Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb beim VDE (VDE FNN) überarbeitet derzeit die Technischen Anschlussregeln (TAR) für Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen am Niederspannungsnetz. Damit will das Gremium den Anschluss von Solaranlagen auf diese Netzebene vereinfachen und so auch beschleunigen. Praktische Umsetzungshilfen werden die Regeln ergänzen, damit neue Vorgaben für den Netzanschluss einfacher und vor allem schneller in der Praxis ankommen.
Verteilnetze für die Energiewende besser nutzen
Schließlich wird für die nächsten Jahre erwartet, dass Millionen neuer Solaranlagen entstehen und dann auch ans Netz angeschlossen werden müssen. Das wird mit den jetzigen Regeln nicht mehr funktionieren. „Die Energiewende führt auf allen Netzebenen zu großen Veränderungen. Besonders in den Verteilnetzen, wo bei Endkunden Millionen dezentrale Erzeuger, Speicher und durch Elektrifizierung bei der Wärme- und Mobilitätswende neue Verbraucher zu integrieren sind, brauchen wir mehr Klarheit – zum Netzanschluss wie auch zu der künftigen Rolle und den steuerbaren Fähigkeiten der Kundenanlagen, um die Systemstabilität aufrechtzuerhalten“, begründet Joachim Kabs, Vorstandsvorsitzender VDE FNN und Mitglied in der Geschäftsführung der Bayernwerk Netz, die geplanten Neuregelungen.
Die TAR von VDE FNN seien deshalb so entscheidend für den Erfolg der Energiewende und die Versorgungssicherheit. „Wir sind bereits mitten in der Veränderung“, sagt Joachim Kabs. „Damit wir sicher und zügig am Ziel ankommen, müssen wir auf allen Ebenen anpacken.“
Mit geringerer Leistung einspeisen
Die Experten beim VDE FNN setzen vor allem an zwei Stellen an. So werden in Zukunft Anlagen auch nur mit einem Teil der Leistung einspeisen können. Bisher galt: Die gesamte Nennleistung der Anlage war für die Leistung des Netzanschlusses entscheidend. Man ging davon aus, dass die Anlage tatsächlich mit ihrer gesamten Erzeugungsleistung einspeist. Mit der Novellierung der VDE-Anwendungsregel Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz wird es künftig möglich sein, dass Anlagen zeitweise oder auch dauerhaft nur mit einem Teil ihrer Nennleistung einspeisen. Dies wird dank einer Einspeiseüberwachung möglich.
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Netzkapazität besser ausnutzen
Eine solche Lösung ist vor allem für Eigenverbrauchsanlagen oder auch Solarparks mit integriertem Speicher denkbar. Denn erzeugt eine Photovoltaikanlage mehr Leistung als sie in Netz einspeisen darf, wird die überschüssige Leistung einfach für den Eigenbedarf genutzt. Alternativ kann sie in den Speicher geschoben werden. Der letzte Ausweg ist dann noch die Abregelung, wenn der Speicher voll ist und kein Strom zusätzlich vor Ort gebraucht wird. „Endkunden können so auch bei eventuell nicht ausreichender Netzkapazität die Kosten für ihren Energiebedarf senken und stärker an der Energiewende mitwirken“, erklärt Joachim Kabs.
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Zertifizierungen vereinfachen
Die zweite Stellschraube, an der das VDE FNN arbeitet, ist die Vereinfachung bei der Zertifizierung von Solaranlagen und Speichern zwischen 135 und 500 Kilowatt Leistung. Bisher mussten für diese Erzeugungsanlagen – egal auf welcher Spannungsebene angeschlossen – die elektrotechnischen Eigenschaften nach der TAR Mittelspannung nachgewiesen werden. Dies hat sich seit dem Inkrafttreten des Solarpakets 1 und der darin enthaltenen Novellierung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV) geändert. Sie können jetzt nach einem vereinfachten Nachweisverfahren ans Netz angeschlossen werden. Damit entfällt das Anlagenzertifikat und der Konformitätsnachweis. Mit der Neufassung der TAR wird das VDE FNN diese Regelungen weiter konkretisieren.
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Rahmenbedingungen schon eingeordnet
Bereits im März dieses Jahres hat das VDE FNN zusätzlich zur Anwendungsregel eine Umsetzungshilfe zu den geänderten NELEV und zur Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung EAVV) veröffentlicht. Damit sind die grundsätzlichen Rahmenbedingungen schon eingeordnet. Die Umsetzungshilfe stellt Anforderungen und Nachweise übersichtlich dar, beschreibt das Zertifizierungsverfahren und gibt Hinweise zum Vorgehen in der Übergangszeit sowie Praxisbeispiele.
Netzanschlüsse vereinheitlichen
Einen dritten Ansatz verfolgt das VDE FNN mit der Vereinheitlichung der Prozesse für Netzanschlussbegehren. Denn bisher hat jeder der rund 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland seine eigenen Regeln für den Netzanschluss von Solaranlagen in seinem Gebiet. Ab 1. Januar 2025 sollen Anschlussbegehren bundesweit vereinheitlicht und digitalisiert werden. VDE FNN stellt dafür ein standardisiertes Datenset zur Verfügung, das die für die Antragstellung notwendigen Daten, etwa zu Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen, beschreibt. Dieses Set ist Grundlage für alle Verteilnetzbetreiber zum Aufbau ihrer Webportale. Auf Basis standardisierter Informationen lassen sich so künftig Anträge zügiger und digital bearbeiten.
Die überarbeiteten VDE Anwendungsregeln gehen in Kürze in die Konsultation und sollen 2025 in Kraft treten. (su)
Einen Überblick über wichtige Änderungen durch das Solarpaket 1 lesen Sie in der nächsten Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN. Falls Sie noch kein Abo haben, können Sie hier reinschuppern.