Das derzeit geltende Insolvenzrecht bildet bei Konzerninsolvenzen einen Flickenteppich aus Zuständigkeiten und Bedingungen. Dadurch wurde in vielen Fällen die Sanierung erschwert und die betroffenen Gläubiger benachteiligt. Denn bei insolventen Konzernen müssen zumeist mehrere Unternehmen Insolvenz anmelden. Zuständig sind dann oftmals verschiedene Gerichte, die verschiedene Insolvenzverwalter für die einzelnen Unternehmen bestellen. Diese Verwalter konzentrieren sich naturgemäß auf ihr jeweiliges Verfahren. Der Gesamtkonzern als wirtschaftliche Einheit gerät dann rasch aus dem Blickfeld.
Jede Konzerneinheit steht insolvenzrechtlich für sich
Richtigerweise hat die Bundesregierung von einer “großen Lösung“ abgesehen. So werden beispielsweise in den USA über die sogenannte „Substantive Consolidation“ die verschiedenen Insolvenzmassen zusammengelegt und sämtliche Verbindlichkeiten miteinander verschmolzen. Dies kann zu großen Ungerechtigkeiten bei einzelnen Gläubigern, aber auch bei den betroffenen Arbeitnehmern führen. Der deutsche Gesetzesentwurf sieht stattdessen vor, dass weiterhin für jedes einzelne Unternehmen eines Konzerns ein eigenes Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. Anders ausgedrückt: Jede Konzerneinheit steht insolvenzrechtlich weiter für sich. Nur so kann man der Gefahr entgehen, dass Gläubiger von finanziell eher gut ausgestatteten Gesellschaften gegenüber Gläubigern von schwächeren Gesellschaften benachteiligt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, dass nicht-insolvente Konzerngesellschaften auch nicht in das Verfahren einbezogen werden.
Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf Neuregelungen auf drei Ebenen vor:
Erstens: Bestimmung des Gerichtsstands
Zukünftig sollen bei einem Konzerninsolvenzverfahren alle Verfahren bei einem sogenannten Gruppen-Gerichtsstand konzentriert werden können. Werden Verfahren indes an anderen Gerichten angemeldet, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, das Verfahren an dieses Gruppengericht zurückzuverweisen. Zudem wird die innergerichtliche Zuständigkeitsregelung neu geregelt. Für sogenannte Gruppen-Folgeverfahren ist derjenige Richter zuständig, der auch für das Verfahren zuständig ist, an dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde.
Zweitens: Kooperation
Wird kein einheitlicher Gerichtsstand bestimmt, sollen wie bisher mehrere Gerichte und Insolvenzverwalter zuständig sein. Für diesen Fall schreibt das neue Recht eine umfangreiche Kooperation vor. So müssen beispielsweise die unterschiedlichen Insolvenzverwalter eng zusammenarbeiten, sich untereinander abstimmen und Informationen aktiv austauschen. Das neue Recht bezieht auch die Gläubigerausschüsse mit ein. Insbesondere kann auf Antrag ein sogenannter Gruppen-Gläubigerausschuss errichtet werden, in den die verschiedenen Gläubigerausschüsse jeweils einen Vertreter entsenden. Auch dieser Ansatz ist vielversprechend. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass die Parteien darauf achten, dass die Prozesse nicht zu bürokratisch werden.
Drittens: Koordination
Diese gilt als das eigentliche Kernstück des neuen Konzerninsolvenzrechts. Das zuständige Insolvenzgericht soll künftig ein sogenanntes Koordinationsverfahren einleiten können. Dabei wird ein sogenannter Koordinationsverwalter bestellt. Dessen Aufgabe ist es, einen Koordinationsplan zu erarbeiten und die unterschiedlichen Verfahren inhaltlich aufeinander abzustimmen. Der Koordinationsverwalter stellt sozusagen einen "Masterplan" auf, der nach gerichtlicher Bestätigung als Referenz für die einzelnen Verfahren gilt. Die anderen Insolvenzverwalter sind zur Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter verpflichtet. Dabei besitzt dieser nicht mehr Rechte als seine Kollegen, sondern fungiert als eine Art Mediator ohne weitergehende Weisungs- oder Verfügungsbefugnisse. Inwieweit dieses Modell in der Praxis tatsächlich funktioniert, muss sich erst zeigen.
Die Ideallösung bleibt, dessen ungeachtet, die Bestellung nur eines einzigen Insolvenzverwalters für sämtliche Krisenunternehmen des Konzernverbundes. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Weg durchsetzen wird. Werden mehrere Verwalter bestellt, werden sich Konflikte trotz der vorgesehenen Kooperationspflichten nicht in jedem Fall vermeiden lassen. Die Durchführung eines Koordinationsverfahrens sollte insofern als Auffanglösung für diejenigen Fälle verstanden werden, in denen sämtliche Möglichkeiten zur Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters ausgeschöpft wurden. Wie drängend diese Frage ist, zeigte sich zuletzt bei der Insolvenz der Baumarktgruppe Praktiker/Max Bahr.
Der Autor dieses Fachbeitrags, Lucas F. Flöther, ist Namenspartner der auf Insolvenzverwaltung und Sanierung spezialisierten Kanzlei Flöther amp; Wissing mit Niederlassungen u.a. in Halle, Magdeburg, Mannheim und München. Prof. Flöther ist überdies Vorstandsmitglied des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. (VID) und Mitglied des Gravenbrucher Kreises.