei handelt es sich um Vorhaben, deren Projektierer sich vor dem Start des Ausschreibungssystems freiwillig von der bisherigen allgemeinen EEG-Standardvergütung abgemeldet und zu den Ausschreibungen angemeldet hatten.
Außerdem zählt Enervis Energy Advisors das Potenzial der 2017 weit fortgeschrittenen Projekte hinzu, die im Falle eines wieder faireren Ausschreibungswettbewerbs 2018 schnell Genehmigungen erreichen lassen könnten. So hätten Anfragen bei den Genehmigungsbehörden ergeben, dass die Projektierer in Deutschland für weitere rund 4,5 Gigawatt bereits Genehmigungen beantragt haben. Enervis Energy Advisors erwartet aufgrund der eigenen Auswertungen, dass davon 826 MW noch 2017 grünes Licht durch die Behörden erreichen konnten. Für noch einmal 3.130 MW davon dürften die Genehmigungen im Jahr 2018 eingehen. 720 MW würden hingegen erst 2019 grünes Licht bekommen. Doch bei diesem Volumen von 0,7 Gigawatt (GW) als Basis der Ausschreibungen auch des kommenden Jahres bleibe es nicht, berechnet das Unternehmen. Bei einer günstigen Entwicklung der Ausschreibungsnachfrage aufgrund zusätzlich durch die Politik ausgerufener Auktionen lasse das Flächenpotenzial ausgewiesener Windkraftvorrangflächen weitere Baugenehmigungen von mehr als 2,7 GW erwarten. 375 MW aus diesem Flächenpotenzial könnten sogar noch 2018 grünes Licht erhalten, taxiert die BWE/Enervis-Studie. Onshore-Windpark-Projekte mit 2.356 MW ließen sich für die Ausschreibungen im Jahr 2019 noch rechtzeitig genehmigen.
Die zwei größten politischen Parteien im Bundestag, CDU/CSU und SPD, haben derweil nach einwöchigen Sondierungsgesprächen für eine neue große Koalition im Bundestag bereits am Freitag für 2019 und 2020 jeweils Sonder-Ausschreibungsrunden für 2.000 MW zusätzlicher Windparks an Land in Aussicht gestellt. Außerdem fordert die nordrhein-westfälische Landesregierung in einem Antrag im Bundesrat eine Extra-Ausschreibung im Jahr 2018 für 1,4 GW. Inwiefern sich die beiden Initiativen ergänzen können oder gegenseitig ausschließen, blieb zunächst unklar. Der Antrag für die Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens und das Sondierungspapier von SPD und CDU/CSU waren vergangene Woche kurz nacheinander veröffentlicht worden. Auf Basis der Auswertungen von Enervis Energy Advisors für den BWE stünde für eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen jedenfalls genügend Angebotspotenzial zur Verfügung.
Derweil sorgt sich die Berliner Beratungsgesellschaft Agora Energiewende schon um die Akzeptanz eines anhaltend starken Windenergieausbaus. Dieser dürfte 2017 ein Volumen von rund fünf GW neuer Windparks an Land erreicht haben. So schlug Agora Energiewende jetzt vor, die Gemeinden der Windparkstandorte noch mehr an den Verdiensten der Windenergiegesellschaften zu beteiligen. Denkbar seien Abgaben der Windparkgesellschaften pro Meter Nabenhöhe von 100 Euro beim Betriebsstart einer Anlage. Danach könnten zehn Euro pro Meter Nabenhöhe und Betriebsjahr fällig werden.
(Tilman Weber)