Deutschland ist zur Deckung der erwarteten Wasserstoffnachfrage neben der inländischen Produktion mittel- bis langfristig auf Wasserstoffimporte angewiesen. Neben dem pipelinebasierten Import von H2 aus europäischer Herstellung messen Forschungsinstitute wie das Fraunhofer Institut für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) dem Import von Derivaten über den Seeweg große Bedeutung bei. Das Projekt HySupply der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) untersucht vor diesem Hintergrund, wie die Wasserstoff-Versorgungsoptionen für Deutschland aussehen und ob eine deutsch-australische Lieferkette machbar ist.
Welcher Transportweg ist 2035 der effektivste?
Seit dem Start des Kooperationsprojekts HySupply im Jahr 2020 haben die Forschenden die Machbarkeit einer Wasserstoffbrücke zwischen Australien und Deutschland systematisch analysiert. Dazu untersuchten die Forschenden beispielsweise wie Tanker aus Australien den Wasserstoff in flüssiger Form transportieren würden und verglichen dabei den ökonomischen Nutzen und die technische Umsetzbarkeit von verschiedener Transportinfrastrukturen: Wasserstoffnetz, Produktpipeline, Binnenschiff und Schiene.
Als zeitlichen Rahmen legt die Studie das Jahr 2035 fest. Damit wurde ein Zeitraum gewählt, bis zu dem zum einen die Fertigstellung des von den Fernleitungsnetzbetreibern beantragten Wasserstoff-Kernnetzes zu erwarten ist. Zum anderen schließt dieses Datum das in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie formulierte Zielbild 2030 von einem Gesamtwasserstoffbedarf in Deutschland von 95 bis 130 Terrawattstunden (TWh) ein.
Wasserstoffimport in manchen Fällen günstiger als heimische Herstellung
Das Ergebnis zeigt: Die Versorgung über Pipelines für den Bedarf an molekularem Wasserstoff ist die kostengünstigste Variante. Kleinere Verbraucher, die voraussichtlich bis 2035 nicht ans Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden können, lassen sich per Schiff und insbesondere per Bahn beliefern. Die mit dem Zug transportierbare Wasserstoffmenge übersteigt den täglichen Bedarf von 95 Prozent der in der Studie berücksichtigten Standorte.
Die Studie zeigt jedoch auch: Der direkte Wasserstoffimport weist Kostenvorteile gegenüber der inländischen Herstellung in Kombination mit importiertem Wasserstoff auf. Das trifft auf industrielle Anwendungen zu, wie die Herstellung von Ammoniak und petrochemischen Basischemikalien, ebenso wie den Bezug synthetischer Flugturbinenkraftstoffe. Hierbei sind alle drei Verkehrsträger – Pipeline, Güterzug und Binnenschiff – relevante Versorgungsoptionen. Wobei Schiffe den größten Anteil der Energiebedarfe transportieren. Insgesamt weisen die Versorgungsketten dieser drei Transportoptionen nur geringe Kostendifferenzen auf.
„Eine australisch-deutschen Wasserstoffbrücke verspricht eine stabile und für beide Seiten vorteilhafte Handelsbeziehung zwischen zwei demokratischen Staaten. Die Arbeiten unseres gemeinsamen HySupply-Projekts bestätigen die Machbarkeit und definieren Rahmenbedingungen“, erkennt acatech Präsident Jan Wörner.
„Unternehmen benötigen Planungssicherheit für die anstehenden, teilweise immensen Investitionsentscheidungen. Die Importstrategie der Bundesregierung muss daher klar aufzeigen, von wo und in welcher Form der Importbedarf gedeckt werden soll. Nur so können mögliche Engpässe im Hochlauf der dringend notwendigen Infrastrukturen für Wasserstoff und seine Derivate frühzeitig identifiziert und konsistent angegangen werden“, kommentiert Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI die Ergebnisse der Studie.
Handlungsempfehlungen für den Wasserstofftransport
Auf Basis der Analyseergebnisse leiteten die Forschenden eine Reihe von Handlungsempfehlungen ab:
1. Der Aufbau eines Wasserstoffnetzes sollte weiterverfolgt werden, wobei Dimensionierung und Topologie laufend zu überprüfen sind und die Einbindung von Speichern bei der Planung stärker berücksichtigt werden muss.
2. Der gezielte Aus- und Neubau von Bahnstrecken ist essenziell und die Entwicklung des Bahnnetzes zum Hochleitungsnetz sollte forciert werden.
3. Die erwartete Importstrategie muss möglichst zeitnah veröffentlicht werden und richtungsweisende Entscheidungen über Import versus inländische Produktion beinhalten.
4. Importierte Wasserstoffderivate sollten zunächst stofflich genutzt werden und erst danach als Wasserstoffträger zur Dehydrierung dienen.
5. Langfristig sollten auch Produktpipelines bei der Verteilung von Wasserstoffderivaten berücksichtigt und deren Planung frühzeitig in Angriff genommen werden.
6. Beim Import kohlenstoffhaltiger Wasserstoffderivate müssen Nachhaltigkeitskriterien über den Aufbau eines internationalen Zertifizierungssystems sichergestellt werden.
7. Wasserstoff- und CO2-Infrastrukturen sollten gemeinsam und unter Berücksichtigung beidseitiger Wechselwirkungen geplant und aufgebaut werden.
Die gesamte Studie finden sie hier: Fraunhofer IEG. (fk)