„Das vergangene Jahr war ein gutes für die Windenergie an Land“, urteilten die Branchen-Wirtschaftsverbände BWE und VDMA in ihrer gemeinsamen Presseerklärung anlässlich ihrer jährlichen Bilanz. Trotz eines rückläufigen Wachstums gemessen an der jährlich installierten Kapazität um 19 Prozent im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2014, als 4.385,9 MW hinzugekommen waren, sei der Nettozubau „auf hohem Niveau“ verblieben. Zum Vergleich: Nie haben die Projektierer von Windparks in Deutschland mehr Onshore-Leistung ans Netz gebracht wie 2014, als der Bruttozubau 4,75 GW betragen hatte – gerechnet ohne den Abzug der Kapazität, die beim Austausch alter gegen neue leistungsfähigere Anlagen abgebaut wird. Hierbei zeigt sich allerdings auch einer der größten qualitativen Unterschiede zum Jahr 2015: Während die Repowering genannten Windparkmodernisierungen 2015 um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen waren – von 783,5 auf 289 MW – blieb der Ausbau gänzlich neuer Windparks fast auf dem Niveau des Vorjahres (Grafik 1).
Im damaligen Rekordjahr des Windenergiemarktes Deutschland hatten Vorzieheffekte aufgrund der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2014 die Bautätigkeit befeuert. Insbesondere im Vorgriff auf eine neue Vergütungsabsenkungskurve sowie auf die im kommenden Jahr bevorstehende Einführung von Ausschreibungen zur Ermittlung nur noch einer begrenzten Zahl an zugelassenen Projekten waren die Zubaudaten förmlich explodiert. Aber auch aus den Installationen im vergangenen Jahr 2015 ergab sich nun noch das zweitbeste Jahr im Windmarkt Deutschland, wobei der Zubau ohne Repowering auch ungefähr auf dem Niveau des langjährigen Rekordausbaujahres 2002 lag.
Auffällig an der Bilanz der Windbranche ist, dass der Rückgang vor allem auf einige Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung des Windmarktes zurückzuführen ist.
Rückgang des Repowering
So ist das Repowering (Grafik 2) laut dem Präsidenten des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Hermann Albers, einerseits aufgrund des Wegfalls des in der EEG-Novelle vom August 2014 gestrichenen Repowering-Bonus von knapp 0,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zurückgegangen. Andererseits greift nun erstmals ein statistischer Effekt des EEG 2014: Den Repowering-Bonus hatten Anlagen erhalten, an deren Stelle die Projektierer eine Anlage irgendwo im selben oder gar nur im Nachbarlandkreis entfernten. Für die neue Statistik ohne gesetzliche Regelung durch das EEG gilt, dass Repowering nur ist, wenn eine Altanlage im selben Windpark verschwindet, in dem die neue Anlage hinzukommt.
Starke regionale Verschiebungen
Aber auch starke Verschiebungen beim regionalen Zubau beeinflussten die Jahresbilanz (Grafik 3): So ist der Zubau insbesondere in Schleswig-Holstein eingebrochen. Nach 1,3 GW im vorvergangenen Jahr zog die Branche 2015 nur noch für eine Windparkleistung von 888 MW die Rotorsterne hoch. Das waren immerhin locker 400 MW weniger als im Vorjahr. Auch in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz ist der Zubau um 200 bis sogar 260 MW um rund ein Viertel zurückgegangen. Während sich in Niedersachsen wie in Rheinland-Pfalz sowohl eine sich verschleppende Ausweisung weiterer Windkraft-Eignungsgebiete als auch wachsender Widerstand von Tier- und Landschaftsschützern gegen immer höhere Anlagen bemerkbar machen dürfte, sorgte in Schleswig-Holstein auch der Wegfall des Repowering-Bonus für eine nachlassende Bautätigkeit.
Insbesondere aber auch ein Regierungsmoratorium wird hier bald für noch mehr Probleme sorgen: Nachdem ein Gerichtsurteil die bisherigen Regionalpläne des Landes hatte nichtig werden lassen, hatte die Landesregierung in Kiel ab Juli 2015 neue Windparks nur noch mit einer vorübergehenden Moratoriumsregel zugelassen. Das habe dazu geführt, dass nur noch vier neue Windparks seit Juli eine Genehmigung erhalten hätten, sagt Nicole Knudsen vom BWE-Landesbüro Schleswig-Holstein. Dort dürfen seit dem vergangenen Sommer nur noch dann Windparks in Bau gehen, wenn die Staatskanzlei den Bauantrag in einer Vorabschätzung zulässt. Sie muss „präjudizieren“, inwiefern der Windpark gegen die wahrscheinlichen Kriterien der neu aufzustellenden Windeignungsflächen verstoßen könnten oder nicht. Damit aber wird die Staatskanzlei im sprichwörtlichen Sinne zu einem Flaschenhals – mit entsprechender Antragsstau-Wirkung: Von 200 Genehmigungen hatte die Staatskanzlei nur vier durchgewunken. Derzeit lägen in Kiel bereits 534 Anträge auf Windparkinstallationen "auf Halde“, betont Knudsen. Dies sei allerdings auch noch eine Folge der Antragsflut aus dem Jahr 2014, die bisher von den Genehmigungsbehörden noch nicht abgetragen werden konnte.
Während der Zubau auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit um 100 bis 140 MW reduzierten Installationen abflaute, nahm er ausgerechnet in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen als einzigen Wachstumsländern des Windjahres 2015 zu – sogar deutlich um 115 bis 125 MW. Beide Länder hatten Jahre lang auf ganz unterschiedlichem Niveau geschwächelt. Jetzt greifen sowohl in Baden-Württemberg als auch in NRW schon 2011 vorgenommene Reformen durch neue Windkrafterlasse und Ausbaugesetze. In Baden-Württemberg installierten die Bauteams 144 MW, in NRW sogar 422 MW, was Platz zwei noch vor Niedersachsen mit 413 MW bedeutete.
Bayern nochmals stark, Baden-Württemberg endlich auch
Gut war für die Branche offenbar auch, dass der Zubau in Bayern noch kaum zurückgegangen war: Angesichts der windkraftfeindlichen höchsten Vorgaben für die Mindestabstände neuer Windenergieprojekte zu Wohnsiedlungen und Naturschutzflächen sind in der zweiten Jahreshälfte von 2015 zwar die Genehmigungen zum Stillstand gekommen. Aber bereits vergebene Baugenehmigungen sorgten für noch einmal 372 MW neuer Windleistung nach 410 MW im Vorjahr. Aufgrund der damit anhaltenden Stärke der süddeutschen Länder mit Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nimmt deren Bedeutung für die jährliche Windernte weiter zu: auf einen Gesamtanteil am kumulierten Bestand in Deutschland von nun fast 15 Prozent (Grafik 4).
Auch die Marktanteile der verschiedenen Windturbinenhersteller verschoben sich offenbar weiter. Zwar wiesen VDMA und BWE keine Daten für die Erfolge der einzelnen Turbinenbauer aus. Doch alleine die heute vom langjährigen Viertplatzierten im Windmarkt Deutschland gemeldeten Daten bestätigen den Trend: Nordex hat seine Installationen im vergangenen Jahr in Deutschland noch einmal auf 437 MW erhöht. Nachdem das Unternehmen im Jahr 2014 noch 412 MW neu in Deutschland ans Netz gebracht hatte – bei einem Marktanteil von 8,7 Prozent – erhöhte sich der Nordex-Anteil nun auf rund zwölf Prozent beziehungsweise auf rechnerische 11,7 Prozent bezogen auf den Bruttozubau von 3.731 MW.
Weiterhin konnte Nordex mit seiner Binnenlandanlage N117 mit 2,4 MW Leistung punkten, die in Bayern sogar für einen regionalen Marktanteil von über 50 Prozent sorgte. Laut dem Vertriebsleiter des Unternehmens, Siegbert Pump, werden die eingegangenen Bestellungen für Windparks in Deutschland 2016 den Nordex-Ausbau hierzulande noch einmal erhöhen. Ende 2015 hatte das Unternehmen außerdem seinen Prototyp der neuen Binnenlandturbine N131 mit 3,3 MW Leistung in Brandenburg errichtet.
(Tilman Weber)