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Aktivhaus erzeugt Überschuss

200 Prozent Deckung des eigenen Energiebedarfs

Das Aktivhaus ist noch ein Prototyp. Es erzeugt einen Überschuss an Strom und Wärme, der an Nachbargebäude abgegeben werden kann. Zum Energiekonzept gehört auch die integrierte Elektromobilität.Foto: Zooey Braun

Niedrigenergiehaus, Passivhaus, Plusenergiehaus - und jetzt ein Aktivhaus. Ein Haus also, das nicht nur sich selbst, sondern auch gleich die Nachbarn mit ausreichend selbst erzeugter Energie versorgen kann. Das Energiekonzept des Prototyps setzt vor allem auf hohe thermische Qualität der Gebäudehülle und eine sehr effiziente und ressourcenschonende Bereitstellung von Wärme und Kälte. Beheizt wird das 90-Quadratmeter-Gebäude über eine Wärmepumpe, gekühlt über einen sogenannten Eisspeicher. Für diese Technik wird im Sommer das Eis verwendet, das während der Heizperiode im Winter entsteht. An zusätzlicher Energie für die Kühlung muss nur noch der Strom für die Umwälzpumpe eingebracht werden; dieser Strom wird über die Photovoltaik-Anlage direkt vor Ort erzeugt. Fußboden- und Deckenflächen können thermisch aktiviert werden, um eine angenehme Innenraumtemperatur zu erzeugen.

Voll vernetzt : Auto und Haus

Das hört sich nun zunächst nicht so ungewöhnlich und besonders an. Wärmepumpen werden inzwischen recht zahlreich eingesetzt, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Wichtigstes Element des Gebäudes ist wohl das "Gehirn", das Energiemanagement. Das Aktivhaus verzahnt mithilfe des Energiemanagements die Energiesysteme von Elektromobilität und Gebäude zu einem Gesamtsystem. Ladeinfrastruktur und die Anlagentechnik für die Erzeugung werden vernetzt, die Speicherung und das Management von Energie in einem zentralen Element – B10 wird hierdurch zum Bindeglied zwischen Nutzer, Gebäude, Fahrzeug und Smart Grid.

Der hohe Grad an Vorfertigung machte die Montage an nur einem einzigen Tag möglich. Das Wohnmodul steht, während das Rückgrat des Hauses – die Einheit für die technischen Installationen – noch in der Luft schwebt. Foto: Zooey Braun

Ziel ist es zum einen, den Energieverbrauch zu minimieren. Zum anderen soll der Anteil an direkt vor Ort verbrauchtem Öko-Strom maximiert werden. Darüber hinaus soll dem Netzbetreiber möglichst präzise angegeben werden, wann welcher Energiebedarf für Gebäude und Elektromobilität bestehen wird – und wann wieviel Energie ins Netz eingespeist werden kann.

Die Weißenhofsiedlung ist derweil der passende Ort für das Aktivhaus. Im Jahre 1927 innerhalb weniger Monate erbaut, kam sie auf dem Killesberg einer Revolution im Bauwesen gleich: Die Entwürfe verschiedener weltberühmter Architekten – Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier – zeigten das Bauen und Wohnen der Zukunft. An diese Bauhaus-Tradition knüpft der Stuttgarter Architekt und Bauingenieur Werner Sobek nun mit seinem Aktivhaus an: „Es demonstriert, wie sich zukunftsfähige Gebäude, neue Mobilitätskonzepte und eine quartierbezogene Energieversorgung intelligent und nachhaltig miteinander verknüpfen lassen“, sagt Sobek.

Ungewöhnliche Wege bei Solaranlage und Speicher

Für diejenigen, die es noch ausführlicher wissen wollen, einige Ergänzungen zur eingesetzten Regenerativtechnik: Das auf dem Gebäude befindliche PVT-Modul ist eine Kombination aus Photovoltaik und Solarthermie, d.h. es produziert gleichzeitig Strom und Wärme. Hinter den monokristallinen Solarzellen befindet sich ein Rohr-Mäander, der zur Gewinnung der Solarthermie genutzt wird. Dadurch kann aufgrund der Grundstückssituation stark begrenzte Dachfläche besonders effizient genutzt werden. Zusätzlich werden Moduloptimierer eingesetzt, die für jedes Modul den jeweils bestmöglichen Betriebspunkt suchen (Maximum Power Point-Tracking); dies ist aufgrund der nicht vermeidbaren partiellen Verschattung auf dem Grundstück von großer Bedeutung für die Effizienz der PVT-Anlage.

Der Eisspeicher ist eine 15 m³ große kugelförmige Zisterne, die mit Wasser gefüllt und mit einem Wärmetauscher versehen ist. Der Eisspeicher bietet eine hohe Energiedichte, mit der Wärme und Kälte besonders effizient gespeichert werden können. Für den Phasenübergang von fest zu flüssig (d.h. von Eis zu Wasser) wird genauso viel Wärmeenergie benötigt wie für die Erwärmung der gleichen Menge H2O von 0°C auf 80°C; umgekehrt wird diese Wärmeenergie beim Phasenübergang von flüssig zu fest wieder freigesetzt. Diese Tatsache lässt sich in Verbindung mit einer Wärmepumpe sehr gut dafür nutzen, das Gebäude effizient zu heizen bzw. zu kühlen. Da der Eisspeicher bei B10 nicht nur als Wärmequelle (im Winter), sondern auch als Wärmesenke (im Sommer) eingesetzt wird, ist er gegenüber dem Erdreich durch eine Schicht Glasschotter gedämmt; ein unkontrollierter Wärmeaustritt ins Erdreich wird so verhindert. Die Dämmung sorgt dafür, dass der (nach der Heizperiode durchgefrorene) Eisspeicher möglichst lange für die Kühlung des Gebäudes herangezogen werden kann. Die Regeneration des Eisspeichers erfolgt bei Bedarf gezielt über die PVT-Module. (Nicole Weinhold)