Katharina Wolf
Plant die Bundesregierung eine stärkere Deckelung des Windenergieausbau im Norden Deutschland? Entsprechende Presseberichte des Redaktionsnetzwerks Deutschlands und auf Spiegel online sorgten für teils heftige Reaktionen.
Nach übereinstimmenden Berichten liegt ein Entwurf für eine überarbeitete Version der Netzausbaugebiets-Verordnung vor. Demnach solle die Verordnung um drei Jahre bis 2023 verlängert und der jährliche Zubau im Ausbaugebiet auf 786 MW gedeckelt werden - statt bisher 902 MW. Außerdem solle sich das Gebiet verlagern: Statt wie bisher auch Mecklenburg-Vorpommern zu umfassen, soll künftig ganz Niedersachsen als Netzausbaugebiet gelten. Bislang gehört nur der Norden des Bundeslandes dazu.
Bundesnetzagentur bestätigt Ausbauzahlen nicht
Die Bundesnetzagentur hat die Berichte auf Anfrage nicht komplett bestätigt. Es liege ein Vorschlag der Behörde vor, der auf der im EEG vorgeschriebenen Evaluierung alle drei Jahre beruhe, sagte ein Sprecher. Dieser Vorschlag sei Teil des vom Bundeswirtschaftsminsterium durchgeführten Verfahrens, an dem auch noch die Bundesländer sowie die Verbände beteiligt würden. Der Sprecher betätigte lediglich die Verlagerung des Ausbaugebiets, die die Bundesnetzagentur aufgrund der Evaluation der aktuellen Kennzahlen der Stromnetze vorschlage. Wie das Verfahren ausgehe und wie viele Megawatt am Ende zugebaut werden dürften, sei derzeit offen.
BWE: Debatte lenkt vom Kernproblem ab
Ohnehin erscheint die Zahl von 786 MW angesichts der aktuellen Ausbauzahlen des ersten Halbjahrs 2019 hoch - nicht allerdings im Vergleich zu nötigen Ausbau zum Erreichen der Klimaziele. Entsprechend barsch reagiert der der Bundesverband Windenergie (BWE). „Wir haben derzeit nicht zu viele Projekte, sondern bei netto lediglich 35 neuen Windenergieanlagen im ersten Halbjahr 2019 einen deutlich zu geringen Zubau, um die politisch definierten Ausbauziele zu erreichen“, erklärte BWE-Präsident Hermann Albers. Die Debatte um das Netzausbaugebiet lenke von den tatsächlichen Herausforderungen ab. Diese lägen darin, den Ausbau der Windenergie schnell wieder zu beschleunigen, den aktuellen Genehmigungsstau aufzulösen und das Auftragsniveau für die Unternehmen der Branche so zu stabilisieren.
Branche: Geplante Deckelung stößt auf Unverständnis
Björn Wenzlaff, Geschäftsführer der Hannoveraner Projektentwicklungsgesellschaft Windwärts, erachtet die geplante Deckelung des Windenergieausbaus als unverständlich. „Der Ausbau der Windenergie stockt, doch anstatt Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, befasst sich die Politik mit einer weiteren Deckelung und das ausgerechnet im Windland Niedersachsen.“ Er appelliert an die Politik, die Probleme anzugehen und die Weichen für die Windenergie wieder Richtung Zukunft zu stellen. Allein das Thema Flugsicherheit bringe den Ausbau in der Region Hannover fast zum Erliegen.“
Grüne: Kohle und Atom sind Netzverstopfer
Julia Verlinden, Energieexpertin der Grünen im Bundestag, bezeichnete auf Twitter Kohle- und Atomkraftwerke als „die wahren Netzverstopfer“ und kritisierte die Bundesregierung scharf. Sie habe 2018 erlaubt, zusätzliche Reststrommengen auf AKWs im Netzengpassgebiet zu übertragen. Nun werde die Windkraft stärker gedeckelt, anstatt Kohle- und Kernkraftwerke abzuschalten.