Nicole Weinhold
Mehr Menschen passen einfach nicht in den Saal - der Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) lockte am gestrigen Donnerstag über 1.300 Branchenvertreter nach Berlin. Das Maritim Proarte Hotel in der Friedrichstraße stößt an seine Grenzen. Gleichwohl wollten diesmal die meisten Gäste lieber gequetscht im Saal stehen, als in den Gängen gemütlich zu netzwerken. Der Grund heißt Andreas Feicht und ist seit Anfang Februar Energiestaatssekretär unter Peter Altmaier im Wirtschaftsministerium. Seine erste Rede in der neuen Funktion vor größerem Publikum wurde mit Spannung erwartet. Wird er den Wirtschaftsminister in die gewünschte Spur lenken? Mit dieser Frage im Hinterkopf lauschte das Publikum seinen Worten. Und das vorab: Viele beantworteten sich diese Frage wohl mit einem enttäuschten Nein.
Staatssekretär Feicht wenig überzeugend
Er nannte seine Rede "Grüße aus dem Maschinenraum" des Energieministers. "Die Windbranche hat gelitten", stellte er fest, womit er an die Ausschreibungsrunden ohne erforderliche BImSchG-Genehmigung erinnerte. "Man sieht, was man da falsch machen kann." Alles müsse erneuerbar werden: erst Strom, dann Wärme und Verkehr. Dann kam der Staatssekretär zum Thema Netzausbau und man merkte sofort, dass Altmaiers "Chefsache" bereits adaptiert wurde. Er habe an der jüngsten Netzreise des Energieministers teilgenommen: "Bürger haben bei Herrn Altmaiers Netzreise ihre Sorgen geschildert", so Feicht. Man müsse auf die Sorgen der Menschen hören, so die Botschaft. Sein Vorredner, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hatte zu diesem Thema einen schönen Vergleich gebracht: "Wenn wir den heutigen Ansatz mit den Einwändungen schon zu Zeiten gehabt hätten, als Kohle- und Atomkraftwerke gebaut wurden, dann säßen wir jetzt noch mit einer Kerze im Dunkeln." Mit anderen Worten: Wir befinden uns beim Thema Netzausbau in einer Sackgasse. Lies nannte in dem Zusammenhang auch die Bitte, dass nicht nur auf den Ausbau von Stromleitungen geschaut werden sollte, sondern auch die Gasleitungen für den Transport von Energie erwogen werden müssten. Er verwies auf das "Henne-Ei-Problem" beim Netzausbau: Wenn, wie von konservativen Politikern gefordert, der Ausbau der Erneuerbaren gestoppt würde, damit der Netzausbau entsprechend nachkommen könnte, würden die Netzgegner sagen: Geht doch auch so, wir brauchen gar keine Netze.
Netzausbau steckt fest - Todesurteil für die Energiewende
Am Nachmittag vor dem Neujahrsempfang hatte die Berliner Kanzlei Luther Nierer zu rechtlichen Aspekten rund um die Energiewende 2019 eingeladen. Auch dort ging es um den Netzausbau. Reinhard Nierer berichtete seinen Zuhörern, im dritten Quartal 2018 seien lediglich 23 Kilometer Netzleitungen ausgebaut worden. 3582 Kilometer sollten eigentlich bis 2020 gebaut werden. "Das funktioniert so überhaupt nicht", betonte Nierer. Das Problem: Eine Flut von Einwendungen ist vorprogrammiert. Jeder betroffene Grundstückseigentümer sei gut beraten, wenn er eine Einwendung erhebt, damit er später Ansprüche geltend machen kann. "Das wird zu einer Klageflut führen. Kein Wunder also, dass so wenige Trassen gebaut werden."
Es gäbe aber auch andere Wege, so Nierer. Er nannte Dänemark als positives Beispiel. Dort werden Infrastrukturmaßnahmen per Gesetz genehmigt. Als Beispiel nannte er den geplanten Fehmarnbelttunnel zwischen Dänemark und Deutschland. Während der Tunnel auf dänischer Seite bereits fertig geplant ist, liegt das Projekt auf deutscher Seite in Kiel bei den Behörden. Das Planfeststellungsverfahren liege seit Jahren vor, komme aber aufgrund von Bürokratie und Einwänden nicht voran. Mit anderen Worten: die gesetzliche Regelung in Deutschland mit den Einwändungen bei Infrastrukturmaßnahmen führt zum Stillstand, den wir uns bei der Energiewende aber nicht leisten können. Nierer geht davon aus, dass der Politik der Mut fehlt, dem dänischen Beispiel zu folgen und damit den Bürgern die Einspruchsmöglichkeit zu nehmen.
Zurück zum Neujahrsempfang und Staatssekretär Andreas Feicht: Wenn auch nur vorsichtigen Applaus erntete er, als er einräumte, dass das aktuelle Umlagen- und Abgabensystem vielen Innovationen im Wege stehe. Stichwort Power-to-Gas. "Viele legen hier die Einführung eines CO2-Preises nahe", so Feicht, der selbst in seiner vorherigen Funktion als Stadtwerke-Vertreter die Lanze für den CO2-Preis gebrochen hatte. Jetzt äußerte er sich vorsichtiger: "Das ist ein sehr breites Thema. Wir wollen uns nicht verzetteln." Er sei sich aber sicher, dass ein CO2-Preis kommen werden. "Nicht in dieser Legislaturperiode, aber in der nächsten."