Gerade hat Greenpeace eine Studie zur Gefahr eines Drohnenangriffs auf ungeschützte, veraltete französische Atomreaktoren erstellt. Zur Erklärung: Der französische Energiekonzern Électricité de France (EdF) hat bekannt gegeben, dass seit dem 5. Oktober 2014 Drohnen über verschiedenen Atomanlagen in Frankreich beobachtet worden sein. Bis zum 20. November wurden 31 Überflüge über 15 Atomkraftwerken, drei Anlagen zur Kernbrennstoffverarbeitung und einem Atomforschungszentrum beobachtet. Die Greenpeace-Studie hat die Gefahr eines Terroranschlags auf ein solches AKW untersucht und kommt zu dem Schluss, dass nicht nur die Drohnenüberflüge selbst, sondern auch die Unfähigkeiten der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung und Verhinderung dieser Aktionen Anlass zur Besorgnis gibt. Meist werde die Gefahr von Terrorangriffen auf Atomkraftwerke bewusst heruntergespielt, so die Autoren der Studie. Es werde behauptet, die Atomkraftwerke seien ausreichend gesichert, allerdings dürften aus Geheimhaltungsgründen keine Details bekannt gegeben werden. Dies sei aber durch die Drohnenüberflüge bereits widerlegt: Betreiber und Behörden scheinen machtlos, den Überflügen ein Ende zu bereiten.
Neben der Angst vor terroristischen Anschlägen gibt es die berechtigte Sorge vor Unfällen. Das Atomkraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze ist immer wieder wegen technischer Pannen in den Schlagzeilen. Das 1977 gestartete Kraftwerk ist einer von 19 Standorten mit 58 Atomreaktoren und zudem das älteste Atomkraftwerk in Frankreich. Fessenheim soll bis Ende 2016 vom Netz gehen. Anwohner auf deutscher und französischer Seite demonstrieren seit Jahren gegen das AKW. Für die deutschen Anwohner ist es umso schlimmer, als dass sich hier buchstäblich die Grenzen ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit auftun. Denn für Deutschland ist ja der Atomausstieg - auch im Sinne der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung - beschlossene Sache. Das gilt nicht für Nachbarstaaten. Die Folgen einer Atomkatastrophe machen jedoch nicht an der Staatsgrenze Halt. Frankreich will seine Atomkraft immerhin von derzeit 75 auf 50 Prozent bis 2025 reduzieren. Unsere Nachbarn im Osten denken da ganz anders. Polen hat die Liebe zur Atomkraft gerade erst entdeckt.
Polen setzt auf Atomkraft
200 Kilometer östlich von Berlin will Polen nun ein AKW bauen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in der Landeshauptstadt informiert derzeit über das polnische AKW-Programm. Nach Aussage der polnischen Regierung sei das Risiko akzeptabel. Die europäische Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme schreibt zwar die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit über Ländergrenzen hinweg vor. Doch tatsächlich haben die die Nachbarn auch hier nicht wirklich Mitspracherecht. Die Berliner Landesregierung hatte Polen schon 2011 wissen lassen, dass die Bevölkerung die Atomkraft ablehnt. Doch das Schreiben blieb wirkungslos. Der erste Reaktor soll bis 2024 in der Nähe von Danzig entstehen.
Wie schon im Streit um die französischen Reaktoren in Fessenheim und Cattenom stößt die politische Diplomatie hier an ihre Grenzen. Die Gefahr ist dagegen grenzenlos. Es kann und darf nicht sein, dass innerhalb des europäischen Verbunds ein Staat unter der Entscheidung eines anderen in der Weise leiden muss. Das Mindeste wäre hier doch der größtmögliche Abstand zur deutschen Grenze bei der Planung neuer Meiler. Noch besser wäres es allerdings, wenn Polen nach dem Verbissenen Klimakampf um die heimische Kohle nicht den nächsten Fehler macht und auf Atomkraft setzt - sondern den erneuerbaren Energien eine reelle Chance gibt. (Nicole Weinhold)