Der Bedarf an den Reservekraftwerksleistungen in Deutschland wächst rasant. Noch im Mai 2014 hatten die Netzaufseher 3.091 Megawatt (MW), also knapp 3,1 Gigawatt (GW) Reservekraftwerksbedarf für den Folge-Winter 2014/2015 ermittelt. Aber schon im Oktober mussten sie nachsteuern, nachdem Eon eine vorzeitige Leistungsreduzierung für das bayerische Atomkraftwerk (AKW) Grafenrheinfeld angekündigt hatte. Der Energiekonzern hatte als Betreiber des 2015 gemäß Atomausstiegsgesetz abschaltenden AKWs entschieden, auf einen anstehenden Brennelementewechsel zu verzichten. Eon hatte angekündigt, die Leistung des Kraftwerks stattdessen vorzeitig zu reduzieren und es im Streckbetrieb noch bis Mai Strom produzieren zu lassen. Im Oktober entschied die Netzagentur, die Reservekraftwerksleistung um 545 MW erhöhen zu lassen. Diesen direkten Ausgleich der wegfallenden AKW-Leistung von Grafenrheinfeld durch Reservekapazitäten werteten die Netzaufseher deshalb als notwendig, weil die im Bau befindliche sogenannte Thüringer Strombrücke, eine Höchstspannungstrasse von Ostdeutschland nach Bayern zum schnellen Export überschüssigen Wind- und Braunkohlestroms aus den neuen Bundesländern, im Winter 2014/2015 noch nicht zur Verfügung stand.
Ende März legten schließlich die Übertragungsnetzbetreiber ihre Einschätzungen des Reserveleistungsbedarfs für die Winter 2015/2016 und 2016/2017 vor. Sie kalkulieren diesen plötzlich sogar bei mindestens 6,7 bis im ungünstigen Fall sogar 7,8 GW. Nun schloss sich die Bundesnetzagentur dieser Einschätzung auch offiziell an und bestätigte die Reservekraftwerkspläne der Übertragungsnetzbetreiber. Diese dürfen nun gemäß der sogenannten Reservekraftwerksverordnung Verträge mit konventionellen Gas-, aber auch Kohlekraftwerken in Deutschland und im Ausland abschließen, wonach diese bei Netzengpässen ihre Leistung für das deutsche Übertragungsnetz hochfahren müssen.
Wind- und Sonnenflauten nicht das Problem
Denn Strom wird in Deutschland mehr als benötigt produziert – und zunehmend ins Ausland exportiert. 2014, so besagen neueste inoffizielle Berechnungen von Experten von Anfang Mai, bescherte den Stromerzeugern und Netzbetreibern einen neuen Exportrekord mit Einnahmen von 1,75 Milliarden Euro. Der Reservebedarf hingegen ist vor allem die Folge sogenannter Redispatch-Maßnahmen. Weil Strom zunehmend nicht mehr dort erzeugt wird, wo er auch abgenommen wird – auch aufgrund der wachsenden Exportleistungen – sind die Netze zunehmend überlastet. Die Netzbetreiber müssen dann Kraftwerken an manchen Orten die Erhöhung ihrer Leistung gemäß den von ihnen an der Börse verkauften Strommengen untersagen und dafür Reservekraftwerke näher bei den Verbrauchern ihre Leistung hochfahren lassen. Schuld ist also ein zunehmend wachsendes räumliches Ungleichgewicht von Erzeugung und Nachfrage. Netzbetreiber und Bundesnetzagentur machen die erneuerbaren Energien, insbesondere auch die rasant zunehmende Windenergie, für diese Maßnahmen verantwortlich. 2015 sei dadurch möglicherweise eine Niveaustufe erreicht worden, die das Gleichgewicht an mehreren Stellen im Netz habe kippen lassen – weshalb der Bedarf sprungartig wachse, so erklärt man es bei der Netzagentur: „Die Entstehung des Mehrbedarfs an Reserveleistung in Höhe von drei Gigawatt zwischen dem Jahr 2014/2015 und dem Jahr 2015/2016 ist hauptsächlich auf die Stilllegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld zurückzuführen“, sagt der Pressesprecher der Bundesnetzagentur, Michael Reifenberg, auf Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Doch die Erhöhung der Reserven auf mehr als das Doppelte der nun nach und nach abgeschalteten Gesamtleistung des AKW Grafenrheinfeld von 1,35 GW ist damit noch nicht erklärt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Umfeld der Netzbetreiber, der Ausbau der Erneuerbaren habe immer wieder auch Sprünge beim Regelbedarf für das Gleichgewicht des Netzes zur Folge. Der Bedarf sei das Ergebnis von Modellrechnungen, eine genaue Rückanalyse, wo der zusätzliche Bedarf an Reserveregelleistung herkommt, liege aber nicht vor. Die Netzagentur betont: Je nachdem in welchen Regionen genau die für Reservekraftwerksleistung vertraglich verpflichteten Kraftwerke sich befänden, könne sich der Bedarf um bis zu 1,1 GW unterscheiden. Benötigt würden beispielsweise Reservekraftwerke in Polen nahe zur deutschen Grenze.
Denn Strom wird in Deutschland mehr als benötigt produziert – und zunehmend ins Ausland exportiert. 2014, so besagen neueste inoffizielle Berechnungen von Experten von Anfang Mai, bescherte den Stromerzeugern und Netzbetreibern einen neuen Exportrekord mit Einnahmen von 1,75 Milliarden Euro. Der Reservebedarf hingegen ist vor allem die Folge sogenannter Redispatch-Maßnahmen. Weil Strom zunehmend nicht mehr dort erzeugt wird, wo er auch abgenommen wird – auch aufgrund der wachsenden Exportleistungen – sind die Netze zunehmend überlastet. Die Netzbetreiber müssen dann Kraftwerken an manchen Orten die Erhöhung ihrer Leistung gemäß den von ihnen an der Börse verkauften Strommengen untersagen und dafür Reservekraftwerke näher bei den Verbrauchern ihre Leistung hochfahren lassen. Schuld ist also ein zunehmend wachsendes räumliches Ungleichgewicht von Erzeugung und Nachfrage. Netzbetreiber und Bundesnetzagentur machen die erneuerbaren Energien, insbesondere auch die rasant zunehmende Windenergie, für diese Maßnahmen verantwortlich. 2015 sei dadurch möglicherweise eine Niveaustufe erreicht worden, die das Gleichgewicht an mehreren Stellen im Netz habe kippen lassen – weshalb der Bedarf sprungartig wachse, so erklärt man es bei der Netzagentur: „Die Entstehung des Mehrbedarfs an Reserveleistung in Höhe von drei Gigawatt zwischen dem Jahr 2014/2015 und dem Jahr 2015/2016 ist hauptsächlich auf die Stilllegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld zurückzuführen“, sagt der Pressesprecher der Bundesnetzagentur, Michael Reifenberg, auf Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Doch die Erhöhung der Reserven auf mehr als das Doppelte der nun nach und nach abgeschalteten Gesamtleistung des AKW Grafenrheinfeld von 1,35 GW ist damit noch nicht erklärt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Umfeld der Netzbetreiber, der Ausbau der Erneuerbaren habe immer wieder auch Sprünge beim Regelbedarf für das Gleichgewicht des Netzes zur Folge. Der Bedarf sei das Ergebnis von Modellrechnungen, eine genaue Rückanalyse, wo der zusätzliche Bedarf an Reserveregelleistung herkommt, liege aber nicht vor. Die Netzagentur betont: Je nachdem in welchen Regionen genau die für Reservekraftwerksleistung vertraglich verpflichteten Kraftwerke sich befänden, könne sich der Bedarf um bis zu 1,1 GW unterscheiden. Benötigt würden beispielsweise Reservekraftwerke in Polen nahe zur deutschen Grenze.
Netzbetreiber und Netzagentur monieren außerdem indirekt den „unzureichenden Netzausbau“, den die Bundesnetzagentur als zweite Ursache für zunehmende Netzengpässe nennt. Allerdings heißt es aus der Netzagentur auf Nachfrage auch, dass die Erhöhung der letztlich von den Stromverbrauchern zu finanzierenden Reservekraftwerksleistung nicht mit dem tatsächlichen Erzeugungsbedarf einhergehen müsse: In den vergangenen Wintern hätten die Reservekraftwerke wenig bis gar keinen Strom ihrer „kontrahierten Leistung“ liefern müssen.
Exportbeschränkung würde Bedarf reduzieren
Wie sehr der Reservekraftwerksbedarf auch möglicherweise etwas mit zu viel Strom-Produktion zum Beispiel aus Kohlekraftwerken für den Export zu tun hat, zeigt die Bedarfsrechnung für den Winter 2019/2020. Hier gehen die Netzaufseher von möglicherweise nur noch einem Reservebedarf von 1,6 GW aus. Der Bedarf würde sich nämlich dann schlagartig reduzieren, wenn eine derzeit diskutierte mögliche neue Regelung durch die Europäische Union dann greift. Sie sieht als Maßnahme für ein Engpassmanagement die Limitierung der Stromexporte von Deutschland nach Österreich auf 5,7 GW vor. Die Folge wäre also offenbar, dass der Wegfall Grafenrheinfelds für die Versorgung in Bayern keine Rolle mehr spielte.
(Tilman Weber)