Kommen Windenergieanlagen (WEA) ins Schwingen, können einzelne Frequenzen im Grundrauschen der Anlage hörbar werden. Solche Tonhaltigkeiten sind für das menschliche Empfinden besonders unangenehm. Daher drohen Zuschläge bei der Bewertung der Schallemissionen und leistungsreduzierter Betrieb.
Von Tonhaltigkeiten spricht man, wenn innerhalb eines Geräuschs einzelne Frequenzen als Töne zu hören sind. Weil tonale Geräuschanteile für das menschliche Ohr sehr unangenehm sind, werden sie nach DIN 45681 mit Zuschlägen bei der Bewertung der Schallemission nach IEC 61400-11 belegt. Diese können bis zu +6 dB auf den Gesamt-Schallleistungspegel der Windenergieanlage betragen. Genehmigungsgrenzwerte für die Schallemission oder die dem Anlagenbetreiber vertraglich zugesicherten Geräuschwerte können damit überschritten werden.
Tonhaltigkeiten entstehen bei getriebelosen WEA durch harmonisch variierende Kräfte des Magnetfelds im Generator. Bei Anlagen mit Getriebe sind die periodischen Verzahnungskräfte der Getriebestufen mit den jeweiligen Zahneingriffsfrequenzen ursächlich. Die Getriebeschwingungen werden in der Windenergieanlage dann weitergeleitet und können dabei durch Bauteilresonanzen noch weiter verstärkt werden. Die großen Oberflächen von Turm oder Rotorblatt führen dann zur Emission dieser tonalen Frequenzen und verursachen den hörbaren Schall.
Im Fallbeispiel (Grafik 1) führten die erhöhten Schwingungen eines Getriebes zu tonalen Abstrahlungen über den Turm in einem breiten Betriebsbereich (zwischen 40 und 90 Prozent der Nenndrehzahl). Aufgrund der Tonhaltigkeiten von bis zu +11 dB und einem dadurch bedingten Tonzuschlag von +5 dB musste die Windenergieanlage im schallreduzierten Betrieb gefahren werden, was zu großen Ertragsverlusten führte.
Herstellerübergreifend treten Tonhaltigkeiten bei bestimmten WEA-Baureihen auf, bei denen eine besonders ausgeprägte Betriebsschwingungsform des Getriebes zu einer starken Anregung der tragenden Struktur und damit des Turms führt. Anfällig sind auch Anlagen mit einer besonders hohen Leistung, bei denen das hohe Drehmoment bei Nennleistung zu besonders starken Torsionsschwingungen in der Nabe führt, die dann über die Blätter abstrahlen.
Erfahrungsgemäß kommt es bei circa 10 bis 20 Prozent dieser Windenergieanlagen zu Beschwerden durch die Anwohner. Bei allen anderen Windenergieanlagen dieser Baureihen treten üblicherweise ebenfalls Tonhaltigkeiten auf, sie sind aber beispielsweise aufgrund ihres Standorts nicht im Fokus von Beschwerden.
Hohe Ertragsverluste
Im schallreduzierten Betrieb können besonders auffällige Drehzahlbereiche umgangen werden. Insbesondere im Betrieb unterhalb der Nenndrehzahl ergeben sich daraus allerdings erhebliche Ertragsverluste. Eine beispielhafte Leistungsreduktion von 50 Prozent führt bei einer angenommenen Vergütung von 8 Cent/kWh und 2.500 Volllaststunden einer Drei-MW-Anlage zu einem Ertragsverlust von 300.000 Euro pro Jahr.
Tonhaltigkeiten an der Quelle verhindern
Passive Maßnahmen zur Unterdrückung der Tonhaltigkeiten haben sich oftmals nicht bewährt. So können konstruktive Eingriffe wie die schwingungsisolierte Getriebelagerung die Schwingungen nicht hinreichend und in alle Schwingrichtungen gleichwertig unterdrücken. Eine weitere Möglichkeit sind passive Tilger. Diese werden auf eine bestimmte Frequenz ausgelegt und sind somit außerhalb dieser Abstimmungsfrequenz ohne Wirkung. Da die Tonhaltigkeiten jedoch üblicherweise drehzahlvariabel und in einem oder mehreren größeren Drehzahlbereichen auftreten, sind passive Tilger nur in wenigen Fällen wirkungsvoll. Zudem wird üblicherweise eine hohe Tilgermasse und damit großer Bauraum benötigt.
Als dritte Alternative haben sich aktive Tilger (siehe Grafik 3) etabliert, die aus einem elektronisch geregelten Feder-Masse-System bestehen. Sie erfassen mit Sensoren die Betriebsschwingung und erzeugen über den Regler eine Gegenkraft. Diese Kraft hat die gleiche Frequenz und Amplitude wie die Erregerschwingung, wird aber gegenphasig (negatives Vorzeichen) aufgebracht und wirkt so der störenden Betriebsschwingung der jeweiligen WEA-Komponente wie etwa dem Getriebe entgegen. Dadurch wird die Erregung direkt an der Quelle kompensiert und die Tonhaltigkeit unterdrückt. Da ein aktiver Tilger drehzahlvariabel arbeitet, wird der gesamte Drehzahlbereich abgedeckt. Weil die benötigte Masse geringer ist als beim passiven System, ist auch der benötigte Bauraum deutlich geringer. Ein weiterer Vorteil des aktiven Systems: Nicht nur die grundharmonische Erregerfrequenz kann gedämpft werden, sondern durch Umschalten des Reglers auch höherharmonische Frequenzanteile – ohne Tausch der Hardware.
Tilger können, wenn das Problem auftritt, als modulares Retrofit-Paket nachträglich in die Anlagen eingebaut werden. Je nach Störungsbild werden in einer Anlage üblicherweise zwei bis drei – im Einzelfall auch mehr – Tilger verbaut, die für die nötige Gegenschwingung sorgen. Die Firma Wölfel hat europaweit rund 1.000 aktive Tilger herstellerübergreifend in Windenergieanlagen installiert, die gemeinsam auf über 25 Millionen Betriebsstunden kommen. In dieser Zeit war ein tonzuschlagsfreier Betrieb ohne Leistungsreduktion möglich.
Die Systeme amortisieren sich üblicherweise in sehr kurzer Zeit. Gleichzeitig kann dem Schallschutz der Anwohner durch Einhaltung der Grenzwerte Genüge getan und die Akzeptanz der Windparks erheblich gesteigert werden.
Autoren: Manuel Eckstein, Jürgen Engelhardt, Firma Wölfel
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