Der Oldenburger Energieversorger und Netzbetreiber EWE will sogenannte Salzkavernen in Niedersachsen nutzen, um dort eine riesige Redox-Flow-Batterie unterzubringen. Diese Salzkavernen sind Hohlräume in den mächtigen Salzschichten, die dort unter der Erde lagern. In solchen Kavernen wird bisher Erdöl und Erdgas als strategische Reserve gespeichert. Die Kavernen werden angelegt, indem über ein Bohrloch von der Oberfläche Wasser eingeleitet und ein Teil des Steinsalzes ausgewaschen wird. Das ist relativ preiswert. Die dabei entstehenden Räume können mehrere Hundert Meter Hoch und bis zu 60 Meter breit sein.
In Zukunft sollen diese Hohlräume auch als Speicher für nicht gleich genutzten Ökostrom dienen. Bisher wurde aber nur die Nutzung als Druckluftspeicher oder als Lagerraum für elektrolytisch mit überschüssigen Ökostrom erzeugten Wasserstoff betrachtet. Denn sie sind weitgehend dicht und bieten so die perfekten Voraussetzungen für eine solche Anlage. Doch diese Art der Speicherung ist Aufwändig und braucht vor allem am Ende wieder einen Generator, mit dem die vorher gespeicherte mechanische oder chemische Energie wieder in Strom umgewandelt wird.
Polymere schwimmen im Salzwasser
Die Entwicklung einer Salzwasserbatterie durch Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat die Oldenburger darauf gebraucht, den Strom nicht mehr vorher in mechanische oder chemische Energie umzuwandeln, sondern gleich elektrochemisch zu speichern. Denn die Forscher aus Thüringen haben das bisherige Konzept der mit Salzwasser betriebenen Redox-Flow-Batterie weiterentwickelt.
Denn nutzen die bisher am Markt befindlichen Konzepte immer noch Lithium und Graphit als Anoden- und Kathodenmaterial, setzen die Jenaer Forscher hier auf in Salzwasser gelöste Polymere. Diese ähneln grundlegend dem Aufbau von Plexiglas und Styropor, die jeweils um funktionale Einheiten ergänzt sind, so dass sie Elektronen aufnehmen oder abgeben können. „Das Neuartige an unserem Batteriesystem ist, dass es deutlich günstiger hergestellt werden kann, aber dennoch fast die Kapazität und Leistung herkömmlicher, metall- und säurehaltiger Systeme erreicht“, sagt Martin Hager, der zusammen mit Ulrich S. Schubert und Tobias Janoschka das Prinzip der neuen Batterie entwickelt hat.
Preiswerte Membrane einsetzen
Dazu kommt noch, dass die Kunststoffpartikel in einer wässrigen Natriumchlorid-Lösung schwimmen. Natriumchlorid ist wiederum der Hauptbestandteil von Steinsalz, also dem Material, aus denen die Salzschichten bestehen. Damit kann man solche Salzkavernen direkt für den Bau einer solchen Redox-Flow-Batterie nutzen. Die Leitung der beiden Elektrolytflüssigkeiten könnten dann direkt durch das ohnehin vorhandene Bohrloch geführt werden, was den Preis für diesen Speicher drastisch senkt.
Auch die Technologie selbst drückt den Preis. Denn zum einen kommen nicht mehr – wie in den Vanadium-Redox-Flow-Speichern – teure und dazu auch noch umweltschädliche – Schwermetalle für das Elektrolyt zum Einsatz. Zum anderen sind diese Schwermetalle auch nicht in aggressiven Medien wie Schwefelsäure gelöst. Die Schwefelsäure bedingt, dass im Stack der Redoxflow-Batterie, wo der Austausch der Elektronen stattfindet, spezielle und teure Separatoren eingebaut werden müssen. Die Salzwasserbatterien kommen hingegen mit preiswerten Cellulose- oder Vliesmembranen aus.
Nur für Großanwendungen geeignet
Bisher existiert die Technologie aber nur als Prototyp. Die Behälter für das Elektrolyt haben etwa die Größe einer Regentonne. Da ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um die angestrebte Größe einer solchen Salzkaverne zu erreichen. Immerhin erreichen diese Prototypen bis zu 10.000 Ladezyklen ohne entscheidend an Kapazität zu verlieren. Jedoch ist die Energiedichte des Systems mit zehn Wattstunden pro Liter noch extrem gering. Immerhin arbeiten die Jenaer Forscher schon an einer größeren und leistungsfähigeren Lösung.
Doch für den mobilen Einsatz ist die Batterie ohnehin nicht gedacht und in den Salzkavernen ist viel Platz, so dass die Energiedichte nicht die entscheidende Rolle spielt. Die Strommenge, die ein Speicher dieser Art beinhaltet, – der aus zwei mittelgroßen Kavernen besteht – ist ausreichend, um eine Millionenmetropole wie Berlin für eine Stunde mit Strom zu versorgen“, rechnet Peter Schmidt, Geschäftsführer von EWE Gasspeicher. Die hundertprozentige Tochter des Oldenburger Versorgers ist für das gesamte Projekt verantwortlich, da sie ohnehin schon acht solcher Salzkavernen betreibt, um Erdgas zu speichern.
Bis 2023 soll das Batteriekraftwerk stehen
Der erste Schritt sieht aber noch relativ bescheiden aus. Denn die Oldenburger werden zunächst einmal groß dimensionierte Kunststoffbehälter nutzen, in die die Elektrolyte gefüllt und die über einen Stack miteinander zu einer Batterie verbunden werden. Diese Behälter stellt EWE noch bis zum Ende dieses Jahres auf dem Gasspeichergelände im ostfriesischen Jemgum auf, um die Technologie im großen Stil zu testen. „Wir haben noch einige Tests durchzuführen und etliche Fragen zu klären, bis wir das aufgezeigte Speicherprinzip gemäß der Universität Jena in unterirdischen Kavernen anwenden können“, begründet Ralf Riekenburg, bei EWE für das gesamte Projekt verantwortlich, den kleinen Umweg. „Ich gehe aber davon aus, dass wir etwa Ende des Jahres 2023 eine Kavernenbatterie in Betrieb haben können.“
Wenn alles funktioniert, könne dies den Speichermarkt beziehungsweise den Markt für Regelenergie grundlegend verändern, ist sich sein Geschäftsführer Peter Schmidt sicher. Denn dieser Speicher kann dann nicht nur kurzfristige Netzschwankungen ausregeln, sondern auch über einen längeren Zeitraum Strom liefern, wenn die Energie aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen nicht ausreicht. Immerhin haben es die Forscher schon mal auf eine Stromdichte von 100 Milliampere pro Quadratzentimeter geschafft, was ausreicht, um auch schnell genug Strom aus- und einspeichern zu können, was vor allem für die Bereitstellung von Regelenergie notwendig ist. Solche Speicher können aber in den geplanten Dimensionen auch die Netzprobleme lösen, mit denen die Regionen zu kämpfen haben, in denen derzeit viele große Solar- und Windkraftwerken stehen. Zudem ist diese Lösung als Großspeicher potenziell im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkukraftwerken sehr preiswert. (Sven Ullrich)