Nur weil ungefähr für drei Stunden am Tag – die frühen Abendstunden – die Verteilnetze zu überlasten drohen, soll ein Netzausbau dort erforderlich sein? Andreas Jahn von der Berliner Regulatory Assistance Project (RAP) verwies jetzt auf dieses Phänomen während der Tagung zukünftige Netze. Als eine unabhängige, globale Organisation unterstützt RAP Regierungen und Behörden bei der Dekarbonisierung des Stromsystems.
Gerade hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Gesetzentwurf zum Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) zurückgezogen. Dabei könnte ein genau passgenau erstelltes Gesetz hier durchaus hilfreich sein. Aber letztlich muss klar sein, dass es darum geht, die Netze besser auszulasten – und zwar dadurch, dass sie dann entlastet werden, wenn sie derzeit und vor allem künftig durch E-Mobilität überlastet sind. Denn durch das heimische Laden nach Feierabend wird sich die Lastkurve noch einmal massiv verstärken, wenn hier nicht gegengesteuert wird. Das hat in manchen Region von Norwegen schon zu Problemen auf Verteilnetzebene geführt.
Wie könnte diese Entzerrung der Lastpeaks durch Netzentgelte realisiert werden? Ganz einfach indem unterschiedliche Tarif abgerufen werden. Ohne Smart Meter ginge das theoretisch, indem die Standardlastkurve preislich ausgestaltet würde: Mittags und am frühen Abend steigen die Strompreis wie auch der Verbrauch, in der Nacht ist der Strom besonders günstig. Für die Industrie gibt es das teils schon. Jahn sieht das für Privathaushalte aber nicht. Mit Smart Meter aber schon: Dann könnt im Idealfall direkt kommuniziert werden, wenn besonders günstiger Strom im Angebot ist – etwa weil besonders viel Wind weht. „Die Entzerrung über Netzentgelte ist kaum erprobt“, sagt Jahn. Man müsse hier Erfahrungen sammeln und Preisanreize setzen. Tatsächlich gibt es einen Passus im Entwurf des Referentenentwurfs für die EnWG Novelle. „Stromlieferanten, die zum 31. Dezember eines Jahres mehr als 200 000 Letztverbraucher beliefern, sind im Folgejahr verpflichtet, den Abschluss eines Stromliefervertrages mit dynamischen Stromtarifen für Letztverbraucher anzubieten, die über ein intelligentes Messsystem im Sinne des Messstellenbetriebsgesetzes verfügen.“ heißt es dort.
In Großbritannien habe man hier bereits in kleinen Bereichen positive Erfahrungen gesammelt. „Hier zeigen sich bereits Lastverschiebungen. Wir sehen eine Wirkung. Der Markt muss es nur umsetzen.“ Der Cottbusser Stromanbieter Mitnetz habe sich eine Zeitvariable überlegt, so Jahn. Eine Peak-Tarif und einen Off-Peak-Tarif. Das sei immerhin ein erster Schritt, denn mithilfe solcher Preissignale ließen sich Netzengpässe und Abregelungen vermeiden. „Das wäre gut für die Energiewende.“ Bis auf Mitnetz fehle es aber bisher fast vollständig an solchen Signalen in Deutschland. „Dabei ist es ja im Versorgerinteresse, die Infrastruktur besser auszunutzen ohne höhere Kosten etwa für den Netzausbau“, so Jahn. Am wirkungsvollsten sei es, Preissignale beim Schnellladen und bei Industriekunden zu etablieren, weil hier große Strommengen abgerufen würden. Wie die Beispiele Großbritannien und Norwegen zeigt, ist das Problem der Netzengpässe kein deutsches Phänomen.
In Kalifornien, wo wie in Norwegen besonders viele Elektrofahrzeuge unterwegs sind, hat der Gesetzgeber zu einer wirkungsvollen Methode gegriffen: Wie Jahn berichtete, hat der Bundesstaat die Versorger schlicht verpflichtet, solche Tarife anzubieten. Da kann man mal drüber nachdenken…
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