Um 15 Terawattstunden (TWh) flaute die Stromerzeugung der Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland während der ersten sechs Monate des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab, wie das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nun bilanzierten. Knapp eine Woche vor dem Halbjahresende meldeten ZSW und BDEW am Montag im Rahmen ihrer regelmäßigen gemeinsamen Erhebung, dass von Januar bis Juni 122 TWh aus regenerativen Quellen erzeugter Strom in die Netze floss, nach 137 TWh im ersten Halbjahr 2020. Zwar hätten Anlagen der Photovoltaik (PV) rund zwei Prozent mehr Strom als in den ersten sechs Monaten 2020 erzeugt. Doch zugleich sei die Windstromproduktion um 20 Prozent eingebrochen.
Die Grünstromerzeuger speisten gemäß der ZSW/BDEW-Daten damit nur noch ein Stromvolumen ein, das 43 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland abdeckte nach rund 50 Prozent ein Jahr zuvor. Allerdings war der rückläufige Anteil offenbar rund zur Hälfte auch eine Folge des wieder verstärkten Stromverbrauchs, weil es anders als im ersten Halbjahr 2020 von Januar bis Juni 2021 nie einen Total-Lockdown der Wirtschaft als Schutzmaßnahme gegen die Coronapandemie gegeben hatte – und weil die Wirtschaftskonjunktur in Deutschland nun wieder anzuspringen scheint. So hat der Stromverbrauch im ersten Halbjahr wieder von 271 auf 285 TWh zugelegt. Die Bruttostromerzeugung in Deutschland, die in Deutschland bisher verlässlich zu einer Überversorgung beziehungsweise zum Stromexportüberschuss führt, stieg im Vergleich beider Halbjahre von 179 auf 192 um 13 TWh an.
Wirklich nur das Wetter?
„Verantwortlich hierfür war vor allem das Wetter“, schreiben ZSW und BDEW. „Während im ersten Halbjahr 2020 Rekorde bei der Stromerzeugung aus Solarenergie und Windenergie an Land erreicht wurden, war in diesem Jahr insbesondere das erste Quartal ungewöhnlich windstill und arm an Sonnenstunden.“ Erst im zweiten Quartal seien die Witterungsverhältnisse günstiger gewesen.
Dass somit fast nur wetterbedingte Flauten mit zu vielen und längeren windstillen Phasen für den Rückgang verantwortlich sind, darf allerdings mit Verweis auf andere Statistiken zumindest hinterfragt werden.
Tatsächlich besagen auch die Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer Ise) in Freiburg zur sogenannten Nettostromerzeugung in Deutschland, dass die Windstromeinspeisung nun um rund 15 TWh im Vergleich zum selben Zeitraum ein Jahr zuvor einbrach. Ausgehend vom bisherigen Halbjahresrekordwert 74,18 TWh verlor sie auch nach dieser Statistik rund 20 Prozent und fiel auf 58,86 TWh zurück.
Erster Rückgang der Windstromerzeugung seit fünf Jahren
Allerdings verweisen die auf dem Fraunhofer-Ise-eigenen Internetportal Energy-charts.info flexibel zusammenstellbaren Datenreihen auch auf Besonderheiten, für die Corona und Wetter möglicherweise nicht als hinreichende Erklärung herhalten können. Einerseits nämlich war die Windstromeinspeisung von Januar bis Juni 2021 nicht nur deutlich geringer als ein Jahr davor, sondern sie untertraf auch noch deutlich den Wert von 66,42 TWh des vorvorigen Jahres 2019. Doch das schlechte Windhalbjahr ist nicht allein durch das derart eindeutige Abflauen der Einspeisung aus den deutschen Rotorenparks gekennzeichnet, sondern auch durch einen statistischen Bruch: durch den ersten Rückgang der Windstrom-Einspeisung überhaupt seit den fünf Jahren davor. So hatte die Windkrafternte in den Winter- und Frühjahrs-Semestern ab dem ersten Halbjahr 2016 bis erstes Halbjahr 2020 Jahr für Jahr um sieben bis zehn TWh zugenommen. Das Wachstum der Windstromerzeugung war also bis zuletzt immer gleichmäßig und deutlich.
Auffällig ist auch, dass die gewöhnlich sehr guten Wintermonate Januar bis März den deutschen Windparkbetreibern bei der Einspeisung ein gleichmäßiges aber eben nur mäßig gutes Monatsniveau zwischen elf und zwölf TWh einbrachten: 11,68, 11,32 und 11,63 TWh. Zum Vergleich: In allen drei Monaten fiel das Windstromvolumen damit sehr deutlich zurück im Vergleich zum besonders windreichen ersten Vierteljahr 2020, als grob gerundet im Januar, Februar und März 16, 21 und 14 TWh Windstrom ins Netz gelangten. Auch verglichen mit 2019 waren die für die Windernte-Hochsaison entscheidenden Monate deutlich zu ertragsarm. Damals brachten Januar und März bereits deutlich höhere Einspeisewerte von 16 und 14 TWh mit sich, während der Februar nur knapp 11 TWh einbrachte.
Dabei war die Windstromeinspeisung zugleich in allen fünf Jahren davor nie annähernd ähnlich ausgewogen und mit Ausnahme von 2017 mit nur zwei TWh Schwankungsbreite regelmäßig von Einspeisedifferenzen um mindestens zehn Prozent beziehungsweise um vier bis sechs TWh geprägt.
Neue Gleichmäßigkeit beschert starke Verluste – aber Rekordwerte im April und Mai!
Die neue Gleichmäßigkeit der monatlichen Einspeisung hielt aber auch im April und Mai noch an, als mit knapp und gut zehn TWh kaum weniger Windstrom ins Netz gelangte, obwohl beide Monate ganz gegen den relativen Trend der Vormonate jeweils neue Rekordwerte für diese beiden Frühjahrsmonate bedeuteten: die beste Nettostromerzeugung in einem April und in einem Mai.
Der Juni 2021 hingegen erbrachte die schlechteste Nettowindstromerzeugung eines Juni seit 2016, als der Zähler nur 3,44 TWh erreicht hatte und fiel im Vergleich zum Niveau der beiden Vorjahres-Juniwerte um etwa 2 TWh auf knapp 4,5 TWh ab.
Trend hält schon seit November an
Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang schließlich auch, dass die Verbindung von vergleichsweise mäßigen Erzeugungswerten beim Windstrom mit zeitgleich auf einem steten Niveau wie eingefroren wirkender Gleichmäßigkeit schon seit November 2020 anhält. Auch für November und Dezember 2020 weist die Energy-Charts-Statistik nämlich jeweils Einspeisewerte zwischen elf und zwölf TWh auf: zwar noch um eine TWh mehr als in allen November-Monaten seit 2017, die regelmäßig zu Windstromvolumen von etwas mehr als 10 TWh geführt hatten; aber auch deutlich unterhalb des Niveaus der seither immer erreichten Dezemberwerte von 14 bis fast 15,5 TWh.
Woran die neue Auffälligkeit der Windstromerzeugung allerdings auch immer gelegen haben mag: Ein beispielhafter Blick auf die am Netz wirksamen Einspeiseleistungen lässt im windkraftarmen Juni 2021 auch extreme Windstille-Phasen leicht erkennen: So wechselten sich 24-Stunden-Phasen mit gemessener Windkraftleistung von unter zwei bis sogar unter einem Gigawatt (GW) mit Phasen von einem halben bis zu einem ganzen Tag, in denen die Windkraft mal 10, mal 20 oder auch mal über 30 GW ans Netz brachte.