Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) und des Duisburger Instituts für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) wollen herausfinden, wie und ob es produzierenden Unternehmen möglich ist, energieintensive Produkte dann herstellen, wenn Strom gerade günstig ist. In dem Projekt „Lagbens – Nutzung von Lagerbeständen als Energiespeicher“ wird getestet, wie Firmen in Zeiten hoher Energiepreise Waren fertigen können, deren Herstellung wenig Energie erfordert, und umgekehrt energieintensive Produkte mit billiger Energie herzustellen. Wie unterschiedlich der Energiebedarf in der Herstellung ist, zeigt das Beispiel Schraubenproduktion: Die Herstellung von millimeterkleinen Schrauben, etwa für Uhrwerke, erfordert deutlich weniger Energie als die Fertigung von armdicken Schrauben für Turbinen, für die eine größere Menge Stahl erhitzt und deutlich mehr Kraft zum Umformen eingesetzt werden muss.
Produktionsabläufe überdenken
Den Forschern könnte es so gelingen, eine Methode zu entwickeln, wie Unternehmen die schwankenden Strompreisen für ihren Vorteil nutzen. Zwischen 2000 und 2013 sind die Stromkosten in der Produktion um 150 Prozent gestiegen. Durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energien schwanken die Preise an der Leipziger Strombörse innerhalb eines Tages um bis zu 70 Prozent. Hinzu kommen saisonale Schwankungen: Im Sommer ist Strom wegen erhöhter Solaranlagenproduktion günstiger, im Winter ist er teurer.
Die Preisschwankungen werden derzeit noch nicht direkt an die Stromkunden weitergegeben, aber nach Meinung der Forscher könnte das bald der Fall sein. Energiekonzerne werden demnach künftig keine Festpreise mehr anbieten, sondern gestaffelte Tarife mit stärker schwankenden Preisen. Womöglich können Firmen ihren Strom künftig sogar direkt an der Börse kaufen, zu tagesaktuellen Preisen. Werden Preisschwankungen an den Endkunden weitergegeben, erhalten diese einen Anreiz, Strom dann zu verbrauchen, wenn gerade viel davon verfügbar ist und er entsprechend günstiger ist.
Vorhersage von Strompreisschwankungen
Im Forschungsprojekt „Lagbens“ will das IPH ein Modell zur Produktionsplanung und -steuerung entwickeln, das dafür sorgt, dass energieintensive Waren zu Zeiten günstiger Energie produziert werden. Das IUTA soll eine Methode entwickeln, um Strompreisschwankungen besser vorhersagen zu können. Fraglich ist allerdings, ob Unternehmen statt auftragsgesteuert zu arbeiten sich auf eine langfristige Vorplanung einlassen können. „Deshalb suchen wir Entkopplungspunkte“, sagt Projektleiterin Denise Schweers vom IPH. „Unternehmen müssen nicht unbedingt fertige Produkte einlagern, von denen sie gar nicht wissen, ob und wann sie sie verkaufen werden. Stattdessen können sie einzelne Baugruppen auf Vorrat herstellen, aus denen sich später kundenindividuelle Produkte zusammensetzen lassen.“ Schließlich sei die Endmontage meist weniger energieintensiv als die Fertigung der Einzelteile – und damit weniger von Strompreisschwankungen abhängig.
Ein weiterer Aspekt sind die Lagerhaltungskosten. Derzeit werden Produkte und Baugruppen nur so lange gelagert wie unbedingt nötig, um Lagerkosten zu sparen. Je nachdem wie hoch die Einsparungen bei den Energiekosten sind, könnte sich eine längere Lagerhaltung jedoch lohnen. Um herauszufinden, wie viel Geld sich mit der neuen Methode in der Praxis sparen lässt, suchen die Forscher noch Unternehmen, die sich am Projekt beteiligen wollen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit planbarer Lagerfertigung. Diese Unternehmen haben laut Schweers die Möglichkeit, „ohne große Investitionen eine bisher unbekannte Form der Energiespeicherung zu nutzen.“
Interessierte Firmen können sich bis zum 31. Mai bei Denise Schweers unter der Telefonnummer 0511 / 279 76-450 melden oder per E-Mail an schweers@iph-hannover.de. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt hier. (Nicole Weinhold)