Ein Bachelor-Abschluss und zwei Jahre Berufserfahrung sind für Unternehmen oft mehr wert als ein Master-Abschluss. Dennoch hängen vier von fünf Uni-Studenten ein konsekutives Studium an. Höchste Zeit zum Umdenken!
Europäisches Studium
Seit 1999 streben die europäischen Staaten die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums an. Kernelement des sogenannten Bologna-Prozesses ist die Einführung eines gestuften Studiensystems mit europaweit vergleichbaren Abschlüssen. Ursprünglich sollte dieses Ziel bis zum Jahr 2010 umgesetzt sein, mittlerweile wurde der Zeithorizont bis 2020 ausgedehnt. Eine Begleiterscheinung der Hochschulreform ist die Fülle an Studiengängen – im Wintersemester 2013/14 wurden nach Angaben von destatis an deutschen Hochschulen 7.477 Bachelor-Studiengänge und 7.067 Master-Studiengänge angeboten.
Die anfängliche Skepsis der Unternehmen gegenüber dem Bologna-Prozess ist längst der Erfahrung gewichen, dass Absolventen mit Bachelor-Abschluss eine Chance verdienen. Ein gutes Indiz dafür ist die Untersuchung der Anzeigensuchmaschine adzuna.de, die vor Kurzem herausfand, dass bei Stellenanzeigen von Unternehmen in fast allen Bereichen ebenso oft Bachelor-Abschlüsse als Qualifikation verlangt werden wie Master-Abschlüsse.
Natürlich gibt es immer noch Berufe, bei denen ein Master-Abschluss unabdingbar ist. Das gilt etwa für das Lehramt oder den höheren Dienst bei Beamten. Auch im naturwissenschaftlichen Bereich, also in Forschung und Lehre, ist der Master-Abschluss die Grundvoraussetzung für höhere akademische Weihen. Bei Ingenieuren ist der Master eine gute Möglichkeit, sich auf ein Fachgebiet gezielt zu spezialisieren – wie etwa im Bereich der erneuerbaren Energien. In der Wirtschaft sieht es dagegen schon differenzierter aus. Wer nach dem Bachelor-Abschluss in einem Unternehmen anfängt, hat gegenüber einem Studenten mit Masterabschluss mindestens zwei Jahre Vorsprung in Sachen Berufserfahrung. Neben dem dabei verdienten Geld kommt eventuell schon der nächste Karriereschritt hinzu, sodass sich der Abstand zum höheren Einstiegsgehalt von Absolventen mit einem Masterabschluss schon verkürzt. Und die weitere Karriere hängt ohnehin nicht mehr von einem Studienabschluss, sondern von der Bewährung im Job ab.
Es kann durchaus sinnvoll sein, nach dem Bachelor ins Berufsleben einzusteigen und später einen postgradualen Masterstudiengang berufsbegleitend als Abend-, Wochenend- oder Fernstudium zu absolvieren. Das erfordert aber sehr viel Disziplin und sollte unbedingt in Abstimmung mit dem Arbeitgeber erfolgen. So können Arbeit und Studium besser aufeinander abgestimmt und Urlaube für die Prüfungsvorbereitung eingesetzt werden. Wer seinen Master auf diese Weise erfolgreich schafft, beweist nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Chef Charakter und Durchhaltevermögen. Umgekehrt besteht aber durchaus die Gefahr, an dem Kraftakt zu scheitern. Schon ein Arbeitgeberwechsel oder Veränderungen im Familienstand können leicht zum Studienabbruch führen. Der muss kein Karriereknick sein, aber belastend ist er allemal.
Höheres Einstiegsgehalt ist kein ausreichendes Argument
Bevor man daher einen Masterstudiengang anstrebt, sollte man sich ernsthaft fragen, wozu man ihn benötigt. Ein höheres Einstiegsgehalt allein ist dafür kein hinreichendes Argument mehr. Und wenn man sich doch dafür entscheidet, dann sollte man darauf achten, ihn an einer Hochschule mit einem guten Ruf in der Wirtschaft zu absolvieren. Denn angesichts der Fülle des Angebots hat sich auch in der Wirtschaft bereits herumgesprochen, dass Master nicht gleich Master ist. Das Gespräch mit einem Personalverantwortlichen über die richtige Universität und den richtigen Studiengang ist daher sehr zu empfehlen. Denn all die Disziplin, Zeit und Geld sind umsonst investiert, wenn der Abschluss oder die Fachrichtung keine Anerkennung finden.
Dieser Artikel von Volker Schulz, Director Board and Executive für die Unternehmensberatung Mercuri Urval, ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von Mai 2014 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins. Haben Sie Fragen an unseren Jobexperten? Schreiben Sie an redaktion@erneuerbareenergien.de