Neue Erzeugungsanlagen wie Wind- und Solaranlagen in der Niederspannungsebene des Stromnetzes sollen sich künftig netzstützend verhalten, so das Ergebnis der vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN) beauftragten Studie. Das heißt, dass Erzeugungsanlagen bei sehr kurzen Spannungseinbrüchen, typischerweise für die Dauer von rund 100 Millisekunden, am Netz bleiben. Die Studie untersucht erstmals umfassend, welche Auswirkungen ein solcher Fehler im Übertragungsnetz im Jahr 2022 auf dezentrale Erzeugungsanlagen in der Niederspannung hätte. Durchgeführt wurde sie von Forschern der TU Delft, Niederlande.
Im Jahr 2022 sind 40 Prozent mehr Erneuerbare an der Niederspannungsebene
FNN betont, die Frage sei von hoher Relevanz, da sich die installierte Leistung von Erneuerbare-Energie-Anlagen bis 2022 um mindestens 40 Prozent erhöhen wird. Im Hinblick auf die Systemsicherheit sei daher das Verhalten dieser Erzeugungsanlagen, die an das Niederspannungsnetz angeschlossen werden, bei Spannungseinbrüchen zu definieren. So zeigt die Studie, dass eine netzfehlerbedingte Abschaltung in einigen Netzregionen dann zu einem Ausfall von 30 bis 50 Prozent der momentanen Einspeisung führen kann. Heike Kerber, Geschäftsführerin vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE, erklärt: "Das bezieht sich auf den Ausbauzustand 2022 Szenario B des Netzentwicklungsplans, das heißt wenn dieses Ausbauszenario eintritt und die bestehenden Anforderungen weiterhin gelten, würden bei Fehlern je nach Netzgebiet 30 bis 50 Prozent der Momentanleistung in der Niederspannung abrupt innerhalt von 150 Millisekunden vom Netz gehen. Dies kann bei fehlender Kraftwerksleistung die Systemstabilität gefährden, daher sind neue Anforderungen notwendig. Die Studie hat Anforderungskurven erarbeitet und vorgeschlagen, die nun in Anforderungen überführt werden müssen."
Im Hinblick auf die Systemsicherheit muss deshalb die Abschaltleistung von Erzeugungseinheiten bei Spannungseinbrüchen so gering wie möglich gehalten werden. Dies vor allem, um einer Systemgefahr bei witterungsbedingt mehreren kurzzeitig aufeinander folgenden Fehlern zu begegnen. Welche Gefahr besteht bei aufeinander folgenden Fehlern? "Fehler haben Spannungseinbrüche zur Folge. Größe und Auswirkung des Spannungsreinbruchs sind abhängig vom Fehler an sich, dem Fehlerort und der Lastsituation", erklärt die FNN-Chefin. "Anlagen schalten sich derzeit in einem solchen Fall ab, wenn der resultierende Spannungseinbruch vor der Anlage unter 80 Prozent der Nennspannung liegt. Der Stand der Technik, vor allem von Wechselrichtern, lässt es zu, dass Anlagen aber bei solchen Fehlern am Netz verbleiben."
Kurzschlüsse durchfahren
Um einem solchen Ausfall vorzubeugen, sind nach Ansicht des Forums bereits heute Anforderungen an künftige Anlagen in der Niederspannung zu definieren, also vor allem Photovoltaik-, Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerke. "Die erarbeiteten und mit Fachvertretern der Hersteller abgestimmten Studienergebnisse sollten in die neuen Anforderungen überführt werden", sagt Kerber. "Die Studienergebnisse schlagen konkrete Low-Voltage-Ride-Through-Kurven für unterschiedliche Anlagentypen vor. Dabei sollten Anlagen künftig Fehler durchfahren und einen Spannungseinbruch durch selbige auf bis zu 30 Prozent der Nennspannung aushalten können."
Das Thema ist nicht neu. Während Netzbetreiber zunächst bis Anfang der 2000er sogar ausdrücklich verlangten, dass Windkraft und Co. sich bei einem Netzfehler abschalten, ist inzwischen längst das Durchfahren von Kurzschlüssen, das sogenannte Low-Voltage-Ride-Through, Pflichtprogramm für Betreiber. Warum jetzt also diese Studie, wo es doch eher schon um Feinheiten wie Blindleistungsbereitstellung und so weiter geht?
Heike Kerber erläutert: "Status quo in der Niederspannung ist: Bei kurzen Spannungseinbrüchen im Bereich bis 150 Millisekunden dürfen sich Anlagen bei einem Spannungseinbruch auf unter 80 Prozent der Nennspannung in der Niederspannung vom Netz trennen. Große Windparks erfüllen dies oft schon, da sie an der Mittelspannung angeschlossen sind. Dort gibt es andere Anforderungen. Aber in der Niederspannung eben nicht." Unklar sei dagegen gewesen, ob diese Anforderungen auch in der Niederspannung notwendig seien und wenn ja, wie diese gestaltet werden sollten. "Die Studie hat die Vermutung bestätigt, dass mit dem zunehmenden Wegfall von Kraftwerken in der Hoch- und Höchstspannung die Anlagen in der Niederspannung bei solchen kurzen Spannungseinbrüchen am Netz verbleiben sollten, damit das System stabil bleibt." Die Frage der Blindleistungsbereitstellung beziehungsweise Spannungshaltung werde in einer anderen, derzeit laufenden FNN-Studie mit dem Titel „Statische Spannungshaltung“ untersucht. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt voraussichtlich im März 2015.
(Nicole Weinhold)