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Keine teuren Abenteuer mit Technologien von gestern

Wahlkämpfer streiten derzeit viel über die Ästhetik von Windrädern und wenig über die energiepolitische Agenda einer nächsten Regierung. Doch der Zielpfad für Deutschland ist klar: Bis 2035 soll das Stromsystem klimaneutral und damit im überragenden Maße erneuerbar sein. Das vergangene Jahr hat auch gezeigt, welche Herausforderungen im Hinblick auf Flexibilität auf ein Energiesystem mit Erneuerbaren zukommen. Doch das ist kein Grund, einen hoffnungsvollen Blick in die Vergangenheit zu werfen und gestrige Lösungen hervorzuholen.

Den Ausbau der Erneuerbaren weiter zu forcieren, ohne gleichzeitig auf Energiespeicher zu setzen, ist undenkbar. Flexibilität durch Energiespeicher ist die ökonomische und ökologische Antwort auf Dunkelflauten und Hellbrisen. Mit der steigenden Zahl negativer Preise im Spotmarkt steigt zudem die Bedeutung von Speichern für Erneuerbare.

Speicher spielen im Markt eine wesentliche Rolle, um den Wert von erneuerbarem Strom zu erhalten. Indem sie die hohe Last in Zeiten niedriger Preise aufnehmen, tragen sie zu einer Stabilisierung der Preise bei und stützen den Ausbau der Erneuerbaren. Dieser Effekt kommt über das EEG-Konto den Bürgern direkt zugute.

Auch die Energieinfrastruktur wird durch Speicher gestützt. Sie durchläuft derzeit einen weitreichenden strukturellen Veränderungsprozess. Systemdienstleistungen können und werden nach und nach auf Speicher übertragen. Dank diesen ist schon heute im Primärregelmarkt eine deutliche Kostensenkung zu verzeichnen. Um diese positiven Effekte auszubauen, wird ein Speicherzubau im dreistelligen Gigawattbereich notwendig sein.

In den Medien wird dagegen oft ein anderes Bild gezeigt. Deutschland drohe ein „Batterie­tsunami“, der die Energieinfrastruktur überrollt. Dieses Framing soll wohl für Verunsicherung sorgen, ist aber nur eine Tatsachenverdrehung. Für ein effizientes und kostengünstiges Energiesystem wäre es enorm hilfreich, möglichst schnell viele Speicher ans Netz zu bringen. Doch in der Realität sind wir weit davon weg. Genehmigungssituation und die Intransparenz bezüglich verfügbarer Anschlusskapazitäten führen zu einer Anhäufung von Netzanschlussanfragen. Die Projekte können, wenn überhaupt, nur über einen langen Zeitraum realisiert werden.

Kosten durch unpassende Regularien

Wahrscheinlicher ist es, dass nur ein Bruchteil davon tatsächlich realisiert wird. Am Ende wird der Speicherzubau genau der Kurve folgen, die auch im Netzentwicklungsplan verfolgt wird. Abhilfe gegen dieses Anfragen- und Genehmigungschaos würden vereinheitlichte und digitalisierte Anschlussprozesse sowie eine klare Auskunft über verfügbare Netzkapazitäten schaffen. Schon heute ist der treibende Kostenfaktor nicht mehr die Speichertechnologie an sich, sondern die Auswirkung eines noch immer unpassenden regulatorischen Umfelds.

Viele der Hürden für den Speicherzubau sind durch politisches Handeln vermeidbar. Das Wachstum der Speicherleistung in Deutschland wird unnötig ausgebremst. Die positiven Effekte von Speichern – Versorgungssicherheit, Effizienzsteigerung, Preisstabilität, Werterhaltung für Erneuerbare, Erbringung von Systemdienstleistungen und Ersatz von fossilen Kraftwerken – stehen damit nur verzögert für das Energiesystem zur Verfügung. Diese Verzögerung kostet Branche und Bürger jeden Tag Geld.

Für die neue Regierung tut sich deshalb ein unmittelbares Handlungsfeld auf. Die Errichtung von Großspeichern muss erleichtert und der Netzzugang standardisiert werden. Die Erfahrungen, die mit Erneuerbaren gewonnen wurden, können als Vorbild dienen. Parallel zum Netzzugang müssen die Genehmigungsverfahren beschleunigt und transparent gestaltet werden. Auf der Agenda einer neuen Regierung darf deshalb eine explizite Privilegierung von Energiespeichern nicht fehlen. Diese sollte dabei nicht mit unpassenden Anforderungen außerhalb des Baurechts verkompliziert werden.

Zu den größten Hemmnissen zählen auch Unklarheiten im Hinblick auf die Erhebung von sogenannten Baukostenzuschüssen (BKZ). Ungeachtet der Tatsache, dass die derzeitige Erhebungspraxis durch das zuständige Gericht eindeutig für rechtswidrig erklärt wurde, bleibt die Bundesnetzagentur bei ihrer überkommenen Haltung. Statt die besondere Rolle von Speichern zu betonen, sieht sie Speicher allein als Verbraucher (und somit als BKZ-pflichtig) und damit eher als Gefahr statt als Dienstleister der Netze. Statt den notwendigen Speicherzubau zu erleichtern, sorgt die Regulierungsbehörde für neue Verunsicherung bei Speicherprojektierern und bei Netzbetreibern.

Drohende Belastung mit Netzentgelten

Klarheit braucht es ebenso darüber, wie sich die auslaufende Netzentgeltbefreiung entwickeln wird. Wird nicht zügig eine Lösung für die drohende Belastung von Speichern mit Netzentgelten gefunden, droht dem Speicherzubau ein rasches Ende. Die Branche ist gesprächsbereit und lösungsorientiert, wenn die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und die positiven Effekte von Speichern Berücksichtigung finden. So sind Speicher in ihrer Fahrweise an das dynamische Marktgeschehen angepasst und folgen komplementär der Logik der Erneuerbaren. Sie entlasten und ergänzen damit das Energiesystem. Bei den Netzentgelten muss dies angerechnet werden.

Glücklicherweise können Speicher momentan wirtschaftlich sein. Sie werden dabei aus rein privaten Mitteln finanziert, ohne Kosten für Staat und Bürger. Um den Ausbau nicht auszubremsen, müssen zügig stabile Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eine passende Regulatorik kann eine langfristige marktliche Finanzierungsperspektive für den Speicherhochlauf eröffnen. Eine prioritäre Aufgabe für die 100-Tage-Agenda einer neuen Regierung sollte deshalb die Beseitigung regulatorischer Hindernisse sein. Nur ein schneller Zubau von Flexibilität kann den Erfolg der Erneuerbaren sichern und es ermöglichen, ihren Kostenvorteil direkt bei den Bürgern spürbar zu machen. Es braucht dann auch keine teuren Abenteuer mit Technologien von gestern. W

Autor

Gerrit Lühring,
Politikreferent, Bundesverband Energiespeicher Systeme BVES

Foto: BVES

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