Nach einer zweieinhalbwöchigen Dauerflaute hat der Dezember erst seit dem 18. Monatstag die für ihn typischen Windkraft-Leistungswerte erreicht. Die Erneuerbare-Energien-Ressource ließ die Windstromerzeugung an Land am Sonntag erstmals und von da an zwei Tage lang stabil über einen Wert von 20 Gigawatt (GW) klettern. Das zeigt die Statistikauswertung zur öffentlichen Nettostromerzeugung auf dem Branchenportal Energy-charts.de. Auf sogar 29 GW kletterte die Auslastung der Onshore-Turbinen am Montag. Dass sie hingegen vom 1. bis 17. Dezember nie mit mehr als 15 GW Strom produziert hatte, führte zu einer Dezember-untypischen langen Windkraftflaute, wie es sie in den vergangenen zehn Jahren noch nie in einem Dezember gegeben hatte. In der allermeisten Zeit war die Erzeugungskraft der deutschen Windparks an Land in der ersten Dezemberhälfte sogar unterhalb einer 10-GW-Marke geblieben, oft sogar deutlich darunter. Die bisher schlechte Onshore-Windstrom-Einspeisung des saisonal guten Windkrafterntemonats in Deutschland lässt den Dezember bei nun offenbar wieder auffrischendem Wind zum Sinnbild des gesamten unsteten Windjahres werden.
Auf See war die Einspeisung im Dezember übrigens bisher gemäßigt stabil. So arbeiteten die deutschen Offshore-Windparks seit Sonntag auf einem gemäßigten Hoch von bis zu 6,5 GW, in den Tagen zuvor leisteten sie bei gelegentlichen Spitzen von bis zu 6,3 GW oft kaum weniger.
Dritt- oder sogar noch zweitbestes Windstromjahr
Dank eines sehr guten ersten Jahres-Quartals und einer auch darüber hinaus noch gemäßigt guten Windausbeute bis Mai wird 2022 aber zum zumindest drittbesten Windstromjahr, wie Energy-charts.de erkennen lässt. Bei weiter anhaltender günstiger Wetterlage bis Jahresende könnte es sogar das zweitbeste Jahr nach 2020 werden. Bis zum Mittwochvormittag speisten die inzwischen mehr als 28.500 Windenergieanlagen bundesweit an Land und auf See 116,8 Terawattstunden (TWh) in die Leitungen. Das war wieder deutlich mehr als im extrem windschwachen 2021, als auch am Ende des noch elf Tage längeren Gesamtjahres nur 101,7 TWh auf den Zählern standen. Auch im Vergleich zu den Jahren 2017 und 2018, als mit 103,7 und 107,9 TWh erstmals die 100-er-Schwelle passé war, war die Windkraft in Deutschland nun wieder deutlich besser. Doch angesichts eines Zubaus von immerhin weit mehr als 1.000 neuer hochmoderner Windenergieanlagen in den vergangenen drei Jahren ist der noch deutliche Rückstand im Vergleich zum Rekordwindstromjahr 2020 bemerkenswert. Damals waren zum Jahresende Erträge von zusammen 129,6 TWh einzubuchen. Das ebenfalls gute Erntejahr 2019 mit 123,6 TWh wäre bei anhaltend guter bis ordentlicher Windhöffigkeit im restlichen Monat Dezember wohl vielleicht noch erreichbar oder sogar zu toppen. Bisher brachte der zwölfte Monat dieses Jahres nur 5,3 TWh ein. Doch sind Dezember mit Erträgen von deutlich über zehn TWh seit 2017 die Regel.
Dabei lag es nicht unbedingt an Windarmut an Land oder einer vermeintlich ineffektiven Onshore-Turbinentechnologie, dass 2022 trotz des sehr guten Anfangsquartals nur noch ein bestenfalls gemäßigt gutes Windenergiejahr werden kann. Im Gegenteil: Erstmals überhaupt ist zumindest gemäß dem vorläufigen Stand vom 21. Dezember der Offshore-Windstrom-Anteil an der gesamten Windkraft-Erzeugung des Jahres sogar leicht auf 20,29 Prozent zurückgegangen. 2021 betrug der Meereswindkraftanteil 21,49 und 2020 auch schon 20,76 Prozent. Mit 93,1 TWh onshore und 23,7 TWh offshore nahm die Bedeutung der Windparks an Land also wieder etwas zu, was aber auch durch den 2021 komplett ausgebliebenen Zubau neuer Offshore-Windenergieanlagen erklärbar ist.
Schlechter Sommer und Herbst verderben gute Jahresstromernte
Ursächlich für die verhältnismäßig geringe Ausbeute der Windparks Betreibenden in Deutschland sind vielmehr extreme Einspeiseschwankungen im Jahresverlauf. Dabei begann 2022 eigentlich sehr gut. Der Februar 2022 ließ den Rekordmonat Februar 2020 einstellen beziehungsweise ganz penibel bilanziert um 0,1 TWh übertreffen und 20,3 TWh erreichen. In den ersten vier Monaten fuhren die modernen Windmüller zusammengenommen sogar schon 55 TWh ein. Das dürften mindestens 45 Prozent der Jahresernte gewesen sein. Auch das Rekordjahr 2020 hatte mit 59 TWh eine kaum bessere Hauptwindernte-Saison. Und das erste Jahresdrittel ist meteorologisch für die Windkraft hierzulande besonders wichtig.
Doch im August flossen nur 4,45 TWh ins Netz – und auch der Juni blieb mit 5,48 TWh ein Monat weitgehender Windstille oder eben ein Monat bundesweit an Land stillstehender Rotoren. 2020 war die Einspeisung im Vergleich schlechtestenfalls auf 6,3 TWh gefallen – zwei Mal, im Juni und im September. Selbst im windschwachen 2021 gab es einen vergleichbar windstromarmen Monat nur einmal – den Juni 2021 mit 4,3 TWh, was den drei Jahre unangefochtenen Negativrekord innerhalb eines Jahres vom Juni 2018 wiederholte.
Dabei fielen die Windernten auch im Vergleich zum Flautejahr 2021 in vier Monaten sogar geringer aus. In sieben Monaten war 2022 hingegen ein besseres Windstromjahr. Ob der Dezember ebenfalls schlechter ausfällt als ein Jahr zuvor oder noch zu den Zugewinnmonaten zählt, bleibt abzuwarten.
Vom Wind angefachte Erzeugungsleistung auf neuem Rekordniveau
Dennoch bringt 2022 auch noch zwei wesentliche Höchstwerte mit sich. So erreichte die Erzeugung aller Anlagenparks an Land am 20. Februar um 20.15 Uhr einen neuen Höchstwert. Die Anlagen speisten in der anschließenden Viertelstunde mit einer Erzeugungsleistung von 43,335 GW ein. Das waren immerhin 2,25 GW mehr als beim vorigen Rekord aus dem Dezember 2021. Auch die Offshore-Windparks erreichten 2022 ihr neues Maximum. Am 4. Januar 2022 speisten sie bei 7,261 GW ein. Und wie schon in allen drei Jahren davor könnte in sechs der zwölf Monate, also in jedem zweiten Monat, die Einspeisung mehr als zehn TWh betragen. Das war im Januar, Februar, April, Oktober und November bisher der Fall – und könnte im Dezember noch gut möglich sein.
Betreiber des Statistikportals Energy-charts.de ist das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer Ise) in Freiburg.
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