Pop-up-Radwege entstanden während der Corona-Krise in vielen Städten – zur Freude vieler Radfahrer. Autofreunde fluchten hingegen über verengte Fahrbahnen oder versuchten sogar, die Radwege gerichtlich verbieten zu lassen. Doch was bringen die abgeteilten Fahrstreifen wirklich für die Mobilitätswende? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat eine Untersuchung an der Kantstraße und Neuen Kantstraße in Berlin durchgeführt und spricht von einem Sensationserfolg.
Die Umweltschützer werteten offizieller Verkehrsdetektoren an der Berliner Kantstraße aus – einer Hauptverkehrsstraße in Charlottenburg, an der es vorher keinen gesonderten Radweg gegeben hatte. Dort sei die Menge des Kfz-Verkehrs um 22 Prozent zurückgegangen. Vor Einrichtung des Pop-up-Radwegs Ende April 2020 fuhren laut DUH täglich knapp 21.000 Autos pro Tag auf der Kantstraße, nach Einrichtung seien es nur noch knapp 16.400 pro Tag gewesen. Im gleichen Zeitraum habe sich die Menge des Radverkehrs mehr als verdreifacht von durchschnittlich 1.500 auf mehr als 5.100 Fahrräder pro Tag. Dies belegen Berechnungen der DUH auf Grundlage von Daten der Mobilitätsplattform Strava Metro. Selbst im Winter 2020/2021 lag die Radverkehrsmenge oberhalb des Niveaus, das im Sommer 2019 erreicht wurde.
Luftqualität verbesserte sich deutlich
Auch die Luftqualität an der Kantstraße habe sich erheblich verbessert, so die DUH: Vor Einführung des Pop-up-Radwegs lag die Belastung mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) an verschiedenen Stellen der Kantstraße zwischen 33 und 35 µg/m³. Messungen der DUH belegen nun, dass die NO2-Belastung nach Einführung des Pop-up-Radwegs im Jahresmittel nur noch zwischen 21 und 25 µg/m³ liegt. Für ihre Untersuchung hat die DUH vier Messstationen zwischen November 2020 und Oktober 2021 in verschiedenen Abschnitten der Kantstraße mittels sogenannter Passivsammler eingerichtet.
An verschiedenen Messpunkten habe der Rückgang der NO2-Belastung zwischen 9 und 14,5 µg/m³ und damit deutlich über einem „Corona-Effekt“ gelegen. Diesen bemisst die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz im Jahresmittel bei lediglich 2 µg/m³. Die Befürchtung, dass der Pop-up-Radweg zu mehr Stau und dadurch zu einer höheren NO2-Belastung führen würde, sei so widerlegt.
„Radverkehr lässt sich schnell und einfach fördern“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, betonte, dass das Beispiel zeige, wie einfach und schnell sich der Radverkehr fördern lasse und sich dadurch die Luftqualität erheblich verbessere. „Wir brauchen kurzfristig eine Verdopplung der Radwege und die Zahl der Autos in unseren Städten muss sich halbieren. Mit kostengünstigen und schnell umsetzbaren Maßnahmen wie Pop-up-Radwegen kommen wir diesem Ziel näher“, so Resch.
Die DUH kündigte weitere Auswertungen in Berlin an, darunter die Pop-up-Radwege Lindenstraße Kottbusser Damm und Kottbusser Straße sowie Frankfurter Allee. (kw)
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