Die Lechwerke mit Sitz in Augsburg haben mit Partner aus der Wissenschaft und der Wirtschaft ein Konzept für die Notstromversorgung und den Wiederaufbau des Stromnetzes bei großflächigen Netzausfällen mit dezentralen Erzeugungsanlagen entwickelt. Ziel des Projektes Linda (Lokale Inselnetzversorgung und beschleunigter Netzwiederaufbau mit dezentralen Erzeugungsanlagen bei großflächigen Stromausfällen) war es, in Feldversuchen zu zeigen, dass große fossile Kraftwerke, die zentral ein Netz aufbauen könnten – wenn sie denn überhaupt starten können – gar nicht notwendig sind. Vielmehr können das auch viele kleine dezentrale Anlagen übernehmen. Voraussetzung ist, dass es ein schwarzstartfähiges Kraftwerk gibt, das die Netzfrequenz und die Netzspannung vorgibt. Diesem können dann andere folgen.
Schwarzstartfähige Kraftwerke können auch ohne externe Stromversorgung die Erzeugung beginnen. Das ist bei den großen Kohle- und Atommeilern genauso nicht möglich wie bei den kleineren Gaskraftwerken. Anders sieht das mit Wasserkraftanlagen aus. Deshalb haben die Lechwerke in einem ersten Feldtest ein Inselnetz mit mehreren Ortschaften aufgebaut. Das Wasserkraftwerk Feldheim hat in diesem Inselnetz die Führung übernommen.
Keine Nachrüstung nowendig
Nach einem simulierten Netzausfall konnte das Wasserkraftwerk ohne Unterstützung von Außen starten und das Netz mit seinen 50 Hertz Frequenz wieder aufbauen. Nach und nach konnten die Augsburger dann weitere dezentrale Erzeuger – in diesem Falle vor allem viele kleine und große Photovoltaikanlagen – dazuschalten, die sich an der Netzfrequenz orientieren konnten, die vom Wasserkraftwerk vorgegeben wurde. Denn die Wechselrichter der Solaranlagen erkennen das neu entstandene Netz und beginnen, im normalen Verbundbetrieb einzuspeisen. Auf diese Weise konnte nach und nach auch die Leistung abgedeckt und der Verbrauch wieder angefahren werden.
Die Augsburger Entwickler haben den gesamten Feldtest fast komplett ohne technische Nachrüstung durchgeführt. Nur das Wasserkraftwerk musste so ausgerüstet werden, dass es die Rolle des Führungskraftwerkes übernehmen kann. Die Solaranlagen konnten mit den bisherigen technischen Spezifikationen betrieben werden. Das heißt, größere Anlagen gehen nach und nach vom Netz, wenn die Frequenz über 50,2 Hertz steigt. Kleinere Anlage schalten dann sofort ab. „Wir hatten die Befürchtung, dass wir durch die vielen plötzlichen Abschaltungen in den Bereich der Unterfrequenz geraten“, sagt Georg Kerber, Projektleiter bei den Lechwerken. „In den Feldversuchen hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Photovoltaikanlagen nicht synchron bei 50,2 Hertz abschalten, sondern sich die Abschaltungen auf einen größeren Frequenzbereich verteilen. Das Verhalten der älteren Anlagen ist damit nicht so kritisch für die Netzstabilität, wie angenommen.“
Inselbetrieb immer problemlos möglich
In zwei weiteren Feldversuchen haben die Augsburger gezeigt, dass ihr Konzept funktioniert. Im letzten Test haben sie ein weiteres Wasserkraftwerk integriert sowie die Zahl der Photovoltaikanlagen und Haushalte in der Insel weiter erhöht. Es war jederzeit ein stabiler Inselbetrieb möglich, so dass dezentrale Erzeugungsanlagen problemlos für die Notstromversorgung im Falle eines sogenannten Blackouts eingesetzt werden können. „Weiterführende Untersuchungen haben gezeigt, dass auch Gasmotoren, wie sie zum Beispiel in Biogasanlagen zum Einsatz kommen, für die Rolle des Führungskraftwerks geeignet sind“, berichtet Georg Kerber. Damit ist das Konzept nicht darauf angewiesen, dass ein Wasserkraftwerk im Bilanzkreis vorhanden ist.
Das Linda-Konzept soll jetzt weiterentwickelt werden. Die Netzbetreiber können es aber auch jetzt schon in Notfallkonzepte sowie Netzwiederaufbaupläne integrieren. Sie können damit die bestehenden Strategien zur Wiederherstellung der Stromversorgung bei einem großflächigen Stromausfall ergänzen, betont das Projektteam der Lechwerke. Dort haben schon die ersten Interessenten angefragt, ob die Augsburger sie bei der Umsetzung des Konzepts in weiteren Kommunen und anderen Netzgebieten unterstützen können.
Bei der Entwicklung des Konzepts waren auch Forscher der Hochschule Augsburg und der Technischen Universität München beteiligt. Von Industrieseite saßen die Bayerischen Elektrizitätswerke, der Servicedienstleister für den Betrieb und die Wartung von Wasserkraftwerken Stellba Hydro, Marquis Automatisierungstechnik, MTU Onside Energy, und PSI Software mit im Entwicklungsboot.