MAN Energy Solutions (MAN ES) hat zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) hat Szenarien entwickelt und analysiert, wie die Produktion von grünem Wasserstoff in Norddeutschland kosteneffizient möglich ist. Auftraggeber der Studie ist der Wasserstoff Campus Salzgitter. Ziel der Analyse war es, Rahmenbedingungen für die Versorgung des Stahlstandortes in der Stadt im nördlichen Harzvorland mit grünem Wasserstoff zu untersuchen. Eine der zentralen Fragen, der die Autoren der Studie nachgegangen sind, war: Welche Rolle kann in Deutschland lokal gewonnener, grüner Wasserstoff spielen, und ist er gegenüber Importen wirtschaftlich konkurrenzfähig?
Vier Euro für Kilogramm ist möglich
Dazu haben die Autoren verschiedene Lieferketten für grünen Wasserstoff modelliert und mögliche Importrouten etwa aus Portugal, Kanada, Tunesien und Schottland identifiziert. Diese Importrouten und Herstellungsorte haben sie dann untereinander sowie mit der lokalen Wasserstoffproduktion in Salzgitter verglichen. Die Ergebnisse ihrer Berechnungen sind eindeutig. Sie zeigen, dass bei der direkten Nutzung des Wasserstoffs ohne weitere Umwandlung der Einsatz von lokal produziertem Wasserstoff ab 2030 sogar günstiger sein kann als importierter Wasserstoff. Während in Norddeutschland Kosten von rund vier Euro pro Kilogramm möglich sind, kostet jedes Kilogramm Wasserstoff 4,70 Euro, wenn es in Tunesien erzeugt und nach Salzgitter transportiert wird. Die Marge haben die Analysten in beiden Fällen schon mit eingerechnet.
Lieferweg treibt den Preis
Den Unterschied machen vor allem die Lieferwege aus. Denn klar ist, dass in Tunesien der Wasserstoff preiswerter produziert werden kann, wenn er mit Solarstrom produziert wird. Das liegt vor allem an den höheren Einstrahlungswerten in sonnenreichen Ländern. Allerdings muss er dann für den Transport nach Deutschland umgewandelt und nach der Ankunft am Zielort wieder rückverwandelt werten. Denn reiner Wasserstoff lässt sich aufgrund seiner geringen Energiedichte und hohen Flüchtigkeit über längere Strecken bislang nicht wirtschaftlich transportieren.
Umwandlung ist teuer
Es existiert zudem weder eine Tankerflotte noch Infrastruktur in den Häfen. Experten gehen daher davon aus, dass der internationale Transport zunächst über die Umwandlung in transportfähigere Medien skalieren wird. Dieser mit Kosten und Verlusten behaftete Prozessschritt treibt die Gesamtkosten über die Gestehungskosten von in Norddeutschland aus Windenergie gewonnenem Wasserstoff, der per Pipeline zum Bestimmungsort gelangt und dort unmittelbar genutzt wird.
Damit ist klar: „Bei direkter Nutzung ist das lokale Wasserstoffprodukt aufgrund der wegfallenden Kosten für Transport und Umwandlung wirtschaftlich im Vorteil“, fasst Marc Grünewald, bei MAN ES für die Geschäftsentwicklung im Bereich Strom und neue Energien verantwortlich. „Grüner Wasserstoff kann in Norddeutschland also zu attraktiven Gestehungskosten hergestellt werden und somit die Grundlage für eine deutsche Wasserstoffwirtschaft bilden.“
Synthetische Kraftstoffe brauchen mehr Wasserstoff
Doch ohne große Mengen an importierten Wasserstoff wird es nicht gehen, prognostiziert Grünewald. „Aus zwei Gründen: Erstens können wir aufgrund des begrenzten Windenergiepotentials in Deutschland nur einen Bruchteil des perspektivischen Bedarfs überhaupt aus heimischen Quellen decken. Zweitens schwindet der lokale Kostenvorteil in dem Augenblick, wo der Wasserstoff nicht direkt, sondern als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe wie Ammoniak, Methanol oder Methan eingesetzt werden soll“, begründet er seine Prognose. „Das wird in vielen Fällen so sein, etwa in der Schiff- oder Luftfahrt. Wir brauchen also neben einer heimischen Produktion auch starke internationale Partner und Importrouten aus den sonnen- und windreichen Regionen Nordafrikas, Patagoniens, Schottlands und Kanadas.“
Transport in Form von Ammoniak oder Methan
Aufgrund geringer technologischen Reife und fehlender Infrastruktur betrachtet die Studie von MAN ES und Fraunhofer IST weder verflüssigten Wasserstoff noch sogenannte Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC). „Für Kapazitäten bis mindestens 2030 werden diese Technologien noch keine Rolle spielen“, ist sich Grünewald sicher. Mithilfe der Umwandlung in Ammoniak, Methan oder Methanol könnten hingegen auch großskalige Importszenarien schon sehr zeitnah realisiert werden. „Was die Welt braucht sind grüne Wasserstoffproduktionen in industrieller Dimension – wir zeigen, dass auch Deutschland als Produktionsstandort eine Rolle spielen kann“, betont Grünewald. (su)