Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte am Freitag auf Journalistenfragen in Berlin, es begrüße, dass Tennet wie von dem staatlichen niederländischen Unternehmen selbst früher am Morgen verkündet einen vollständigen Verkauf ausloten will. Die Bundesregierung führe in diesem Zusammenhang mit der niederländischen Regierung seit Oktober „Gespräche und Verhandlungen“ zum Tennet-Netzgebiet. Ursache der Gespräche seien „ein ganz erheblicher Netzausbau“, der nicht zuletzt für die Übertragungsnetze ansteht und „vor allem die Regelzone des Übertragungsnetzbetreiber Tennet als dem größten deutschen Übertragungsnetzbetreiber“ betreffe.
Tennet hatte am Morgen eingeräumt, angesichts des sehr hohen Bedarfs an Investitionen in den Netzausbau für den weiteren Ausbau wetterabhängig einspeisender Erneuerbare-Energien-Anlagen einen immer höheren Anteil an Eigenkapital aufbringen und binden zu müssen. Für „die deutschen Aktivitäten“ Tennets sei dieser aktuell bei 15 Milliarden Euro zu veranschlagen. Zwar sei Tennet in den vergangenen Jahren schon zum weltgrößten Investor und Betreiber von Offshore-Netzanbindungen für Windparks geworden und finanziere die Investitionen in erster Linie durch Fremdkapital, also Kredite. Doch zur Absicherung dieser geliehenen Geldmittel müsse das Unternehmen auch immer mehr Eigenmittel in die Investitionen einbringen, um günstige Kreditbedingungen zu erhalten. Sicher sei, dass der bevorstehende rasche Netzausbau in Deutschland von Tennet „beispiellose Investitionen“ erfordere – für die Stromautobahnen zum schnellen Transport der überwiegend im Norden und dort gerade in riesigen Anlagenparks im Meer erzeugten grünen Elektrizität in den industrie- und verbrauchsstarken Süden des Landes. Außerdem muss das Tennet-Netz weitere Offshore-Windparks anbinden.
Der vom niederländischen Staat getragene Netzkonzern begründete seine Bereitschaft zum Ausloten eines Komplettverkaufs auch an den deutschen Staat wörtlich damit, dass sowohl die niederländische Regierung als auch die deutsche Bundesregierung es vorzögen, „ihre jeweiligen nationalen Stromnetze zu finanzieren, kontrollieren und besitzen“. Dies diene deren klimapolitischen und geopolitischen Ambitionen.
Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wollte nicht bestätigen oder ausführen, dass und welche Vorteile ein Kauf des Tennet-Übertragungsnetzes aus Regierungssicht bieten würde. Es zieht sich als ein Band durch ganz Deutschland von den Offshore-Windpark-Arealen in der Nordsee bis zu den Alpen und ist das größte Übertragungsnetz in Deutschland. Auch über die mögliche Art der finanziellen Beteiligung sagte sie nichts.
Mit Sicherheit dürfte die Bundesregierung einen Verkauf des Tennet-Netzes an nicht demokratisch beherrschbare Unternehmen oder nicht befreundete Staaten wie China vermeiden wollen. Tatsächlich hatte Berlin schon 2018 durch eine Übernahme von 20 Prozent am ostdeutschen Übertragungsnetz von 50 Hertz den Teilverkauf an einen chinesischen Staatskonzern abgewandt. Die öffentliche Kreditförderanstalt KfW hatte die Mittel dafür aufgebracht.
Auch das baden-württembergische Übertragungsnetz von EnBW-Tochter Transnet BW steht vor einem Anteileverkauf. Im Gespräch waren bereits ebenfalls ein chinesisches Unternehmen wie auch der nicht nur bei Klimaschützern als hochkritikwürdig eingestufte US-amerikanische Megafonds Blackrock. Angeblich soll nun aber ein Sparkassenverbund aus dem Bundesland die besten Karten für einen Einkauf des vor dem Verkauf stehenden 49,9-Prozent-Anteils haben.
Pikant ist, dass EnBW zu großen Teilen dem Land Baden-Württemberg selbst gehört und damit der Verkauf einer Privatisierung kritischer Infrastruktur gleichkäme. Gegen Kritik auch vom Koalitionspartner CDU und aus der oppositionellen SPD im Stuttgarter Landtag will ausgerechnet der Bündnis 90/Die Grünen angehörende Ministerpräsident Winfried Kretschmann fast geschlossen unterstützt von der eigenen Fraktion dem Verkauf durch EnBW an private oder fremde Investoren zustimmen. Baden-Württemberg könne die Milliarden-Investitionen nicht selbst aufbringen, argumentiert Kretschmann.
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