Jeweils drei Windparkprojekte in der Nord- und in der Ostsee haben sich bei den am 1. April beendeten Ausschreibungen durchgesetzt. So gab die Bundesnetzagentur (BNetzA) grünes Licht für die Nordsee-Vorhaben Borkum Riffgrund West 1, Kaskasi und Gode Wind 4 mit in dieser Reihenfolge 420, 325 und 131,75 MW Erzeugungskapazität. In der Ostsee gingen die Zuschläge an Baltic Eagle mit 476 MW, das der spanische Projektierer Iberdrola bisher mit 500 MW geplant hatte, sowie an ein weiteres Iberdrola-Projekt im westlichsten der fünf vom offiziellen Offshore-Netzentwicklungsplan vorgesehenen Windpark-Cluster, mit 10 MW. Der dritte Ostsee-Zuschlag fiel auf die Projektgesellschaft KNK Wind, hinter der sich das frühere Projekt Arcadis Ost verbergen dürfte.
Der durchschnittliche Zuschlagspreis betrug laut BNetzA 4,66 Cent pro kWh, nachdem die Zuschläge in der ersten Ausschreibungsrunde noch zu gerade Mal durchschnittlich 0,44 Cent Vergütungsgarantie geführt hatten.
Nur die Projektierer der drei Nordsee-Windparks, der dänische Energiekonzern Ørsted und das Essener Energieunternehmen Innogy, sowie Ostsee-Projektierer Iberdrola gaben allerdings die Größe ihrer jetzt siegreichen Projekte bekannt. Die Ausschreibungsregeln für den bislang zweiten deutschen Offshore-Windkraft-Tender sahen vor, dass die BNetzA ein Volumen von mindestens 500 und höchstens 750 MW in der Ostsee berücksichtigen wird. Offenbar schöpfte die Agentur ihren Spielraum fast vollständig aus: Während die Nordsee-Zuschläge zusammen 876,75 MW auf die Waage bringen, verbleiben unterm Strich von dem 1,6-Gigawatt-Tender genau 733,25 MW, die demnach auf die Ostsee entfielen.
Um genaue Kenntnis darüber zu erhalten, was KNK Wind noch plant, müssen Marktbeobachter und die Wettbewerber allerdings wohl nicht mehr abwarten, bis KNK Wind mehr Informationen preisgibt. Iberdrola fährt in dem westlichsten Ostsee-Windpark-Cluster seit Anfang 2018 die Erzeugung des neu installierten Windfeld Wikinger mit 350 MW hoch. Nun hat das spanische Unternehmen im selben Cluster noch die Projekte Windanker und Wikinger Süd auf seiner To-Do-Liste stehen, die für 250 und 85 MW vorgesehen waren. Offenbar hatte sich Iberdrola entschieden, zunächst für ein Zehn-MW-Rumpfvolumen von Wikinger Süd zu bieten – zumindest gaben die Spanier nun einen Zuschlag dieser Größe für Wikinger Süd bekannt. Technisch war es möglich, so bestätigt die BNetzA auf Anfrage, dass Investoren für die Bieterrunde kleinere Teilprojekte aus ihren Gesamtvorhaben ausgliederten. Die von einer Stadtwerkevermarktungsgesellschaft dominierte KNK firmiert derweil als Nachfolgegesellschaft des Projektierungskonsortiums für das einstige Windparkvorhaben Arcadis Ost mit 348 MW. Unterm Strich dürfte daraus nun ein Kernprojekt von 247,25 MW den Zuschlag bekommen haben: So viel bleiben nach Abzug der bekannten Zuschläge von den 1,61 Gigawatt Gesamtvolumen noch übrig.
Erneut setzte sich auch ein Null-Cent-Gebot durch: Für das 420-MW-Windfeld Borkum Riffgrund West 1 wird Ørsted vom Netzbetreiber keinerlei Zuschläge auf den im freien Markt erzielten Strom-Verkaufspreis erhalten. Für Gode Wind 4 hingegen fuhren die Dänen mit einer Preisgarantie von 9,83 Cent pro kWh den höchsten Zuschlagswert der zweiten Ausschreibungsrunde ein, wie Ørsted erklärte. Schon in Offshore-Ausschreibungsrunde eins hatte Ørsted je ein Projekt mit Null-Cent-Förderung und eines mit einer garantierten Vergütungshöhe durchgesetzt – nämlich zu sechs Cent pro kWh.
Die drei weiteren siegreichen Investoren in Runde zwei hielten ihre Vergütungshöhen zunächst unter Verschluss. Eine Sprecherin beim Kaskasi projektierenden Innogy erklärte: „Dazu können wir keine Auskunft geben.“ Die Offshore-Windenergieverbände vermuten hierzu allerdings, dass vor allem auch die siegreichen Ostsee-Windparks die Preise nach oben getrieben haben könnten: Möglicherweise hätten die Ostsee-Vorhaben für einen Anstieg der Vergütungspreise im Vergleich zum ersten Tender gesorgt, weil der Wettbewerb mit nur gut einem Dutzend für den Tender zugelassenen Projekten in der Ostsee geringer war als der mit einer mehr als doppelt so hohen Anzahl zugelassener Projekte in der Nordsee. Außerdem senkte die Garantie eines Mindestzuschlags von mindestens 500 MW für die Ostsee dort den Preisdruck, betonten sieben Interessenvereinigungen der deutschen Offshore-Windkraftbranche in einer gemeinsamen Erklärung – nämlich AGOW, BWE, WAB, EEHH, WEN, Windcomm und Stiftung Offshore Windenergie. Hinzu kämen noch die „komplexeren“ Standortbedingungen, heißt es darin: Die Böden in dem großen europäischen Binnenmeer verlangen von den Windkraft-Installateuren kompliziertere Gründungsarbeiten, als die gleichmäßigeren Böden der Nordsee.
Auch dass die Bautermine der jetzt bezuschlagten Projekte früher seien, als diejenigen der Projekte der ersten Ausschreibungsrunde, sei womöglich für das nun höhere Zuschlagsniveau verantwortlich. So sind die Inbetriebnahmen für die Runde-Zwei-Projekte schon 2021 und 2022 vorgesehen, während die Vorhaben aus Runde 1 erst 2024 oder gar 2025 ans Netz sollen. Die Investoren der späteren Projekte können aber dank technologischer Fortentwicklungen mit dann verfügbaren noch effizienteren Windturbinen rechnen und mit einem sich abzeichnenden Anstieg der Stromverkaufspreise auf dem freien Markt.
Die Offshore-Windparkorganisationen sähen den Trend zu immer weniger Bedarf an gesetzlich abgesicherten Vergütungsgarantien bestätigt, betonten die Interessenvereinigungen gleichwohl. Der Maschinenbauverband VDMA ergänzte dazu in einer eigenen Mitteilung: „Das Ergebnis zeigt auch, dass der Zeitpunkt der Realisierung ein wichtiger Meilenstein auf der Entwicklungskurve ist.“ Alle acht Organisationen fordern nun von der im März neu formierten Bundesregierung eine schnelle Festlegung auf zusätzliche Ausschreibungen vor dem bisher vorgesehenen nächsten Auktionstermin im Jahr 2021. Nur so lasse sich eine drohende Unterbrechung der Kostensenkungsentwicklung verhindern, betonte VDMA. AGOW, BWE, WAB, EEHH, WEN, Windcomm und Stiftung Offshore Windenergie forderten, die Regierung müsse schnell bisher noch vorhandene und kurzfristig nutzbare Netzanbindungskapazitäten von mindestens 650 MW in der Nordsee für weitere Ausschreibungen nutzen, um die eigenen Klima- und Energiewendeziele noch erfüllen zu können.
(Tilman Weber)