Wenn Oettinger die Gas- und Stromnetze mit dem modernen Transportwesen vergleicht, dann kommen im Vergleiche mit dem Europa der Fürstentümer in Sinn. Er fordert daher, dass in Europa 45.000 Kilometer Stromtrassen modernisiert oder neu gebaut werden, was ungefähr 200 Milliarden kosten soll. Das Ganze soll bis 2020 stattfinden. Offenbar ist dem Europa-Politiker abhanden gekommen, das viele neue Projekte alleine was Machbarkeits- und Planfeststellungsverfahren inklusive UVP angeht mindestens diesen Zeitraum allein in der Planungphase aufbrauchen würden - von aufwändigen Bürgerbeteilugungsverfahren a la Stuttgart21-Mediation ganz abgesehen.
Laut Oettinger sollen die Energieversorger und Netzeigentümer den Löwenanteil zahlen, aber auch die Verbraucher müssten sich auf enormen Kostensteigerungen einstellen. Der Energiekommissar, der früher mal Baden-Württembergs Ministerpräsident war, will bis 2015 einen gesamteuropäischen Energiemarkt für Gas und Strom etablieren. Der Netzausbau wird also nicht nur mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energie begründet. Oettinger erhofft sich vielmehr mehr Konkurrenz im Stromnetz. Denn dann könnte "endlich" Strom aus günstigen Atomkraftwerken aus Osteuropa gegen den subventionierten Ökostrom an der Leipziger Strombörse antreten. Ein Schelm wer dabei handfeste Lobbyinteressen vermutet. Offenbar ist der 20%-Plan der EU für 2020 nur mit so einer riesigen Investition möglich. Sinnvoll ist ein Ausbau sicher, aber können auch alle Europäer davon in gleicher Weise profitieren? Oettinger ist dabei konsequent und fordert konzertante Aktionen von privater und öffentlicher Hand bei der Finanzierung und betont dabei zusätzliche europäische Förderungsmittel in bestimmten Regionen.
Die Netzbetreiber sollen bevorzugt Trassen mit dem Prädikat "von europäischem Interesse" erstellen oder ausbauen. Ob es dabei um unterstützende Maßnahme für die Riesenprojekte wie desertec geht, mag vermutet werden. Der vielgepriesene Ausbau dezentraler Kapazitäten wird aber offenbar nicht dieses Prädikat erhalten. Aber Trassen rund um die Offshore-gebiete an der Nordsee und die Gaspipelines im Südosten Europas sind sicher der wünschenswerte Teil so einer Initiative.
Oettinger will innerhalb von 9 Monaten ein fertiges Konzept für die Zukunft von Europas Energieinfrastruktur vorlegen. (jw)