Wann immer die Politik über neue Kürzungen bei den erneuerbaren Energien nachdenkt – also immer wenn eine EEG-Reform ansteht – reagiert die jeweilige Regenerativsparte mit extremer Verunsicherung. Es folgt mal mehr, mal weniger massives Lobbying, das nicht selten Schlimmstes verhindert. Am Ende gibt es so etwas wie einen Kompromiss. À la Klaus Störtebecker sind so viele wie möglich von der Mannschaft vor dem Tod gerettet worden. Die Überlebenden zeigen sich dann oft so, wie die Bundesregierung es sich wünscht: Sie sind dankbar für den Kompromiss, schauen nach vorn, nehmen die neue Herausforderung an, wollen sie mit neuen Ideen und Innovationen meistern.
Das Neuanlagengeschäft ist tot
Horst Seide, Präsident des Fachverbands Biogas, ist so einer. Er beklagt sich selten. Dabei hat es die Branche im August bei der EEG-Reform so stark erwischt, dass die Installationszahlen 2014 auf 40 Megawatt (MW) eingebrochen sind. 2011 waren es mal mehr als 600 MW. Der Ausbaupfad der Bundesregierung wird nun weit verfehlt. Aber, so verwies er gestern während seiner Eröffnungsrede zur Jahrestagung des Fachverbands in Bremen, die Branche mache allein über den Bestand auch weiterhin Jahr für Jahr 7,5 Milliarden Euro Umsatz.
Am selben Tag erklärte aber die Interessengemeinschaft Bestandsschutz zusammen mit dem Nachhaltige Energien e.V. in einer Pressekonferenz, man bereite nun erste Klagen für den Vertrauensschutz der Biogas-Anlagenbetreiber vor. Damit wird deutlich, dass nicht alle Betreiber sich mit den verschlechterten Bedingungen arrangiert haben. Vor allem die nicht, die mit ihren Bestandsanlagen unter Verschlechterungen leiden; die also unter anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen für 20 Jahre geplant hatten.
Kampfansage gegen Eingriff in Bestandsschutz
Eine positive Grundeinstellung ist sicherlich richtig. Und tatsächlich wäre es toll, wenn die neuen Bedingungen sogar Innovationen anstoßen würden. Aber fest steht: Die über 100 Biogasbauern, die nun beim Bundesverfassungsgericht klagen wollen, machen das nicht zum Spaß. Vielmehr verteidigen sie das, was bis zum EEG 2014 unangetastet blieb: Den Bestandsschutz. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar. Da sind einmal die Anlagenbetreiber, die tatsächlich mit Verschlechterungen bei den Erträgen aus ihren bestehenden Anlagen rechnen müssen. Und da ist zum anderen einfach auch die Notwendigkeit, hier ein Zeichen zu setzen. Die Klage könne sich möglicherweise über bis zu zwei Jahre hinziehen, so die Kläger. Bis zur nächsten EEG-Novelle sollte sie aber Klarheit in diese Frage bringen. Das ist wichtig, um weiteren Eingriffen in den Bestandsschutz vorzubeugen. Und deshalb ist es gut und richtig, dass der Verein Nachhaltige Energien gestern diese Kampfansage auf den Weg gebracht hat.
Höchstbemessungsleistung und Landschaftspflegebonus
Was genau wird geklagt? Es geht um zwei Punkt im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz: Zum einen ist es die sogenannte Höchstbemessungsleistung und zum anderen der Landschaftspflegebonus. Letzterer sieht nach neuer Definition nur noch Landschaftspflegegras vor. Doch darauf war kein Landwirt vorbereitet worden. Man ist davon ausgegangen, dass die bisherige Regelung über 2012 hinaus Bestand hat. Nun fehlt vielen an dieser Stelle ein Teil des Ertrags.
Wirtschaftlich gravierender ist die Höchstbemessungsleistung, die im Gesetz definiert wird als die höchste tatsächliche Leistung einer Anlage in einem Kalenderjahr seit deren Inbetriebnahme und vor dem 1. Januar 2014, mindestens aber 95 Prozent der installierten Leistung am 31. Juli 2014. Derjenige, dessen Anlage in der Vergangenheit schlecht gelaufen ist, bekommt damit wenigstens noch 95 Prozent der EEG-Vergütung. Gerade Anlagen, die erst ein Jahr vor der Regelung ans Netz gegangen sind, liegen oft unter den 95 Prozent, weil sie noch nicht optimal eingestellt sind. Im zweiten oder dritten Jahr ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass die Anlagen im Bereich deutlich über 95 Prozent liegt. Die Betreiber junger Anlagen bekommen nun also meist nur die 95 Prozent, was wiederum die Wirtschaftlichkeit dieser Bestandanlagen gefährdet. Und noch ein trauriger Nebeneffekt: Niemand wird mehr in Effizienzmaßnahmen investieren, weil es ohnehin nur die 95 Prozent gibt. Innovationen werden somit ausgebremst. Unterm Strich handelt es sich also um völlig sinnlose Veränderungen in der EEG-Novelle.
Man kann nur hoffen, dass der Bundesgerichtshof sich den Argumenten der Branche gegenüber offen zeigt. Es ist einfach nicht einzusehen, dass man Eingriffe dieser Art hinnimmt – nur weil man im Vorfeld der EEG-Novelle bereits einige besonders krasse Verschlechterungen abwenden konnte. Hier darf die Branche ruhig das Selbstbewusstsein haben und sagen: Wir nehmen das nicht hin. Schließlich geht es um die Energiewende, die sich auch die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat. In dem Zusammenhang ist es übrigens auch nicht akzeptabel, dass das Neuanlagengeschäft komplett ausgebremst wurde. (Nicole Weinhold)