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Vorreiter-Rolle

Ohne Konservierungsstoffe

Auf mehr als 75 Jahre kann die Firma Edmund Merl in Brühl bei Köln zurückblicken. Das Unternehmen hat sich auf Feinkost spezialisiert, die ohne Konservierungsstoffe auskommt. Nun hat die Firma auch in Sachen umweltbewusster Energiegewinnung eine Vorreiter-Rolle übernommen: Auf dem Firmendach wurde eine solarthermische Kollektoranlage mit 568 Quadratmetern Kollektorfläche installiert, die 398 Kilowatt leistet.

Die Planung und Ausführung übernahm die Priogo AG in Zülpich, die sich auf solartechnische Anlagen spezialisiert hat. Die Anlage in Merl bedeutete für Priogo jedoch Neuland: Erstmals hat das mittelständische Unternehmen einen Betrieb der Lebensmittelbranche in Nordrhein-Westfalen ausgestattet. Die Investition, so die Vorgabe, sollte sich möglichst schnell rechnen. Hintergrund war der hohe Bedarf an Warmwasser für die Produktion und Verarbeitung der Lebensmittel. Jeden Tag benötigt die Firma Merl rund 32,2 Kubikmeter warmes Wasser.

Zwei Aufgaben waren zu lösen. Zum einen ist eine derartige Anlage mit erheb­lichem Montageaufwand verbunden, der präzise geplant werden muss. Die Lo­gis­tik der Baustelle erfordert viel Fingerspitzengefühl und natürlich Erfahrung. Der Knackpunkt in der Auslegung und Planung sind sommerliche Temperaturspitzen in den Kollektoren, die über entsprechend dimensionierte Speicher aufgefangen werden müssen. Und natürlich spielt die Finanzierung eine Rolle, denn Anlagen dieser Größenordnung unterliegen dem unternehmerischen Kalkül. Sie müssen sich betriebswirtschaftlich über die Einsparung des Brennstoffs – in diesem Falle Erdgas – rechnen.

Um es vorwegzunehmen: Die gründliche Analyse des Wärmebedarfs und der Wärmeströme im Unternehmen dauerte ein Jahr. Dann war die Planung der Anlage beendet. Die eigentliche Installation bis zur Inbetriebnahme im April dieses Jahres dauerte nur vier Wochen.

Das thermische Herz


Die solarthermische Anlage in Brühl speist die Sonnenwärme nicht in die Heizung ein, sondern nutzt sie ausschließlich für Warmwasser. Dadurch werden die Gaskessel entlastet, sie können während der Sommermonate nahe­zu ausgeschaltet bleiben. Die Kollekto­ren schaffen es, das warme Wasser für die Produktion auf 60 Grad Celsius zu erhitzen. Zehn Wärmespeicher á 3000 Liter puffern die Solaranlage und erlauben es den Kesseln, ihre Wärme einzuspeisen. Insgesamt stehen 30.000 Liter Speichervolumen bereit.

Die Flachkollektoren liefern an heißen Tagen bis zu 120 Grad Celsius. Sie stammen von der dänischen Firma Arcon. Der Kollektor Arcon HT wurde speziell für solarthermische Großanlagen entwickelt. Er ist fast sechs Meter lang, 2,27 Meter breit und nur 14 Zentimeter hoch. Er trägt eine Antireflexbeschichtung von SunArc und wird durch gehärtetes Spezialglas mit niedrigem Eisengehalt abgedeckt. Er ist besonders gut gegen Wärmeverluste gedämmt, um die Effizienz zu erhöhen.

In jedem Kollektor zirkulieren 8,5 Liter Flüssigkeit, der maximale Arbeitsdruck liegt bei sechs Bar. Insgesamt wurden 42 dieser Ungetüme mit einem Kran auf das Dach gebracht, verankert und hydraulisch angeschlossen. Um die Energiegewinnung zu optimieren, wurden sie in einem Winkel von 30 Grad aufgeständert. Die Montage der Kollektoren war gut geplant – sie dauerte zwei Tage. Dazu war es nicht erforderlich, die bestehende Wärmeversorgung der Fabrik zu unterbrechen. Sofort nach der Inbetriebnahme lieferten die Kollektoren Solarwärme. Eine spezielle Aufheizphase des Speichers war nicht geplant. Damit die Wärme abgenommen wird und nicht zur Überhitzung der Kollektoren führt, sind  die Speicher bewusst großzügig dimensioniert worden. Fangen die Kollektoren erst an zu „kochen“, sind Materialschäden oft die Folge. Deshalb ist die so genannte Stag­nation – der Hitzestau in den Kollektoren – unbedingt zu vermeiden.

Zehn Speicher vom Typ Sonnenkraft PS 3000 bilden das thermische Herz der Anlage. Sie bringen die Wärme für die beiden Frischwasserstationen Sonnenkraft FWM 225 auf. Erst wenn die Kraft der Sonne im Herbst nicht mehr ausreicht, schaltet sich der Heizkessel zu. Leistungsstarke Ladepumpen mit elektronischer Regelung fördern die Solarwärme in den Speicher. Die schichtweise Beladung der Speicher erlaubt es, auch niedrigere Temperaturen einzufahren. Dadurch wird der Systemwirkungsgrad optimiert. Eine so genannte Bypassleitung im Solarkreis ermöglicht den Frostschutz im Winter. Das Schichtlademodul beinhaltet im Sekundärkreis auch einen Wärmemengenzähler. Integriert ist auch ein Temperaturfühler, so dass man die Anlage über die Haustechnik überwachen kann.

Keine Bevorratung


Dabei fungieren die Speicher nur als thermische Puffer. Sie dienen nicht der Bevorratung von warmem Trinkwasser. Wird warmes Wasser benötigt, schalten sich Frischwasserstationen ein, die vom Puffer mit Wärme versorgt werden. Die beiden Stationen schütten maximal 225 Liter je Minute aus. Ihre Wärmetauscher stellen im Warmwasserkreis der Fabrik rund 50 bis 60 Grad Celsius bereit. Weil warmes Trinkwasser nicht bevorratet wird, genügen 60 Grad Celsius als Bereitstellungstemperatur. Alle hygienischen Probleme der Bevorratung (Legionellen) entfallen. Ein weiterer Vorteil: Die Firma muss den Speicher nicht regelmäßig auf höhere Temperaturen bringen, um die Keime abzutöten, sondern nur Wasservolumen, das im Rohrnetz stagniert.

Frischwassertechnik ist deshalb unverzichtbar, wenn man die Energie möglichst maßgeschneidert einsetzen will. Wollte man 30.000 Liter Speichervolumen zweimal am Tag auf über 65 Grad Celsius erhitzen, um hygienisch einwandfreies Trinkwasser zu erzeugen, wären der Sinn und die Effizienz der Solaranlage in Frage gestellt.
Dank der Kombination auf Solarkollektoren, Speicherkaskaden und Frischwassertechnik erreicht die Solaranlage der Firma Merl einen solaren Deckungsgrad von immerhin 40 Prozent.

Außerdem erlauben es die Frischwassermodule, die Warmwassertemperatur zu regeln und Verkalkungsschutz zu integ­rieren. Auch das wird bei der Energieeffizienz oft vergessen: Verkalkte Leitungen und Speicher erhöhen den Energieaufwand erheblich. Jeder Millimeter Kalk erfordert zwischen sechs und zehn Prozent mehr Energie. Deshalb ist der Schutz vor Verkalkung unbedingt er­forderlich, wenn die Anlage dauerhaft effizient arbeiten soll.

Die Frischwassermodule erlauben auch sehr kurze Reaktionszeiten, ohne die vorher eingestellte Zapftemperatur zu über- oder unterschreiten. Die Zirkulation im Wasserkreislauf steuert eine drehzahlgeregelte Zirkulationspumpe mit elektronischer Ansteuerung.

Die installierte Kollektorleistung von 398 Kilowatt ergibt rechnerisch – ermittelt mit den regionalen Werten für Brühl – rund 646 Megawattstunden Energieeinstrahlung im Jahr. Je Quadratmeter Kollektorfläche sind es 1137 Kilowattstunden. Rechnet man die optischen und thermischen Verluste an den Kollektoren und dem Kollektorkreis mit ein, werden im Jahr rund 280 Megawattstunden gespeichert. Das sind 530 Kilowattstunden pro Quadratmeter Kollektorfläche. Insgesamt benötigt die Trinkwassererwärmung bei Merl rund 682 Megawattstunden im Jahr. Rechnet man die Solarerträge und die Verluste der Bereitstellungstechnik (Speicher, Rohre) dagegen, muss die Gasheizzentrale (900 Kilowatt Leistung) nur noch 419 Megawattstunden Wärme aufbringen. Der Gasverbrauch der Firma Merl sinkt im Jahr um rund 48.867 Kubikmeter. Mehr als 103 Tonnen Kohlendioxid werden jährlich vermieden. Die Investition beläuft sich auf 297.000 Euro brutto. Davon steuerte das Land NRW 90.000 Euro aus seinem Förderprogramm Progress bei. Abzüglich der Mehrwertsteuer von 19 Prozent betrug die Nettoinvestition für das Unternehmen 159.579 Euro. Rechnet man mit einem Gaspreis von sieben Cent je Kilowattstunde, hat sich die Kollektoranlage nach weniger als neun Jahren amortisiert.