Schiedsverfahren im Bereich der erneuerbaren Energien gewinnen an Bedeutung. Dies gilt für Schiedsverfahren auf Grund von vertraglichen Vereinbarungen (zum Beispiel in Windenergieanlagen-Lieferverträgen, Unternehmens- oder Projektkaufverträgen) als auch für sogenannte Investitionsschutzklagen privater Investoren gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten.
Energiecharta-Vertrag
Investitionsschutzklagen im Erneuerbare-Energien-Bereich beruhen in Europa ganz überwiegend auf dem Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT), einem multilateralen Investitionsschutzabkommen von 1994 zwischen 51 Mitgliedsstaaten, der Europäischen Union und Euratom. Kern des Energiecharta-Vertrags ist die Verpflichtung der Vertragsparteien, Investoren anderer Vertragsparteien im jeweiligen Gastgeberstaat stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren (fair and equitable treatment, Artikel 10 ECT). Im Fall eines Verstoßes gegen Artikel 10 ECT können die Investoren vor einem internationalen Schiedsgericht klagen (Artikel 26 ECT).
Die Zahl von Schiedsverfahren auf der Grundlage des Energiecharta-Vertrags hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wurden zwischen 2005 und 2012 durchschnittlich vier ECT-Schiedsklagen pro Jahr anhängig gemacht, betrug die Anzahl der zwischen 2013 und 2016 eingereichten ECT-Schiedsklagen durchschnittlich 16 pro Jahr. Die meisten dieser neuen Verfahren betrafen Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien. So wurden alleine gegen Spanien mehr als 30 ECT-Schiedsklagen wegen der rückwirkenden Umgestaltung des Tarifsystems für bestehende PV-Anlagen anhängig gemacht. Auch gegen Italien und die Tschechische Republik sind mehrere ECT-Klagen wegen der Änderung der Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien bei internationalen Schiedsgerichten anhängig. Im Mai 2017 hat erstmals ein internationales Schiedsgericht in einem ECT-Verfahren gegen Spanien dem Investor Recht gegeben und Spanien zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 128 Millionen Euro an den Investor verurteilt (Eiser Infrastructure Limited and Energia Solar Luxembourg Sarl ./. Spanien, ICSID Case No. ARB/13/36, vom 04.05.2017).
EuGH-Urteil vom 06.03.2018
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass Schiedsklauseln in Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedsstaaten (Intra-EU-Investitionsschutzabkommen) gegen EU-Recht verstoßen und daher rechtswidrig sind (EuGH Urteil vom 06.03.2018, Az. C-284/16). Hintergrund für das EuGH-Urteil vom 6.März 2018 war ein von einem internationalen Schiedsgericht erlassener Schiedsspruch in einem Rechtsstreit zwischen einem niederländischem Unternehmen und der Slowakei auf der Grundlage eines bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen den Niederlanden und der Slowakei aus dem Jahr 1991. Das Investitionsschutzabkommen enthielt eine Schiedsklausel, also eine Abrede wonach im Streitfall ein internationales Schiedsgericht unter Ausschluss staatlicher Gerichte angerufen werden kann. Entsprechende Schiedsklauseln sind in Investitionsschutzabkommen üblich, um Investoren vor willkürlichen Entscheidungen der Gerichte des Gastgeberlandes zu schützen.
In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall hatte ein internationales Schiedsgericht mit Sitz in Frankfurt a.M. die Slowakei zu einer Millionenzahlung verurteilt, woraufhin die Slowakei bei deutschen staatlichen Gerichten die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt hatte. Der BGH wiederrum hatte den EuGH zur Klärung der Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit EU-Recht ersucht. Nach der Entscheidung des EuGH ist es Sache der nationalen staatlichen Gerichte und des EuGH, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Das angerufene internationale Schiedsgericht müsse bei Investitionsschutzklagen gegebenenfalls auch EU-Recht auslegen oder anwenden. Dass dies weitgehend ohne Kontrolle durch nationale oder europäische Gerichte erfolge, sei mit den Grundprinzipien der Autonomie des EU-Rechts nicht vereinbar.
Konsequenzen des EuGH-Urteils
Der EuGH hat in seiner Entscheidung zunächst klargestellt, dass Handelsschiedsverfahren, also Schiedsverfahren auf Grundlage einer privatvertraglichen Vereinbarung weiterhin zulässig sind. Vertragsparteien seien im Rahmen ihrer Vertragsautonomie berechtigt, sich der Entscheidung privater Schiedsgerichte zu unterwerfen. Schiedsklauseln in Anlagenlieferverträgen, Bauverträgen oder M amp;A-Verträgen und so weiter sind daher weiterhin zulässig und verstoßen nicht gegen EU-Recht.
Auch die Schiedsvereinbarung im Energiecharta-Vertrag dürfte nach der Urteilsbegründung des EuGH wirksam sein. Der EuGH hat in seiner Urteilsbegründung nämlich betont, dass sich die Europäische Union im Rahmen ihrer Kompetenz zum Abschluss internationaler Übereinkünfte auch den Entscheidungen eines „durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts“ unterwerfen kann. Die EU-Rechtswidrigkeit der Schiedsklausel in dem bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen den Niederlanden und der Slowakei hat der EuGH auch ausdrücklich damit begründet, dass das Abkommen nicht von der Europäischen Union geschlossen wurde. Das Urteil des EuGH gilt daher unmittelbar nur für Schiedsklauseln in bilateralen Intra-EU-Investitionsschutzabkommen.
Gleichwohl besteht auch in Bezug auf ECT-Schiedsverfahren eine gewisse Unsicherheit, weil sich die grundsätzlichen Erwägungen der EuGH-Urteilsbegründung durchaus auch auf Schiedsverfahren nach dem Energiecharta-Vertrag übertragen lassen. Die Europäische Kommission vertritt insofern schon länger die Auffassung, dass die Anwendung der Schiedsklausel im Energiecharta-Vertrag zwischen EU-Mitgliedsstaaten gegen EU-Recht verstoße. Es bleibt daher abzuwarten, welche Schlussfolgerungen Schiedsgerichte und nationale Gerichte aus der EuGH-Entscheidung für Investitionsschutz-Schiedsverfahren nach dem Energiecharta-Vertrag ziehen werden.
Autor: Caspar Feest ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Engel amp; Feest aus Bremen. Er ist auf den Bereich erneuerbare Energien sowie auf Schiedsverfahren spezialisiert.